Die Veranstaltungsmikrofone sind aus, die Bühne im Foyer des Düsseldorfer Stadions, eben direkt neben dem "Rheinbad" gelegen, steht nun voller Menschen, es gibt Brezeln und Softdrinks, als ein Mann auf Knut Wesselmann zukommt:
"Ich wollte mich ganz herzlich bedanken, weil ich der Meinung bin, dass sie der einzige sind, der die Sache realitätsbezogen auf den Punkt gebracht hat, ganz herzlichen Dank."
"Ja, wir sehen uns."
Gut eine Stunde vorher hat sich Wesselmann, weißes Polohemd, rote, kurze Hose, ein Mann in der zweite Lebenshälfte gemeldet: Am Tag der ersten Räumung des "Rheinbades", wollte er schwimmen gehen, da war es bereits geschlossen:
"Dann, bei dem dritten Vorfall war ich persönlich anwesend, ich habe es gesehen, ich war zehn Meter entfernt, als eine Gruppe von 60 bis 70 Schwarzafrikanern dort im Endeffekt die Rutsche hoch gerannt sind. Für mich ist das eine bedrohliche Situation gewesen. Meine Frau hat gesagt: Lass uns sofort das Rheinbad verlassen, weil, gleich geht es hier los."
"Es wird auch gesagt: Ich töte dich"
Es ist die Wortmeldung, die Diskussion ins Rollen bringt. Bereits vorher hat Wladimier Chetverik, Schwimmmeister im "Rheinbad", einen Einblick in seinen Alltag gegeben:
"Also, man wird auch mit Vergewaltigung bedroht, Vergewaltigung der Mutter, es wird auch solche Sachen gesagt: Ich töte Dich. Und: Ich zünde Dich auch an. Mit solchen Sachen müssen wir auch umgehen können."
Wertedialog. So heißt die Veranstaltung, die das NRW-Integrationsministerium seit März betreibt. Diskutieren mit Bürgerinnen und Bürgern. Respekt, Solidarität, Integration sind die Schlagworte.
Drei Abende gab es bisher, weitere sind geplant, doch die vermeintlichen Vorfälle, die Räumungen des Rheinbads führten nun zu einem Termin außer der Reihe, so Integrationsminister Joachim Stamp von der FDP. Seine Erkenntnis hinsichtlich der Diskussionskultur hierzulande ist, "dass man häufig bei dem einen Beitrag gleich von der einen Seite als Nazi beschimpft wird und bei dem anderen Beitrag von der anderen Seite als linksversiffter Gutmensch."
Unsicherheit und neues Auftreten in Gruppen
Was genau im "Rheinbad" passierte, ist weiterhin unklar. Diskutieren ohne Faktenbasis also. Die Tatsachen des gestrigen Abends: Trotz der bundesweiten und tagelangen Schlagzeilen sind nur gut 50 Menschen gekommen, gibt es eine Diskussion mit enormer Bandbreite. Von Medienkritik:
"Dass Menschen sich darüber aufregen, dass Jugendliche, mitten in der Pubertät, auf blöde Ideen kommen, das finde ich höchst originell. Und wenn das dazu dient, das Sommerloch in den Medien zu füllen, das ist nämlich mein Eindruck, dann entsteht genau das, was wir eigentlich alle nicht wollen, nämlich dieser negative Blick."
Über die Ansicht einer Kinderärztin mit Migrationshintergrund, die ein Kopftuch trägt:
"Natürlich begegnen uns Menschen unsicher. Aber wir sind auch unsicher. Und ich glaube, unsere Unsicherheit, weil wir anders aussehen als alle anderen in diesem Land, verursacht bei uns Unsicherheit, und unsere Unsicherheit übertragen wir auf alle anderen."
Bis zu Erfahrungen einer Schwimmlehrerin aus dem benachbarten Hilden:
"Und da war ein ganz neues Phänomen. Und zwar, dass die Jugendlichen plötzlich in Gruppen auftraten, vorher waren das immer so zwei, drei, plötzlich kamen da 20 und immer mehr. Und ein ganz großes Problem ist einfach der Respekt. Und ich muss dazu sagen, es waren nicht nur Jugendliche mit Migrationshintergrund, sondern einfach alle."
Sofort spricht man wieder über Integration und Migration
Vieles wird gesagt:
"Ich möchte positiv erwähnen, wir haben enormen Ausländeranteil von Menschen, die uns sehr viel Freude machen, die werden als Gruppe gar nicht erwähnt, das sind die Japaner. Die geben uns ein Feuerwerk, die räumen hier auf, die machen den Japan-Tag, die parken nicht mal falsch."
Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel wird für das fehlerhafte Krisenmanagement kritisiert:
"Warum denn diese Anschuldigungen? Warum kann man denn nicht mehr auf den Dialog bauen und gucken, dass man da vernünftige Lösungen findet?"
Und die Warnung des Sozialarbeiters Sammy Charchira vor einer – wie er es nennt – Live-Radikalisierung der Debatte:
"Dass wir sozusagen jegliche Zwischenfälle, wie sie auch jeden Tag in Deutschland passieren, wo migrantische Menschen, egal wo sie herkommen, involviert sind, dass wir sofort sämtliche Debatten der Integration, der Migration, des Islam, des Flüchtlings da abarbeiten müssen. Das tut unserer Gesellschaft nicht gut und sie wird unserer Gesellschaft nicht gerecht."
Am Wochenende will Wesselmann wieder schwimmen
Gut zwei Stunden dauert die Diskussion, vieles bleibt offen, doch Knut Wesselmann, der Mann mit dem weißen Polohemd, ist zufrieden, lobt "die offene Diskussion, dass jeder, der im Endeffekt etwas beitragen wollte zu dieser Situation, auch dieses beitragen konnte."
Mehr Ventil also als Reparatur – und am Wochenende will Wesselmann dann wieder schwimmen gehen. "Sobald es warm wird, ich gehe davon aus, am Samstag wieder." Eben im "Rheinbad".