Archiv

Nach Gipfeltreffen Trump-Kim
"Rächt sich, dass man nicht ordentlich vorbereitet hat"

Es sei völlig naiv von US-Präsident Donald Trump gewesen, zu glauben, dass er beim Treffen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un einfach einen Deal erzielen könne, sagte der Leiter des Südkorea-Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung im Dlf. Besonders groß sei die Enttäuschung über den Ausgang in Südkorea.

Christian Taaks im Gespräch mit Jasper Barenberg |
US-Präsident Donald Trump und der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un reichen sich die Hände und lächeln sich an.
US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un bei ihrem Treffen in Vietnam (AP/Evan Vucci)
Jasper Barenberg: Am Telefon ist Christian Taaks, er leitet das Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung in Südkorea. Schönen guten Abend nach Seoul!
Christian Taaks: Einen schönen guten Tag nach Deutschland!
Barenberg: Hallo Herr Taaks! Nach dieser Erklärung Nordkoreas nun zum Verlauf der Verhandlungen – erscheint das Scheitern des Gipfels für Sie jetzt doch noch mal in einem etwas anderen Licht?
Taaks: Es scheint für mich in einem erweiterten Licht. Es ist natürlich klar, dass Donald Trump versucht hat, schnellstmöglich und als Erster seine Sichtweise in die Welt zu bringen, und da war natürlich jetzt eine weitere Nuance hinzugekommen, die uns der nordkoreanische Außenminister gegeben hat. Ich glaube, dass beide eben tatsächlich da nicht die volle Wahrheit beziehungsweise diese Problematik nicht in der vollen Bandbreite dargestellt haben. In der Pressekonferenz sagte Donald Trump auch ganz vieldeutig: We know every inch of their country – wir kennen jeden Inch, jeden Zentimeter Ihres Landes, wohl mehr, als Sie wissen. Dann könnte er darauf angespielt haben, dass eben natürlich die Amerikaner genau wissen, dass es mehrere Produktionsanlagen für Atomtechnologie gibt. Wenn man also Nyongbyon schließt, heißt das nicht zwingend, dass wir es hier auch mit einer Beendigung des atomwaffenfähigen Materials zu tun haben. So gesehen haben wir es hier …
Barenberg: Herr Taaks, wenn ich Sie unterbreche, Entschuldigung, die Leitung ist nicht besonders toll, ich hoffe, die hält noch ein Weilchen für die Dauer unseres Gespräches. Bleiben wir doch noch einen Augenblick bei diesen Atom…
Taaks: Ich geh mal in ein anderes Zimmer rüber.
"Rächt sich einfach, dass man nicht ordentlich vorbereitet hat"
Barenberg: Bleiben wir noch einen Augenblick bei diesen Atomanlagen, über die Sie gesprochen haben. Nun liegt ja auf der Hand, und viele Beobachter sagen, dass es in Nordkorea noch weit mehr Anlagen gibt, aber wenn ich dem Außenminister Nordkoreas so zuhöre, dann klang das doch alles nach dem, was Fachleute und Beobachter oft fordern: also eine Vereinbarung Zug um Zug, Lockerung von Teilen der Wirtschaftssanktionen, im Gegenzug zu jedenfalls ersten Schritten konkreter atomarer Abrüstung. Klang das für Sie nicht wie ein tatsächlich dann sehr realistisches Angebot?
Taaks: Das klang für mich wie ein gutes Angebot, würde ich sagen, aber die Amerikaner haben ja auch gesagt, wir sind sehr, sehr weit gekommen, wir sind aber nicht so weit gekommen, dass wir tatsächlich einen Vertrag miteinander unterschreiben könnten. Da würden meiner Ansicht nach tatsächlich die gesamte Bandbreite und sämtliche Produktionsanlagen wichtig sein. Und das lag in der Art, das, was wir jetzt wissen, stand das nicht zur Debatte. Eine Darstellung, die ich vorhin gelesen habe, sagte ganz eindeutig, dass diese anderen Atomanlagen Kim Jong-un nicht zum Thema der Debatte machen wollte. Und es rächt sich jetzt einfach, dass man nicht ordentlich vorbereitet hat. Das ist das Problem, mit dem man jetzt konfrontiert ist, das sind jetzt die faulen Früchte, die man da erntet.
Barenberg: Insofern aus Ihrer Sicht durchaus richtig und klug in gewisser Weise, dass Donald Trump jetzt erst mal da den Stöpsel gezogen hat.
Taaks: Na ja, Donald Trump sagte eben – wir kennen das in Deutschland aus einem anderen Zusammenhang –, lieber gar keinen Deal als einen schlechten Deal. Und man sagte eben, wir wollen weitermachen – das ist ja die gute Nachricht –, aber wir sind jetzt noch nicht so weit gewesen. So gesehen, da ist jetzt keine Katastrophe passiert, da ist Ernüchterung passiert. Das ist, wie Frau Bodewein in ihrem Beitrag eben auch sagte, es ist eine Begegnung mit den harten Realitäten, mit den Mühlen der Ebene, die wir jetzt erlebt haben.
Barenberg: Nun hab ich gelesen, dass man vor allem in Seoul in Südkorea dringend und händeringend auf diese Erklärung von Hanoi gewartet hat, weil man nämlich gern auf der Ebene, also im bilateralen Verhältnis zwischen Südkorea und Nordkorea, weiterkommen will auf dem Weg der Entspannung, den Südkoreas Präsident ja eingeschlagen hat. Wie groß ist vor diesem Hintergrund die Enttäuschung und der Rückschlag jetzt auch für Südkorea.
Taaks: Die Enttäuschung ist natürlich sehr groß, gerade hier in Südkorea. Wir dürfen ja nicht vergessen, dass Südkorea in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres die treibende Kraft gewesen ist. Es ist der südkoreanische Präsident Moon Jae-in gewesen, der nach Pyongyang gefahren ist – reichlich Symbolpolitik wieder, reichlich tatsächlich auch Maßnahmen an der Grenze mit einem gemeinsamen Verbindungsbüro, das auch natürlich den Amerikanern und den Nordkoreanern gut stehen würde. Und da wird man sich – das sagte heute Präsident Moon Jae-in anlässlich des Unabhängigkeitstages, der hier heute gefeiert wird: Wir werden uns von diesem Weg nicht abbringen lassen. Wir sind enttäuscht, aber wir werden weiterarbeiten an Ausgleich und auch an der Möglichkeit zu wirtschaftlichem Engagement und weiterem menschlichen Austausch. Man wird sich da nicht aus der Kurve tragen lassen, und es kann sein, dass die wichtige Rolle, die Südkorea im vergangenen Jahr in der zweiten Jahreshälfte übernommen hat, jetzt noch wichtiger werden wird.
Südkoreanern wird wahrscheinlich Mittlerfunktion zukommen
Barenberg: Was wären denn dann erste Schritte, auf die wir jetzt gespannt sein dürften in den nächsten Wochen möglicherweise?
Taaks: Ich denke, als Allererstes – das hatten wir jetzt gerade in unserem Gespräch bislang noch nicht – dürfen wir jetzt mal auf die Reaktion Chinas gespannt sein. Ansonsten wird es demonstrativ – haben ja auch Südkorea und die USA verkündet –, dass es direkt nach Abbruch der Verhandlungen auch Gespräche gegeben hat zwischen Moon Jae-in und Donald Trump. Da wird wahrscheinlich zunächst einmal den Südkoreanern eine Mittlerfunktion zukommen, und es wird dann, glaube ich – ich hatte ohnehin nicht mit einem festen Fahrplan gerechnet –, aber es wird über Maßnahmen gesprochen werden. Es wird als Erstes jetzt darum gehen, tatsächlich diese Gespräche wieder in Gang zu bringen, und da kann Südkorea eine ganz wichtige Rolle einnehmen.
Barenberg: Und weil Sie China ansprechen: Wir wissen, dass China sozusagen ein wichtiger Faktor in diesem Pokerspiel ist. Wir wissen, dass China sozusagen der einzige Verbündete Nordkoreas ist, aber was eigentlich unbekannt ist oder ein Rätsel mehr oder weniger, welche Rolle China im Hintergrund spielt. Können Sie uns einen Eindruck davon vermitteln, wie China hier im Spiel war während dieser Verhandlung in Hanoi?
Taaks: Den kann ich Ihnen seriös offen gestanden nicht vermitteln. Ich würde mal lieber das Bild wählen, dass wir uns, wenn Nordkoreaner und Amerikaner miteinander am Tisch sitzen und verhandeln, müssen wir uns eigentlich virtuell immer auch China mit dazudenken. Ohne China wird da überhaupt nichts laufen. Es gab ja in der Pressekonferenz von Donald Trump ausdrückliches Lob für die Rolle, die Xi Jinping in den letzten Monaten eingenommen hat. Die Abstimmung wird, wenn alle klug sind, mit dem großen Nachbarn China beziehungsweise mit dem Land, mit dem Amerika jetzt gerade in einem doch heftigen Handelsstreit liegt, wird eine enge sein, denn ohne China wird überhaupt nichts laufen. Und über die Rolle im Einzelnen, das wäre Anmaßung, wenn ich Ihnen dazu etwas sagen wollte.
"China spielt die entscheidende Rolle bei Aufhebung der Sanktionen"
Barenberg: Aber hätten Sie eine Einschätzung dazu, ob man Donald Trump zutrauen kann, dass er sich dieser Rolle Chinas, dieser wichtigen Rolle Chinas, bewusst ist und dass er sozusagen auch an China Signale gibt, auf dem Weg zu einem weiteren Einvernehmen mit Nordkorea?
Taaks: Tja, was trauen wir denn Donald Trump zu, nach dem, was wir jetzt die letzten Tage wieder erlebt haben? Das ist schwer zu sagen, ob er überhaupt auf andere hört. Wir müssen auch überlegen und berücksichtigen, dass wir es hier mit einer Art Selbstüberschätzung zu tun hatten. Wie naiv muss man denn sein, um nach Hanoi zu fahren und zu sagen, wir machen dort einen Deal, und dann einen Tag lang noch für einen nicht vorbereiten Gipfel da noch Optimismus zu streuen – das war ja ein Gewitter an Scham –, ohne dass man tatsächlich etwas auf dem Tisch liegen hatte, was unterschriftsfähig sein könnte. Ich kann nur die Hoffnung äußern, und wenn der Präsident meinen Rat bräuchte – aber er braucht ja nur sehr wenig Rat von außen für seine Politik –, dann würde ich ihm sagen: Ja, stimmt euch ab, China spielt die entscheidende Rolle, zum Beispiel im Übrigen auch, wenn es um die Aufhebung der Sanktionen geht. Das Ganze hat ja tatsächlich erst an Fahrt gewonnen, als China tatsächlich begann zu verhindern, dass über seine Grenzen von diesen Gütern, die nach Nordkorea kommen – das sind 93 Prozent, die über China nach Nordkorea reinkommen –, tatsächlich kaum mehr oder sehr viel weniger durchkam. Die Schlüsselrolle bleibt.
Barenberg: Die Einschätzungen von Christian Taaks. Er leitet das Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul. Vielen Dank für die Zeit und das Gespräch!
Taaks: Sehr gerne, danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.