Eigentlich hat Reinhard Grindel in Sachen Kommunikation das Zeug dafür, ein Intensivtäter zu sein – präzise, souverän und offen. Vor seiner Zeit als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes war er immerhin erst Reporter beim ZDF, also ein Fernsehprofi, und dann – für die CDU – Mitglied des Bundestags, also ein Politikprofi. Als Grindel noch Schatzmeister des DFB war, kurz vor seiner Wahl an die Verbandsspitze vor bald drei Jahren, versprach er noch:
"Ich glaube, wir brauchen in Zukunft noch mehr Transparenz auf allen Ebenen im DFB. Das ist der richtige Weg."
Florian Bauer hat ihn auf diesem Weg über Jahre begleitet, mit Interviews für die ARD. Nun – im Gespräch für die Deutsche Welle vor dem FIFA-Council in Miami – lief es anders:
Das angebliche 25-Milliarden-Angebot an die Fifa – Grindel bricht das Gespräch sofort ab – nachdem Bauer zuvor allgemein zur geplanten Klub-WM immer wieder auf klare Antworten gepocht hatte. Souveränität? Transparenz? Das geht anders. Der Interviewer erklärt sich das so:
"Ich weiß nicht, warum er an dem Tag schlecht gelaunt war, aber er kam offenbar mit einer gewissen Laune rein. Und offenbar hat ihn dann dieses Nachstochern und dieses Nachhaken von mir nicht gefallen. Und ich glaube tatsächlich, dass er relativ unüberlegt aus der Situation einfach gehandelt hat und überhaupt nicht im Blick hatte, was diese Situation am Ende auslöst."
Keine ausführlichen Interviews
Die Schlagzeilen waren jedenfalls groß – von "DFB-Chef rastet aus" bis "DFB-Boss sorgt für Eklat". Viel wichtiger, sagt Bauer, sei aber die Frage nach der Verantwortung des höchsten Fußballfunktionärs des Landes. Der sei ebenso wie seine internationalen Kollegen in der Pflicht, zu erklären, was im Milliarden-Business "Fußball" passiere.
"Und das tun sie eben durch Interviews. Und insofern glaube ich schon, dass auch dieses Interview zu Ende geführt hätte müssen."
Der Deutschlandfunk hat den DFB gefragt, ob er zu dem Abbruch etwas zu sagen hat. Die Sprecher schweigen allerdings – das tun sie bei der Sportredaktion des Deutschlandfunks sowieso oft. Ihr Präsident, Grindel, weigert sich seit jeher, sich einem ausführlichen Interview zu stellen. Das hat offensichtlich System: Die Kollegen des einzigen dezidierten Sport-Hintergrund-Magazins im Fernsehen, "Sport Inside" im WDR, melden:
"Sport Inside fragt regelmäßig Interviews vor der Kamera bei DFB und DFL an. In der Regel werden diese Interviewanfragen abgelehnt und anschließend nur konkrete schriftliche Fragen beantwortet beziehungsweise auf vorhandene allgemeine Statements zu dem jeweiligen Thema verwiesen."
Videokeller-Berichterstattung nur mit "Vetorecht"
Stattdessen taucht der DFB-Präsident dort auf, wo die Redezeit zu Hintergründen eher knapp ist oder es ohnehin "menschelt" – in den aktuellen Sportsendungen – "Sportschau", "Sportstudio", den "Sportclubs". Dass der organisierte Fußball kritische Themen auch dort kontrollieren will, zeigt ein anderer, neuer Vorgang: Es geht um den umstrittensten Keller der Republik – den Videokeller in Köln, der die Schiedsrichter auf dem Platz mit Ferndiagnosen unterstützt. Das interessierte unter anderem auch den ARD-Hörfunk:
"Besonders viel weiß man darüber nicht oder wusste, weil jetzt durften sich erstmals Journalisten das Ganze richtig anschauen."
Wichtig in diesem Zusammenhang ist der Funkverkehr zwischen dem Keller und dem eigentlichen Schiedsrichter auf dem Platz. Hier hieß es aber im Vorfeld von einem DFB-Sprecher: Keine Auswahl von Wunsch-Szenen, sondern nur "Schlüsselszenen". Und dennoch zusätzlich:
"Voraussetzungen sind […], dass wir bei der Abnahme des Hörfunkstücks als Ganzes dabei sind, abschließend unsere finale Freigabe geben können und auch Vetorechte einlegen können."
Der Deutschlandfunk lehnte ab. Andere spielten mit: die "Bild"-Zeitung* bestätigte dies, Sky schweigt, hatte aber ebenfalls "Schlüsselszenen". Und auch der WDR-Hörfunk:
"Wahnsinn, was Strafraumszenen, ey, Wahnsinn!"
"Komm weiter, alles gut!"
"Schiedsrichter Dinger befindet sich in einer Art Dauergespräch mit seinen Assistenten auf dem Platz…"
DFB: "Wir geben einen transparenten Einblick"
Die Freigabe erfolgte, nachdem sich der Deutschlandfunk für das Prozedere interessiert hatte – dann ohne Einschränkungen. Der DFB rechtfertigt sich auf Anfrage: Man biete einen "transparenten Einblick". Der Abnahmeprozess sei nötig, um die Spielleitung nicht zu irritieren:
"Die Schiedsrichter müssen sich in diesem Umfeld hundertprozentig auf ihre Aufgabe fokussieren können, ohne dabei im Hinterkopf haben zu müssen, ob beispielsweise einzelne Aussagen in der Funkkommunikation als Gegenstand einer anschließenden medialen Berichterstattung geeignet sind."
Manch eine Redaktion zeigt Verständnis und lässt sich – mit einem "Vetorecht" des DFB – kontrollieren. Für andere geht das zu weit, auch im WDR: Die Fernsehredaktionen haben sich, wie es offiziell heißt, "unter den vorgegebenen Bedingungen gegen eine Berichterstattung aus den Arbeitsräumen der Videoassistenten entschieden". Auch die Redaktion von sportschau.de entschied sich unter den vom DFB geforderten Voraussetzungen zunächst gegen eine Berichterstattung. Erst als der DFB einlenkte und auf eine Abnahme verzichtete, wurde online über den Videokeller berichtet.
Das Verhältnis von DFB und Medien ist spannungsreich, beim Blick hinter den Kulissen und bei Fragen zu Hintergründen – spätestens nach dem Interviewabbruch jetzt auch das von Präsident Reinhard Grindel und Interviewer Florian Bauer. Das sei nun passiert, sagt Bauer. Aber:
"Natürlich erwarte ich, dass wenn ich die nächste Presseanfrage stelle an den DFB, er dann auch bereit ist für ein Interview und nicht diese Situation nutzt, um in Zukunft nicht mehr mit mir zu kommunizieren."
*Ein Sprecher von "Bild" legt Wert auf die Feststellung, dass es bei der Berichterstattung "über den Funkverkehr des Videoschiedsrichters aus dem Videokeller zum Videobeweis keine Einschränkungen" gegeben habe. Es seien "ausschließlich Zitate des Schiedsrichters zu Spielern außerhalb des Videobeweises dem DFB zur Autorisierung vorgelegt" worden.