Im Nachkriegsdeutschland gab es heftige Kontroversen über den moralischen Rang und die historische Bedeutung des Attentatsversuchs.
An diese Debatten erinnert auch der Essay von Peter Steinbach unter dem Titel "Nach Hitler kommen wir".
(Der Autor lehrt Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Mannheim. Er ist seit 1983 wissenschaftlicher Leiter der ständigen Ausstellung "Widerstand gegen den Nationalsozialismus" in Berlin.)
Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus ist heute nicht mehr umstritten und zu einem festen Bestandteil der kollektiven Erinnerung der Deutschen geworden. Alljährlich findet im Berliner Bendlerblock und in der Hinrichtungsstätte Plötzensee eine öffentliche Würdigung statt, die - wie alle Erinnerungsrituale - stets gleich verläuft: Empfänge, Ansprachen, Totenehrung, Nationalhymne, Totenehrung mit Gedenkworten und Gedenkrede, Trompetensolo "Ich hatt’ einen Kameraden", Ehrenformation der Bundeswehr mit Kranzniederlegungen in Anwesenheit der Angehörigen und Nachfahren.
In historischen Ausstellungen zur Geschichte der Bundesrepublik findet der Zuschauer Hinweise auf den Widerstand, der zur bundesdeutschen Vorgeschichte geworden ist. In Gedenkreden werden Traditionen des Widerstands beschworen. Dabei wird die Überzeugung ausgedrückt, die Werte und Ziele der Regimegegner hätten ihren endgültigen Niederschlag im Grundgesetz gefunden. Redner berufen sich auf das Ansehen, das der deutsche Widerstand im Ausland genießt.
Kaum vorstellbar ist, dass das kulturelle und politische Klima in der Nachkriegszeit durch heftige Auseinandersetzungen über den Widerstand geprägt wurde. Dabei ist nicht an Stammtischdiskussionen zu denken. Dort tat man sich immer schwer mit Regimegegnern. Sondern gestritten wurde über die Ziele eines Widerstands, der Kommunisten, Sozialdemokraten und Christen ebenso wie Konservative, der Angehörige der Eliten, Adelige und "kleine Leute", wie man sagte, zu Gegnern des Regimes gemacht hatte. Sie verband der Wunsch, Hitler und seine Herrschaft zu beseitigen.
Schon bald nach dem Ende des NS-Staates begannen die Auseinandersetzungen um den Widerstand, um seine Ziele und Leistungen, seine Defizite und Grenzen. Bis in die 90er-Jahre hinein gehörte dieser oftmals sehr vehement ausgetragene Streit um den "Besitz" an der Geschichte des Widerstands zur historisch-politischen Identitätsdiskussion der Deutschen. Jahrzehnte stritten sie hüben wie drüben, zwischen den Generationen, Parteien und Konfessionen um "schwarze und weiße Stränge", um demokratische Traditionen, um "Tradition und Erbe", schließlich sogar um den Stellenwert von "Auschwitz", um Schuld, Versagen und Verantwortung.
Politiker forderten schon in den 60er-Jahren unter Hinweis auf den Widerstand, Deutschland solle selbstbewusst aus dem Schatten von Auschwitz heraustreten. Gerne wurde damals in Gedenkreden zum Widerstand ein angebliches Churchill-Wort aus dem Jahre 1946 zitiert, das im britischen Unterhaus gesagt worden sein soll:
"Der Widerstand gehört zum Edelsten und Größten, was in der Geschichte aller Völker je hervorgebracht wurde. Ihre Taten und Opfer sind das unzerstörbare Fundament eines neuen Aufbaus."
Verifiziert werden konnte dieses Zitat bis heute nicht. Es entfaltete auch so Wirkung. Denn Geschichte ist immer das Bild, das sich Menschen von der Vergangenheit im Kopfe machen. Wie aber, so ist zu fragen, gelangen Geschichtsbilder in die Köpfe der Deutschen?
Offenbar ließ sich der deutsche Widerstand schon bald nach Kriegsende gut nutzen, um den Anspruch der Deutschen auf die Rückkehr in den Kreis der zivilisierten Nationen zu begründen. Vorbehalte in den Staaten, die unter deutscher Besatzungsherrschaft gelitten hatten, sprachen ebenso dagegen wie die Neigung der Deutschen, sich selbst als Kriegsopfer zu sehen. Kriegsschäden waren zu beseitigen, Verluste zu betrauern, aber nicht Wiedergutmachung zu leisten.
Diese Verpflichtung war in der deutschen Gesellschaft immer umstritten. Politiker, die damals noch nicht demoskopisch gesteuert waren, setzten durch, was sie für richtig hielten. Mit der weitgehenden Souveränität, die die Bundesrepublik mit dem Deutschlandvertrag erlangte, war die Voraussetzung für die Wiederbewaffnung geschaffen. Ihren Anspruch auf die Rückkehr in das europäische Staatengefüge begründeten die Deutschen moralisch.
Deshalb wurde der Widerstand wichtig. Niemals aber war er bis weit in die 60er-Jahre Teil eines historisch gewachsenen Grundkonsenses geworden, der sich auf die Résistance, wie in Frankreich, oder auf die Resistenza, wie in Italien, stützte. Symbolfigur des deutschen Widerstands wurde im Westen Deutschlands Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der im Herbst 1943 zur treibenden Kraft des Umsturzversuches geworden waren. Bis dahin waren viele Attentate gescheitert.
Sieht man von dem Anschlag des Schreiners Johann Georg Elser ab, war kein Attentäter dem Ziel nahegekommen, Hitler zu töten. Elsers Tat aber wurde bis weit in die 60er-Jahre nicht anerkannt – er galt manchen sogar als Werkzeug der SS, als agent provocateur. Stattdessen las man von vielen gescheiterten Versuchen, Hitler auszuschalten. Eine Bombe, die ihn während eines Fluges töten sollte, explodierte nicht. Der Versuch, im Berliner Zeughaus wenig später ein Bombenattentat zu verüben, musste angeblich im letzten Moment abgebrochen werden.
Überliefert sind diese Anschläge in der Regel durch Erinnerungen, die nicht immer zuverlässig sind. Historiker zählten insgesamt über vierzig gescheiterte Anschläge - Stoff für viele Geschichten, die nicht nur ausgemalt, sondern auch mit den Mitteln des Filmes dramatisiert wurden. Fiktionen prägten nicht selten das Bild von der realen Vergangenheit. Im Zentrum standen dabei das Attentat in der Wolfsschanze und die Operation "Walküre", weniger die Frage nach den hohen Offizieren, die sich einer Unterstützung des Umsturzes verweigerten.
Der Höhepunkt von Stauffenbergs Ansehen schien erreicht, als Tom Cruise im Hollywoodfilm "Operation Walküre" die Stauffenberg-Rolle übernommen hatte. Damals sah Florian Henkel von Donnersmarck, Oscar-Preisträger, eine besondere Auszeichnung des deutschen Widerstands darin, dass Tom Cruise dem Attentäter sein Gesicht "leihe". Öffentliche Kritik an dem Wunsch, die Hinrichtung Stauffenbergs am Ort seines Todes nachzustellen, sollte rechtfertigen, einen "Bambi" für Zivilcourage an den bekennenden Scientologen Tom Cruise zu verleihen.
So scheint es, als sei der Widerstand heute weitgehend den Kontroversen um die deutsche Geschichte enthoben. Selbst Rechtsradikale und Rechtsextremisten distanzieren sich nicht mehr von Stauffenberg. Für die stramm rechte Wochenzeitung "Junge Freiheit" gilt er als Repräsentant eines "heiligen Deutschland", als Vertreter einer erneuerten Nation, eines Widerstands, dem sich die deutsche Rechte selbst verpflichtet fühlen soll. Wohl kein Satz wird in den rechtsextremistischen Reflexionen über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus so häufig zitiert wie Stauffenbergs letztes Wort:
"Es lebe das heilige Deutschland."
In der Tat hat sich in den Jahrzehnten öffentlichen Erinnerns an den Umsturzversuch des 20. Juli 1944 eine weitgehende Übereinstimmung herausgestellt. Die Regimegegner dieses Tages gelten als Persönlichkeiten, deren wesentliches und "entscheidendes Ziel" vor allem "die besondere Stellung der Grundrechte, des freiheitlichen Rechtsstaats, des Föderalismus und der Idee des europäischen Zusammenschlusses" gewesen sein soll. Deshalb ist nicht überraschend, von Politikern zu hören: "Stauffenberg ist unser!" Ihre Berufung auf den Widerstand soll belegen, dass Widerstandskämpfer "unserer Verfassung, unserem Grundgesetz Pate gestanden" hätten.
Ebenso wie die Bundesrepublik Deutschland, deren Vertreter in den offiziellen Ansprachen verkündigten, die "Männer und Frauen" des 20. Juli 1944 hätten dafür "Sorge getragen, dass wir die Lektion der Geschichte in unserem Grundgesetz und beim Aufbau unseres freiheitlichen Staates an- und aufgenommen" hätten, beanspruchte allerdings auch die DDR-Führung, Vollstrecker des Vermächtnisses antifaschistischer Widerstandskämpfer zu sein. Deshalb hatte es der kommunistische Widerstand über Jahrzehnte im Westen sehr schwer, anerkannt und gewürdigt zu werden. Schmerzlich erfuhr dies Herbert Wehner, als der damalige Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg Filbinger sich dagegen aussprach, den vormaligen KPD-Funktionär im Ehrenhof des Bendlerblocks zum 20. Juli sprechen zu lassen.
Auf eine jeweils eigene, über Jahrzehnte hinweg nicht zu überbrückende Weise konstruierten sich beide deutschen Staaten ihre Tradition des Widerstands. Dabei knüpften sie nicht nur an Traditionen an, die sie für wünschenswert hielten. Sie diskreditierten jeweils den Traditionsstrang des anderen deutschen Staates.
Galt der DDR der Widerstand als kommunistisch inspiriert und geführt, so vernachlässigten die Gedenkredner der Bundesrepublik bewusst den Widerstand aus der kommunistischen Arbeiterbewegung.
Sie betonten stattdessen den christlichen, vor allem aber den bürgerlichen oder militärischen Widerstand. Dieser Streit spiegelte sich auch in der konfessionell gespaltenen Widerstandsgeschichte. Kritisierten die einen das Reichskonkordat, so verwiesen die anderen auf die Deutschen Christen. Hoben die einen Alfred Delp, so die anderen Dietrich Bonhoeffer, Bekennende Kirche und Pfarrernotbund hervor. Die Erinnerung an den Widerstand wurde parzelliert, und auch die Parteien konzentrierten sich auf ihre eigene Vorgeschichte.
Erst in den 70er-Jahren setzte eine langsame Überschneidung der bis dahin weitgehend säuberlich geschiedenen Widerstandsbereiche ein - die Besitzfrage schien sich seit den 80er-Jahren in eine gesamtdeutsche Dimension zu weiten, welche die bis dahin geübte moralische Diskriminierung von Traditionen obsolet machte, die manchen Nachlebenden aus ganz persönlichen, politischen oder konfessionellen Gründen fremd geblieben waren. Die Konfrontation mit dem NS-Staat und seinen Verbrechen, die in den 60er-Jahren durch bedeutende NS-Prozesse unausweichlich geworden war, machte endgültig klar, dass sich der Widerstand, welcher Richtung auch immer, gegen einen verbrecherischen Staat gerichtet hatte. Hoch- oder gar Landesverrat war dem Widerstand deshalb nicht mehr vorzuwerfen.
Bis weit in die 60er-Jahre hinein hatten viele Mitläufer und Angepasste die "dunklen Hitlerjahre", wie sie sagten, auf ihre Weise deuten können und dabei den Widerstand in Zwielicht gerückt. Die Zeitgenossen, die sich nicht widersetzt hatten, betonten die Bedeutung der Eidbindung und fanden es nicht verwerflich, einen Begriff wie "Eidtreue" zu verwenden. Hinweise auf die Härten von Kriegsgefangenschaft und Zwangsarbeit, auf Misshandlungen und Vergewaltigungen sollten dazu dienen, noch einmal im Nachhinein die Furcht vor dem Bolschewismus zu belegen, um das Durchhalten der Soldaten und der Zivilbevölkerung bis zum Kriegsende zu erklären. Manche warfen dem Widerstand deshalb vor, die Abwehrkräfte der Wehrmacht geschwächt zu haben.
Das Handeln der Widerstandskämpfer wurde erst zu einem Zeitpunkt in ein günstigeres Licht gerückt, als sich die seit den 50er-Jahren andeutende Zusammenarbeit mit den ehemaligen westlichen Gegnern als Fundierung künftiger Waffenbrüderschaft anbot. Die Absicht des Widerstandes sei es gewesen, nach einem Waffenstillstand im Westen den Kampf an der Seite der Amerikaner und Briten gegen die Rote Armee fortzusetzen.
Diese Behauptung verstärkte noch einmal die Verehrung des sogenannten "Wüstenfuchses" Generalfeldmarschall Erwin Rommel, der angeblich, wie sein engster Mitarbeit Speidel behauptet hatte, vergeblich für einen Waffenstillstand im Westen, für die "Westlösung", eingetreten war. Deshalb hätte er den Umsturzversuch bejaht und aktiv unterstützt, wenn er nicht unmittelbar vor dem Anschlag Opfer eines Fliegerangriffs geworden wäre. So sollte bewiesen werden, dass Widerstand gegen den NS-Staat nicht nur als Auflehnung gegen das Unrecht, sondern als erster Schritt in das westliche Bündnis, in die europäische Gemeinschaft und sogar als Beitrag zur Verteidigung des Abendlandes interpretiert werden konnte.
Viele ehemalige Wehrmachtsangehörige und Diplomaten, die bis dahin als Abwehrleute, als Diplomaten oder Militärs dem Regime die Frist verlängert hatten, zeichneten in ihren frühen Nachkriegserinnerungen nun konsequent ein positives Bild vom Widerstand, das ihre eigene Bedeutung unterstrich und Chancen auf berufliche Wiederverwendung in der Bundesrepublik eröffnen sollte. Mit diesen Erinnerungen wurde der Boden für eine Neudeutung vorbereitet, die in den 50er-Jahren einsetzte, sich allerdings nicht selten gerade vorherrschenden politischen Stimmungen auslieferte.
Vielfach orientierte man sich an parteipolitischen Kriterien. So wurde das politische Exil zunächst nicht gewürdigt. Vor allem die SPD hatte viele Emigranten in ihren Reihen: Ollenhauer, Erler, Brandt und Wehner wurden in der Öffentlichkeit immer wieder kritisiert und sogar als Verräter tituliert. Was, so wurde im Wahlkampf 1965 Willy Brandt von einem seiner Gegner gefragt, haben sie im Ausland gemacht? Selbstsicher und moralisch erschreckend indifferent schloss sich die mit Beifall bedachte Feststellung an: "Was wir gemacht haben, wissen wir." Wenige Jahre später konnte ein führender Journalist titeln: "Ich war dabei" – nicht: Ich war dagegen.
Der verbrecherische Charakter des Nationalsozialismus war in den vierziger und 50er-Jahren noch längst nicht von allen Deutschen anerkannt worden. Man hielt die Exzesse der deutschen Kriegsführung für kriegsbedingt und verglich sie mit den "Verbrechen der anderen". Das änderte sich erst, als nationalsozialistische Gewaltverbrechen - der Völkermord an Juden, die Verbrechen an Behinderten, der Völkermord an den Sinti und Roma – kaum mehr als "Kriegsverbrechen", sondern als NS-Verbrechen bezeichnet wurden.
Das Ganze Ausmaß der NS-Verbrechen war nicht selten selbst von denen bestritten worden, die sich dem Widerstand zurechneten. Der Widerstand schien geeignet, die Last der Verbrechen, der Schuld, der Verantwortungslosigkeit zu verringern. Das erklärt die Bedeutung des Tresckow-Worts von den zehn Gerechten, das in der Überlieferung seines Kameraden Fabian von Schlabrendorff lautet:
"Wenn einst Gott Abraham verheißen hat, er werde Sodom nicht verderben, wenn auch nur zehn Gerechte darin seien, so hoffe ich, dass Gott auch Deutschland um unseretwillen nicht vernichten wird."
Dies als Vermächtnis des Widerstands gedeutete Wort ist so wichtig wie die Überlieferung der düsteren Vision Stauffenbergs, das nach dem Scheitern des Anschlags alle Welt über sie herfallen und sie als Verräter ächten würde. "Zehn Gerechte"? Die Zahl der Regimegegner aus dem Bürgertum, aus Verwaltung und Wehrmacht war nicht so groß wie die der kommunistischen, sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Mitglieder – aber mit diesem Satz Tresckows ließ sich die kleine Zahl moralisch ganz anders gewichten.
"Der sittliche Wert eines Menschen beginnt erst dort, wo er bereit ist, für seine Überzeugung sein Leben hinzugeben."
Dieser hohe Ton der moralischen Rechtfertigung irritierte viele Zeitgenossen, auch, weil der Braunschweiger Generalstaatsanwalt Fritz Bauer in den frühen 50er-Jahren Ernst Remer vor Gericht hatte stellen lassen. Remer, der sich am 20.Juli auf die Seite Hitlers geschlagen hatte, bedrohte Angehörige von Widerstandskämpfern: Er werde sie wegen des Verrats ihrer Angehörigen zur Verantwortung ziehen. Bauer führte einen " politischen Prozess", wie er sagte, um den Widerstand zu rechtfertigen.
Nun stand Widerstand gegen NS-Verbrechen. Weil die Beweise dieser Verbrechen zunehmend erdrückender wurden, blieb den Nachlebenden nur eine Ausflucht: Sie bestritten die Kenntnis der Verbrechen, betonten die Kriegsverbrechen der anderen Seite. Von diesem Denken blieben nicht einmal überlebende Regimegegner verschont, die in ihren frühen Erinnerungen gerne, wie Schlabrendorff, die "Faszination" thematisierten, die von den Nationalsozialisten wegen ihrer Kritik an der Weimarer Republik ausgegangen war, bis hin zur Beschwörung der "Volksgemeinschaft", die sich mit dem auch in Widerstandskreisen vielfach verbreiteten Antiparteienaffekt paarte.
Die Unterwerfung der deutschen Gesellschaft unter den Nationalsozialismus und die so problemlose Errichtung einer Diktatur hatten Zeitgenossen mit der Ablehnung des Versailler Vertrags und seines Kriegsschuldparagrafen, den Reparationen, mit Arbeitslosigkeit und nicht zuletzt bürgerkriegsähnlichen Wirren erklärt, die das "Wahlkampfinferno" des Jahres 1932 flankiert hatten.
Viele Widerstandskämpfer haben diese kritische Sicht geteilt. Deshalb wiesen sie bis auf wenige Ausnahmen die heftige Kritik an der Weimarer Republik nicht zurück. Die Demokratie hatte keine wirksamen Abwehrkräfte mobilisiert. Vielleicht erklären die Kritik am Weimarer System und das Versagen der Abwehrkräfte, weshalb für die Regimegegner, gleich, ob im Exil oder an der inneren Front, die Rückkehr zum Weimarer System kein Ziel war.
Auch andere Vorurteile, die sich auf die Ablehnung der westlichen Demokratie mit Parlamentarismus und Gewaltenteilung, Pluralismus und Parteienvielfalt beriefen, prägten Weltsicht und politisches Selbstverständnis des Widerstandes. Nicht einmal Antisemitismus und Antibolschewismus waren vielen Regimegegnern fremd. Sie diskutierten auf eine Weise über die Lösung der Judenfrage, die bis heute erschrecken kann.
Auch die Beteiligung bedeutender Regimegegner am Überfall auf die Sowjetunion belegte den Einfluss antibolschewistischer Denkmuster, übrigens bis weit in die katholische Kirche hinein. In den 1980er-Jahren hatte der Historiker Ernst Nolte den Erfolg des Nationalsozialismus als Reaktion auf eine angebliche "Asiatische Tat" erklären wollen, die einzelne NS-Funktionäre während der russischen Oktoberrevolution und des daraus folgenden Bürgerkriegs zwischen "Weiß und Rot" gesehen hätten.
Der Nationalsozialismus wurde zunächst auch von "nationalkonservativen" Regimegegnern als Abwehr kommunistischen Machtstrebens gedeutet. Diese Interpretation fügte sich bald gut in das westdeutsche Weltbild der 50er-Jahre ein.
Kaum ein Erinnerungsbuch macht diese so deutlich wie Fabian von Schlabrendorffs zeitgeschichtlicher Bestseller "Offiziere gegen Hitler". Erstmals 1946 niedergeschrieben, veränderte sich der Text in späteren Auflagen. Die frühen, durchaus positiven Würdigungen des kommunistischen Widerstands wurden nun gestrichen, die Widerstandsgruppe um Arvid Harnack und Harro Schulze-Boysen, von der Gestapo "Rote Kapelle" genannt, moralisch diskreditiert. Stattdessen wurde der Reichskriminaldirektor und SS-Gruppenführer Artur Nebe moralisch rehabilitiert. Heute wissen wir, dass unter Nebes Verantwortung mehr als vierzigtausend Menschen durch eine von ihm geführte Einsatzgruppe hingemordet worden waren. Schlabrendorff sah das anders:
"So stellten wir bald eine gute Zusammenarbeit mit Nebe her, der es auf der einen Seite wirklich meisterhaft verstand, seine wahre Gesinnung zu verbergen, und auf der anderen Seite tausend Vorwände erfand, um die Mordbefehle Hitlers in einem geradezu unwahrscheinlichen Umfange zu sabotieren. Es gelang, viele Russen vor dem beinahe sicheren Tod zu retten. Die russische Bevölkerung [ ... ] konnte sich uns gegenüber in persönlichen Dankesbezeigungen nicht genug tun. Sie wusste, wie viele russische Menschenleben wir erhalten hatten."
Während Nebe auf diese Weise rehabilitiert wurde, erfuhr die Widerstandsgruppe um Harnack und Schulze-Boysen eine moralische Diskreditierung. Ihr Ziel sei "der Sturz des Hitler-Regimes und die Errichtung eines kommunistischen Staates nach sowjetischem Muster" gewesen.
"Der eingeschlagene Weg führte über die Niederlage Deutschlands. Die angewandten Mittel waren, strafrechtlich gesehen, hoch- und landesverräterischer Art. Der primäre und entscheidende Teil der Betätigung der ‘Roten Kapelle’ bestand aber im unmittelbaren Nachrichtendienst für die Sowjet-Union [ ... ]"
Nur allmählich zeichnete sich seit den 60er-Jahren ein Wandel dieser Beurteilung ab. Heinrich Lübke erwähnte 1964 erstmals in einer Gedenkrede den kommunistischen Widerstand und erregte damit Widerspruch. Gustav Heinemann lenkte 1969 sogar den Blick auf Fiete Schulze, einen kommunistischen Widerstandskämpfer, der sogar einem Handelsschiff der DDR den Namen gegeben hatte. Dies entsprach dem inzwischen gewandelten Zeitgeist.
Ein tieferer Umbruch der Deutung des Widerstands trat aber erst 1985 ein, als Bundespräsident Richard von Weizsäcker offen von der "Befreiung" Deutschlands von nationalsozialistischer Herrschaft sprach. Er löste eine geschichtspolitische Kontroverse aus, während andere an den Beginn der Teilung, der Errichtung einer zweiten deutschen Diktatur, an Flucht und Vertreibung erinnern wollten, hatte Weizsäcker sich deutlich zum Widerstand bekannt.
Dem gegenüber galten die Regimegegner aus dem Bürgertum, der Verwaltung und dem Militär in der deutschen Öffentlichkeit der 60er-Jahre vielfach als rückwärtsgewandt, demokratiefeindlich, antiparlamentarisch und sogar als nationalistisch. Ob man, so wurde gefragt, sich wirklich einen Erfolg des Anschlags wünschen sollte? Die Verwirklichung der Neuordnungspläne Goerdelers und Stauffenbergs hätten ein ständisch geprägtes, vom Adel beherrschtes, rückwärtsgewandtes und nicht zuletzt auch ein von der führenden Rolle Deutschland in Mitteleuropa ausgehendes Reich geschaffen, das nicht entfernt im Einklang mit den Werten des Grundgesetzes gestanden hätte.
Diese Kontroversen zeigen, dass der Widerstand entgegen den öffentlichen Bekundungen auf den alljährlichen Gedenkveranstaltungen keineswegs in der Weise das Geschichtsbild der Deutschen geprägt hatte. Kritik am Widerstand des 20. Juli machte sich breit. Einwände von Publizisten und Historikern richteten sich gegen das allzu harmonisierende Bild, das Politiker und Angehörige vom Widerstand gezeichnet hatten. Man betonte die zeitspezifischen Vorstellungen der Regimegegner aus dem Bürgertum, in Verwaltung, Militär und in den Kirchen und war sich sicher, dass sie dem Ideal des liberalen, westlichen Verfassungsstaates nicht entsprachen.
Die Kritiker lenkten den Blick nicht allein auf vorkonstitutionelle Vorstellungen von Demokratie und Parlamentarismus, sondern hoben die schwachen Protesten gegen die Verfolgung und Entrechtung der Juden hervor. Selbst antisemitische Exzesse, die sie beobachteten, führten nur selten zu deutlichem Protest. Die Hinnahme des Todes von drei Millionen sowjetischer Kriegsgefangener war kein zentrales Motiv zum Handeln. Die Mordaktionen der Einsatzgruppen führten zwar zu vereinzelten Protesten, niemals aber zu der moralischen Empörung, wie sie der Münsteraner Bischof Clemens von Galen nach den Massakern an Kranken formuliert hatte. Die Thematisierung der NS-Verbrechen durch Peter Weiss und Rolf Hochhuth erregten die Öffentlichkeit und verstärkten das Zwielicht, in das der Widerstand gerückt wurde.
Man urteilte und verurteilte, fragte nicht nach Einwänden, übersah viele Ansätze einer radikalen Umkehr, die ein erfolgreiches Attentat bedeutet hätte. "Wiederherstellung der Majestät des Rechts" war ein zentrales Ziel, ebenso die Bestrafung der Rechtsschänder, und zum Kreis der Attentäter gehörten sozialdemokratische Politiker wie Julius Leber, Gewerkschafter wie Wilhelm Leuschner – den Widerstand auf Honoratioren zu beschränken, wie es die Kritiker taten, das war mit Sicherheit zu kurz gegriffen.
Ein Gutes hatte diese Auseinandersetzung: In den kritische Diskussionen über Anpassung, Gleichgültigkeit, Schuld und Verantwortung zeigte sich, dass es Handlungsspielräume gab, die eine Alternative zu Anpassung, Gehorsam, zum Funktionieren als Rädchen im nationalsozialistischen Herrschafts- und Unterdrückungssystem verkörperten.
Es war ein ebenso langer wie schwieriger Prozess geschichtspolitischer Auseinandersetzung, bis die deutsche Nachkriegsgesellschaft den Widerstand als moralisch und ethisch geboten anerkannte und ehrte. Diese Entwicklung hatte zwar unmittelbar nach Kriegsende begonnen; sie setzte aber die Bereitschaft voraus, sich ganz persönlich mit den NS-Verbrechen zu konfrontieren, sich Entscheidungsmöglichkeiten, Handlungsspielräume vor Augen zu führen.
Die Beweise waren erdrückend. Zu den Nürnberger Dokumenten hatten bereits bruchstückhaft überlieferte Protokolle der Verhandlungen vor dem Volksgerichtshofe gegen Regimegegner aus dem Umkreis des 20. Juli 1944 gehört. Hier war zu lesen, dass einer der angeklagten Regimegegner Roland Freisler mit den "vielen Morden" konfrontierte und sich auch durch dessen hysterischen Ausbruch nicht erschüttern ließ.
Freunde der Regimegegner, unter ihnen Marion Gräfin Dönhoff, instrumentalisierten den Widerstand allerdings oftmals für ihre politischen Überzeugungen. Dönhoff sah im Widerstand das letzte Zeichen ihres "wahren Preußen", eines Staates, der von den Alliierten zerschlagen worden war, ein idealisiertes Preußen mit den Regimegegnern als idealen Repräsentanten.
Diese Instrumentalisierung des Widerstands durchzog seitdem die Deutung der Regimegegnerschaft. Immer wurde unter Hinweis auf "den Widerstand" herausgestellt, was politisch gewünscht und kulturkritisch beklagt wurde. Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus geriet zu einem ganz anderen Modell der Nachkriegszeit und zugleich zum Erinnerungsort, zum Mythos, aus dem sich auch kollektive und individuelle Ansprüche ableiten ließen.
Zunächst aber musste die Erinnerung nicht nur den Deutschen, sondern auch den Alliierten abgetrotzt werden. Weil sie mit Ausnahme der Sowjetischen Militäradministration kein Interesse daran hatten, dass zu viel über diesen Widerstand bekannt wurde, mussten die ersten Publikationen zum Widerstand in der Schweiz erscheinen. Diese Haltung der Alliierten war verständlich, weil der Widerstand die deutsche Nation rehabilitieren sollte. Einige "Gerechte" im Sinne Tresckows – oder Schlabrendorffs - konnte der deutsche Widerstand gewiss aufbieten.
Aber wer diese in die Waagschale von nationaler Schuld und individueller Verantwortung werfen sollte, spürte rasch, dass die Weltöffentlichkeit nicht das Gottesgericht war. In Deutschland tat man sich schwer damit, zu verstehen, dass im Vergleich zu der unvorstellbaren Zahl von vielen Millionen Opfern die kleine Zahl der Regimegegner mehr die Verbrechen in das Weltbewusstsein eingebrannt waren als der Wunsch, mit dem Widerstand die Wiederherstellung der Ehre und Würde der deutschen Nation zu befördern.
Die Bedeutung des kommunistischen Widerstandes wurde im Westen Deutschland schließlich fast ganz geleugnet. Den Teufel Hitler hätten die deutschen Kommunisten mit Beelzebub Stalin austreiben wollen, hörte man. Das "Nationalkomitee Freies Deutschland" und der "Bund deutscher Offiziere" wurden als Verräter-Organisationen bezeichnet.
In der DDR wiederum wurden Angehörige des bürgerlich-militärischen Widerstands als Überbleibsel einer überkommenen, gestrigen Gesellschafts- und Verfassungsordnung gering geachtet. Als traditionsbildend galt der kommunistische Widerstand, vor allem das Moskauer Exil. Dies zeigt: Bestimmend für die Bewertung des Widerstand blieben aktuelle Konflikte, geschichtspolitische Gegensätze, vehement verteidigte Wertvorstellungen, parteipolitische Maßstäbe.
Als Dokumente belegten, das manche der Regimegegner tiefer in das Vernichtungssystem der Nationalsozialisten verstrickt waren, als es sich die Angehörigen vorstellen wollten, sahen diese darin ehrabschneidende Beschuldigungen. Sie wollten nicht hinnehmen, dass ihre Vorfahren wie viele andere auch aus den Denkvorstellungen ihrer Zeit geurteilt hatten. Dabei hatte Rüdiger von Voss, Sohn eines Regimegegners, früh eine versöhnliche Erklärung parat, als er sagte, die Regimegegner hätten oftmals Positionen überwinden müssen, die sie ursprünglich mit den Nationalsozialisten geteilt hatten.
Mit dieser Bemerkung hätten sich viele Gräben schließen lassen, die die Geschichte des Widerstands in den Augen der Nachlebenden belasteten. Bonhoeffer war in seiner Selbstkritik weiter als manche der nachgeborenen Gerechten. Zum Jahreswechsel 1942/43 hatte er seinen Freunden geschrieben:
"Wir sind stumme Zeugen böser Taten gewesen, wir sind mit vielen Wassern gewaschen, wir haben die Kunst der Verstellung und der mehrdeutigen Rede gelernt, wir sind durch Erfahrung misstrauisch gegen die Menschen geworden und mussten ihnen die Wahrheit und das freie Wort oft schuldig bleiben, wir sind durch unerträgliche Konflikte mürbe oder vielleicht auch zynisch geworden – sind wir noch brauchbar?"
Am kommenden Sonntag bringen wir einen Beitrag von Christa Bürger über Colette Peignot.
An diese Debatten erinnert auch der Essay von Peter Steinbach unter dem Titel "Nach Hitler kommen wir".
(Der Autor lehrt Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Mannheim. Er ist seit 1983 wissenschaftlicher Leiter der ständigen Ausstellung "Widerstand gegen den Nationalsozialismus" in Berlin.)
Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus ist heute nicht mehr umstritten und zu einem festen Bestandteil der kollektiven Erinnerung der Deutschen geworden. Alljährlich findet im Berliner Bendlerblock und in der Hinrichtungsstätte Plötzensee eine öffentliche Würdigung statt, die - wie alle Erinnerungsrituale - stets gleich verläuft: Empfänge, Ansprachen, Totenehrung, Nationalhymne, Totenehrung mit Gedenkworten und Gedenkrede, Trompetensolo "Ich hatt’ einen Kameraden", Ehrenformation der Bundeswehr mit Kranzniederlegungen in Anwesenheit der Angehörigen und Nachfahren.
In historischen Ausstellungen zur Geschichte der Bundesrepublik findet der Zuschauer Hinweise auf den Widerstand, der zur bundesdeutschen Vorgeschichte geworden ist. In Gedenkreden werden Traditionen des Widerstands beschworen. Dabei wird die Überzeugung ausgedrückt, die Werte und Ziele der Regimegegner hätten ihren endgültigen Niederschlag im Grundgesetz gefunden. Redner berufen sich auf das Ansehen, das der deutsche Widerstand im Ausland genießt.
Kaum vorstellbar ist, dass das kulturelle und politische Klima in der Nachkriegszeit durch heftige Auseinandersetzungen über den Widerstand geprägt wurde. Dabei ist nicht an Stammtischdiskussionen zu denken. Dort tat man sich immer schwer mit Regimegegnern. Sondern gestritten wurde über die Ziele eines Widerstands, der Kommunisten, Sozialdemokraten und Christen ebenso wie Konservative, der Angehörige der Eliten, Adelige und "kleine Leute", wie man sagte, zu Gegnern des Regimes gemacht hatte. Sie verband der Wunsch, Hitler und seine Herrschaft zu beseitigen.
Schon bald nach dem Ende des NS-Staates begannen die Auseinandersetzungen um den Widerstand, um seine Ziele und Leistungen, seine Defizite und Grenzen. Bis in die 90er-Jahre hinein gehörte dieser oftmals sehr vehement ausgetragene Streit um den "Besitz" an der Geschichte des Widerstands zur historisch-politischen Identitätsdiskussion der Deutschen. Jahrzehnte stritten sie hüben wie drüben, zwischen den Generationen, Parteien und Konfessionen um "schwarze und weiße Stränge", um demokratische Traditionen, um "Tradition und Erbe", schließlich sogar um den Stellenwert von "Auschwitz", um Schuld, Versagen und Verantwortung.
Politiker forderten schon in den 60er-Jahren unter Hinweis auf den Widerstand, Deutschland solle selbstbewusst aus dem Schatten von Auschwitz heraustreten. Gerne wurde damals in Gedenkreden zum Widerstand ein angebliches Churchill-Wort aus dem Jahre 1946 zitiert, das im britischen Unterhaus gesagt worden sein soll:
"Der Widerstand gehört zum Edelsten und Größten, was in der Geschichte aller Völker je hervorgebracht wurde. Ihre Taten und Opfer sind das unzerstörbare Fundament eines neuen Aufbaus."
Verifiziert werden konnte dieses Zitat bis heute nicht. Es entfaltete auch so Wirkung. Denn Geschichte ist immer das Bild, das sich Menschen von der Vergangenheit im Kopfe machen. Wie aber, so ist zu fragen, gelangen Geschichtsbilder in die Köpfe der Deutschen?
Offenbar ließ sich der deutsche Widerstand schon bald nach Kriegsende gut nutzen, um den Anspruch der Deutschen auf die Rückkehr in den Kreis der zivilisierten Nationen zu begründen. Vorbehalte in den Staaten, die unter deutscher Besatzungsherrschaft gelitten hatten, sprachen ebenso dagegen wie die Neigung der Deutschen, sich selbst als Kriegsopfer zu sehen. Kriegsschäden waren zu beseitigen, Verluste zu betrauern, aber nicht Wiedergutmachung zu leisten.
Diese Verpflichtung war in der deutschen Gesellschaft immer umstritten. Politiker, die damals noch nicht demoskopisch gesteuert waren, setzten durch, was sie für richtig hielten. Mit der weitgehenden Souveränität, die die Bundesrepublik mit dem Deutschlandvertrag erlangte, war die Voraussetzung für die Wiederbewaffnung geschaffen. Ihren Anspruch auf die Rückkehr in das europäische Staatengefüge begründeten die Deutschen moralisch.
Deshalb wurde der Widerstand wichtig. Niemals aber war er bis weit in die 60er-Jahre Teil eines historisch gewachsenen Grundkonsenses geworden, der sich auf die Résistance, wie in Frankreich, oder auf die Resistenza, wie in Italien, stützte. Symbolfigur des deutschen Widerstands wurde im Westen Deutschlands Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der im Herbst 1943 zur treibenden Kraft des Umsturzversuches geworden waren. Bis dahin waren viele Attentate gescheitert.
Sieht man von dem Anschlag des Schreiners Johann Georg Elser ab, war kein Attentäter dem Ziel nahegekommen, Hitler zu töten. Elsers Tat aber wurde bis weit in die 60er-Jahre nicht anerkannt – er galt manchen sogar als Werkzeug der SS, als agent provocateur. Stattdessen las man von vielen gescheiterten Versuchen, Hitler auszuschalten. Eine Bombe, die ihn während eines Fluges töten sollte, explodierte nicht. Der Versuch, im Berliner Zeughaus wenig später ein Bombenattentat zu verüben, musste angeblich im letzten Moment abgebrochen werden.
Überliefert sind diese Anschläge in der Regel durch Erinnerungen, die nicht immer zuverlässig sind. Historiker zählten insgesamt über vierzig gescheiterte Anschläge - Stoff für viele Geschichten, die nicht nur ausgemalt, sondern auch mit den Mitteln des Filmes dramatisiert wurden. Fiktionen prägten nicht selten das Bild von der realen Vergangenheit. Im Zentrum standen dabei das Attentat in der Wolfsschanze und die Operation "Walküre", weniger die Frage nach den hohen Offizieren, die sich einer Unterstützung des Umsturzes verweigerten.
Der Höhepunkt von Stauffenbergs Ansehen schien erreicht, als Tom Cruise im Hollywoodfilm "Operation Walküre" die Stauffenberg-Rolle übernommen hatte. Damals sah Florian Henkel von Donnersmarck, Oscar-Preisträger, eine besondere Auszeichnung des deutschen Widerstands darin, dass Tom Cruise dem Attentäter sein Gesicht "leihe". Öffentliche Kritik an dem Wunsch, die Hinrichtung Stauffenbergs am Ort seines Todes nachzustellen, sollte rechtfertigen, einen "Bambi" für Zivilcourage an den bekennenden Scientologen Tom Cruise zu verleihen.
So scheint es, als sei der Widerstand heute weitgehend den Kontroversen um die deutsche Geschichte enthoben. Selbst Rechtsradikale und Rechtsextremisten distanzieren sich nicht mehr von Stauffenberg. Für die stramm rechte Wochenzeitung "Junge Freiheit" gilt er als Repräsentant eines "heiligen Deutschland", als Vertreter einer erneuerten Nation, eines Widerstands, dem sich die deutsche Rechte selbst verpflichtet fühlen soll. Wohl kein Satz wird in den rechtsextremistischen Reflexionen über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus so häufig zitiert wie Stauffenbergs letztes Wort:
"Es lebe das heilige Deutschland."
In der Tat hat sich in den Jahrzehnten öffentlichen Erinnerns an den Umsturzversuch des 20. Juli 1944 eine weitgehende Übereinstimmung herausgestellt. Die Regimegegner dieses Tages gelten als Persönlichkeiten, deren wesentliches und "entscheidendes Ziel" vor allem "die besondere Stellung der Grundrechte, des freiheitlichen Rechtsstaats, des Föderalismus und der Idee des europäischen Zusammenschlusses" gewesen sein soll. Deshalb ist nicht überraschend, von Politikern zu hören: "Stauffenberg ist unser!" Ihre Berufung auf den Widerstand soll belegen, dass Widerstandskämpfer "unserer Verfassung, unserem Grundgesetz Pate gestanden" hätten.
Ebenso wie die Bundesrepublik Deutschland, deren Vertreter in den offiziellen Ansprachen verkündigten, die "Männer und Frauen" des 20. Juli 1944 hätten dafür "Sorge getragen, dass wir die Lektion der Geschichte in unserem Grundgesetz und beim Aufbau unseres freiheitlichen Staates an- und aufgenommen" hätten, beanspruchte allerdings auch die DDR-Führung, Vollstrecker des Vermächtnisses antifaschistischer Widerstandskämpfer zu sein. Deshalb hatte es der kommunistische Widerstand über Jahrzehnte im Westen sehr schwer, anerkannt und gewürdigt zu werden. Schmerzlich erfuhr dies Herbert Wehner, als der damalige Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg Filbinger sich dagegen aussprach, den vormaligen KPD-Funktionär im Ehrenhof des Bendlerblocks zum 20. Juli sprechen zu lassen.
Auf eine jeweils eigene, über Jahrzehnte hinweg nicht zu überbrückende Weise konstruierten sich beide deutschen Staaten ihre Tradition des Widerstands. Dabei knüpften sie nicht nur an Traditionen an, die sie für wünschenswert hielten. Sie diskreditierten jeweils den Traditionsstrang des anderen deutschen Staates.
Galt der DDR der Widerstand als kommunistisch inspiriert und geführt, so vernachlässigten die Gedenkredner der Bundesrepublik bewusst den Widerstand aus der kommunistischen Arbeiterbewegung.
Sie betonten stattdessen den christlichen, vor allem aber den bürgerlichen oder militärischen Widerstand. Dieser Streit spiegelte sich auch in der konfessionell gespaltenen Widerstandsgeschichte. Kritisierten die einen das Reichskonkordat, so verwiesen die anderen auf die Deutschen Christen. Hoben die einen Alfred Delp, so die anderen Dietrich Bonhoeffer, Bekennende Kirche und Pfarrernotbund hervor. Die Erinnerung an den Widerstand wurde parzelliert, und auch die Parteien konzentrierten sich auf ihre eigene Vorgeschichte.
Erst in den 70er-Jahren setzte eine langsame Überschneidung der bis dahin weitgehend säuberlich geschiedenen Widerstandsbereiche ein - die Besitzfrage schien sich seit den 80er-Jahren in eine gesamtdeutsche Dimension zu weiten, welche die bis dahin geübte moralische Diskriminierung von Traditionen obsolet machte, die manchen Nachlebenden aus ganz persönlichen, politischen oder konfessionellen Gründen fremd geblieben waren. Die Konfrontation mit dem NS-Staat und seinen Verbrechen, die in den 60er-Jahren durch bedeutende NS-Prozesse unausweichlich geworden war, machte endgültig klar, dass sich der Widerstand, welcher Richtung auch immer, gegen einen verbrecherischen Staat gerichtet hatte. Hoch- oder gar Landesverrat war dem Widerstand deshalb nicht mehr vorzuwerfen.
Bis weit in die 60er-Jahre hinein hatten viele Mitläufer und Angepasste die "dunklen Hitlerjahre", wie sie sagten, auf ihre Weise deuten können und dabei den Widerstand in Zwielicht gerückt. Die Zeitgenossen, die sich nicht widersetzt hatten, betonten die Bedeutung der Eidbindung und fanden es nicht verwerflich, einen Begriff wie "Eidtreue" zu verwenden. Hinweise auf die Härten von Kriegsgefangenschaft und Zwangsarbeit, auf Misshandlungen und Vergewaltigungen sollten dazu dienen, noch einmal im Nachhinein die Furcht vor dem Bolschewismus zu belegen, um das Durchhalten der Soldaten und der Zivilbevölkerung bis zum Kriegsende zu erklären. Manche warfen dem Widerstand deshalb vor, die Abwehrkräfte der Wehrmacht geschwächt zu haben.
Das Handeln der Widerstandskämpfer wurde erst zu einem Zeitpunkt in ein günstigeres Licht gerückt, als sich die seit den 50er-Jahren andeutende Zusammenarbeit mit den ehemaligen westlichen Gegnern als Fundierung künftiger Waffenbrüderschaft anbot. Die Absicht des Widerstandes sei es gewesen, nach einem Waffenstillstand im Westen den Kampf an der Seite der Amerikaner und Briten gegen die Rote Armee fortzusetzen.
Diese Behauptung verstärkte noch einmal die Verehrung des sogenannten "Wüstenfuchses" Generalfeldmarschall Erwin Rommel, der angeblich, wie sein engster Mitarbeit Speidel behauptet hatte, vergeblich für einen Waffenstillstand im Westen, für die "Westlösung", eingetreten war. Deshalb hätte er den Umsturzversuch bejaht und aktiv unterstützt, wenn er nicht unmittelbar vor dem Anschlag Opfer eines Fliegerangriffs geworden wäre. So sollte bewiesen werden, dass Widerstand gegen den NS-Staat nicht nur als Auflehnung gegen das Unrecht, sondern als erster Schritt in das westliche Bündnis, in die europäische Gemeinschaft und sogar als Beitrag zur Verteidigung des Abendlandes interpretiert werden konnte.
Viele ehemalige Wehrmachtsangehörige und Diplomaten, die bis dahin als Abwehrleute, als Diplomaten oder Militärs dem Regime die Frist verlängert hatten, zeichneten in ihren frühen Nachkriegserinnerungen nun konsequent ein positives Bild vom Widerstand, das ihre eigene Bedeutung unterstrich und Chancen auf berufliche Wiederverwendung in der Bundesrepublik eröffnen sollte. Mit diesen Erinnerungen wurde der Boden für eine Neudeutung vorbereitet, die in den 50er-Jahren einsetzte, sich allerdings nicht selten gerade vorherrschenden politischen Stimmungen auslieferte.
Vielfach orientierte man sich an parteipolitischen Kriterien. So wurde das politische Exil zunächst nicht gewürdigt. Vor allem die SPD hatte viele Emigranten in ihren Reihen: Ollenhauer, Erler, Brandt und Wehner wurden in der Öffentlichkeit immer wieder kritisiert und sogar als Verräter tituliert. Was, so wurde im Wahlkampf 1965 Willy Brandt von einem seiner Gegner gefragt, haben sie im Ausland gemacht? Selbstsicher und moralisch erschreckend indifferent schloss sich die mit Beifall bedachte Feststellung an: "Was wir gemacht haben, wissen wir." Wenige Jahre später konnte ein führender Journalist titeln: "Ich war dabei" – nicht: Ich war dagegen.
Der verbrecherische Charakter des Nationalsozialismus war in den vierziger und 50er-Jahren noch längst nicht von allen Deutschen anerkannt worden. Man hielt die Exzesse der deutschen Kriegsführung für kriegsbedingt und verglich sie mit den "Verbrechen der anderen". Das änderte sich erst, als nationalsozialistische Gewaltverbrechen - der Völkermord an Juden, die Verbrechen an Behinderten, der Völkermord an den Sinti und Roma – kaum mehr als "Kriegsverbrechen", sondern als NS-Verbrechen bezeichnet wurden.
Das Ganze Ausmaß der NS-Verbrechen war nicht selten selbst von denen bestritten worden, die sich dem Widerstand zurechneten. Der Widerstand schien geeignet, die Last der Verbrechen, der Schuld, der Verantwortungslosigkeit zu verringern. Das erklärt die Bedeutung des Tresckow-Worts von den zehn Gerechten, das in der Überlieferung seines Kameraden Fabian von Schlabrendorff lautet:
"Wenn einst Gott Abraham verheißen hat, er werde Sodom nicht verderben, wenn auch nur zehn Gerechte darin seien, so hoffe ich, dass Gott auch Deutschland um unseretwillen nicht vernichten wird."
Dies als Vermächtnis des Widerstands gedeutete Wort ist so wichtig wie die Überlieferung der düsteren Vision Stauffenbergs, das nach dem Scheitern des Anschlags alle Welt über sie herfallen und sie als Verräter ächten würde. "Zehn Gerechte"? Die Zahl der Regimegegner aus dem Bürgertum, aus Verwaltung und Wehrmacht war nicht so groß wie die der kommunistischen, sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Mitglieder – aber mit diesem Satz Tresckows ließ sich die kleine Zahl moralisch ganz anders gewichten.
"Der sittliche Wert eines Menschen beginnt erst dort, wo er bereit ist, für seine Überzeugung sein Leben hinzugeben."
Dieser hohe Ton der moralischen Rechtfertigung irritierte viele Zeitgenossen, auch, weil der Braunschweiger Generalstaatsanwalt Fritz Bauer in den frühen 50er-Jahren Ernst Remer vor Gericht hatte stellen lassen. Remer, der sich am 20.Juli auf die Seite Hitlers geschlagen hatte, bedrohte Angehörige von Widerstandskämpfern: Er werde sie wegen des Verrats ihrer Angehörigen zur Verantwortung ziehen. Bauer führte einen " politischen Prozess", wie er sagte, um den Widerstand zu rechtfertigen.
Nun stand Widerstand gegen NS-Verbrechen. Weil die Beweise dieser Verbrechen zunehmend erdrückender wurden, blieb den Nachlebenden nur eine Ausflucht: Sie bestritten die Kenntnis der Verbrechen, betonten die Kriegsverbrechen der anderen Seite. Von diesem Denken blieben nicht einmal überlebende Regimegegner verschont, die in ihren frühen Erinnerungen gerne, wie Schlabrendorff, die "Faszination" thematisierten, die von den Nationalsozialisten wegen ihrer Kritik an der Weimarer Republik ausgegangen war, bis hin zur Beschwörung der "Volksgemeinschaft", die sich mit dem auch in Widerstandskreisen vielfach verbreiteten Antiparteienaffekt paarte.
Die Unterwerfung der deutschen Gesellschaft unter den Nationalsozialismus und die so problemlose Errichtung einer Diktatur hatten Zeitgenossen mit der Ablehnung des Versailler Vertrags und seines Kriegsschuldparagrafen, den Reparationen, mit Arbeitslosigkeit und nicht zuletzt bürgerkriegsähnlichen Wirren erklärt, die das "Wahlkampfinferno" des Jahres 1932 flankiert hatten.
Viele Widerstandskämpfer haben diese kritische Sicht geteilt. Deshalb wiesen sie bis auf wenige Ausnahmen die heftige Kritik an der Weimarer Republik nicht zurück. Die Demokratie hatte keine wirksamen Abwehrkräfte mobilisiert. Vielleicht erklären die Kritik am Weimarer System und das Versagen der Abwehrkräfte, weshalb für die Regimegegner, gleich, ob im Exil oder an der inneren Front, die Rückkehr zum Weimarer System kein Ziel war.
Auch andere Vorurteile, die sich auf die Ablehnung der westlichen Demokratie mit Parlamentarismus und Gewaltenteilung, Pluralismus und Parteienvielfalt beriefen, prägten Weltsicht und politisches Selbstverständnis des Widerstandes. Nicht einmal Antisemitismus und Antibolschewismus waren vielen Regimegegnern fremd. Sie diskutierten auf eine Weise über die Lösung der Judenfrage, die bis heute erschrecken kann.
Auch die Beteiligung bedeutender Regimegegner am Überfall auf die Sowjetunion belegte den Einfluss antibolschewistischer Denkmuster, übrigens bis weit in die katholische Kirche hinein. In den 1980er-Jahren hatte der Historiker Ernst Nolte den Erfolg des Nationalsozialismus als Reaktion auf eine angebliche "Asiatische Tat" erklären wollen, die einzelne NS-Funktionäre während der russischen Oktoberrevolution und des daraus folgenden Bürgerkriegs zwischen "Weiß und Rot" gesehen hätten.
Der Nationalsozialismus wurde zunächst auch von "nationalkonservativen" Regimegegnern als Abwehr kommunistischen Machtstrebens gedeutet. Diese Interpretation fügte sich bald gut in das westdeutsche Weltbild der 50er-Jahre ein.
Kaum ein Erinnerungsbuch macht diese so deutlich wie Fabian von Schlabrendorffs zeitgeschichtlicher Bestseller "Offiziere gegen Hitler". Erstmals 1946 niedergeschrieben, veränderte sich der Text in späteren Auflagen. Die frühen, durchaus positiven Würdigungen des kommunistischen Widerstands wurden nun gestrichen, die Widerstandsgruppe um Arvid Harnack und Harro Schulze-Boysen, von der Gestapo "Rote Kapelle" genannt, moralisch diskreditiert. Stattdessen wurde der Reichskriminaldirektor und SS-Gruppenführer Artur Nebe moralisch rehabilitiert. Heute wissen wir, dass unter Nebes Verantwortung mehr als vierzigtausend Menschen durch eine von ihm geführte Einsatzgruppe hingemordet worden waren. Schlabrendorff sah das anders:
"So stellten wir bald eine gute Zusammenarbeit mit Nebe her, der es auf der einen Seite wirklich meisterhaft verstand, seine wahre Gesinnung zu verbergen, und auf der anderen Seite tausend Vorwände erfand, um die Mordbefehle Hitlers in einem geradezu unwahrscheinlichen Umfange zu sabotieren. Es gelang, viele Russen vor dem beinahe sicheren Tod zu retten. Die russische Bevölkerung [ ... ] konnte sich uns gegenüber in persönlichen Dankesbezeigungen nicht genug tun. Sie wusste, wie viele russische Menschenleben wir erhalten hatten."
Während Nebe auf diese Weise rehabilitiert wurde, erfuhr die Widerstandsgruppe um Harnack und Schulze-Boysen eine moralische Diskreditierung. Ihr Ziel sei "der Sturz des Hitler-Regimes und die Errichtung eines kommunistischen Staates nach sowjetischem Muster" gewesen.
"Der eingeschlagene Weg führte über die Niederlage Deutschlands. Die angewandten Mittel waren, strafrechtlich gesehen, hoch- und landesverräterischer Art. Der primäre und entscheidende Teil der Betätigung der ‘Roten Kapelle’ bestand aber im unmittelbaren Nachrichtendienst für die Sowjet-Union [ ... ]"
Nur allmählich zeichnete sich seit den 60er-Jahren ein Wandel dieser Beurteilung ab. Heinrich Lübke erwähnte 1964 erstmals in einer Gedenkrede den kommunistischen Widerstand und erregte damit Widerspruch. Gustav Heinemann lenkte 1969 sogar den Blick auf Fiete Schulze, einen kommunistischen Widerstandskämpfer, der sogar einem Handelsschiff der DDR den Namen gegeben hatte. Dies entsprach dem inzwischen gewandelten Zeitgeist.
Ein tieferer Umbruch der Deutung des Widerstands trat aber erst 1985 ein, als Bundespräsident Richard von Weizsäcker offen von der "Befreiung" Deutschlands von nationalsozialistischer Herrschaft sprach. Er löste eine geschichtspolitische Kontroverse aus, während andere an den Beginn der Teilung, der Errichtung einer zweiten deutschen Diktatur, an Flucht und Vertreibung erinnern wollten, hatte Weizsäcker sich deutlich zum Widerstand bekannt.
Dem gegenüber galten die Regimegegner aus dem Bürgertum, der Verwaltung und dem Militär in der deutschen Öffentlichkeit der 60er-Jahre vielfach als rückwärtsgewandt, demokratiefeindlich, antiparlamentarisch und sogar als nationalistisch. Ob man, so wurde gefragt, sich wirklich einen Erfolg des Anschlags wünschen sollte? Die Verwirklichung der Neuordnungspläne Goerdelers und Stauffenbergs hätten ein ständisch geprägtes, vom Adel beherrschtes, rückwärtsgewandtes und nicht zuletzt auch ein von der führenden Rolle Deutschland in Mitteleuropa ausgehendes Reich geschaffen, das nicht entfernt im Einklang mit den Werten des Grundgesetzes gestanden hätte.
Diese Kontroversen zeigen, dass der Widerstand entgegen den öffentlichen Bekundungen auf den alljährlichen Gedenkveranstaltungen keineswegs in der Weise das Geschichtsbild der Deutschen geprägt hatte. Kritik am Widerstand des 20. Juli machte sich breit. Einwände von Publizisten und Historikern richteten sich gegen das allzu harmonisierende Bild, das Politiker und Angehörige vom Widerstand gezeichnet hatten. Man betonte die zeitspezifischen Vorstellungen der Regimegegner aus dem Bürgertum, in Verwaltung, Militär und in den Kirchen und war sich sicher, dass sie dem Ideal des liberalen, westlichen Verfassungsstaates nicht entsprachen.
Die Kritiker lenkten den Blick nicht allein auf vorkonstitutionelle Vorstellungen von Demokratie und Parlamentarismus, sondern hoben die schwachen Protesten gegen die Verfolgung und Entrechtung der Juden hervor. Selbst antisemitische Exzesse, die sie beobachteten, führten nur selten zu deutlichem Protest. Die Hinnahme des Todes von drei Millionen sowjetischer Kriegsgefangener war kein zentrales Motiv zum Handeln. Die Mordaktionen der Einsatzgruppen führten zwar zu vereinzelten Protesten, niemals aber zu der moralischen Empörung, wie sie der Münsteraner Bischof Clemens von Galen nach den Massakern an Kranken formuliert hatte. Die Thematisierung der NS-Verbrechen durch Peter Weiss und Rolf Hochhuth erregten die Öffentlichkeit und verstärkten das Zwielicht, in das der Widerstand gerückt wurde.
Man urteilte und verurteilte, fragte nicht nach Einwänden, übersah viele Ansätze einer radikalen Umkehr, die ein erfolgreiches Attentat bedeutet hätte. "Wiederherstellung der Majestät des Rechts" war ein zentrales Ziel, ebenso die Bestrafung der Rechtsschänder, und zum Kreis der Attentäter gehörten sozialdemokratische Politiker wie Julius Leber, Gewerkschafter wie Wilhelm Leuschner – den Widerstand auf Honoratioren zu beschränken, wie es die Kritiker taten, das war mit Sicherheit zu kurz gegriffen.
Ein Gutes hatte diese Auseinandersetzung: In den kritische Diskussionen über Anpassung, Gleichgültigkeit, Schuld und Verantwortung zeigte sich, dass es Handlungsspielräume gab, die eine Alternative zu Anpassung, Gehorsam, zum Funktionieren als Rädchen im nationalsozialistischen Herrschafts- und Unterdrückungssystem verkörperten.
Es war ein ebenso langer wie schwieriger Prozess geschichtspolitischer Auseinandersetzung, bis die deutsche Nachkriegsgesellschaft den Widerstand als moralisch und ethisch geboten anerkannte und ehrte. Diese Entwicklung hatte zwar unmittelbar nach Kriegsende begonnen; sie setzte aber die Bereitschaft voraus, sich ganz persönlich mit den NS-Verbrechen zu konfrontieren, sich Entscheidungsmöglichkeiten, Handlungsspielräume vor Augen zu führen.
Die Beweise waren erdrückend. Zu den Nürnberger Dokumenten hatten bereits bruchstückhaft überlieferte Protokolle der Verhandlungen vor dem Volksgerichtshofe gegen Regimegegner aus dem Umkreis des 20. Juli 1944 gehört. Hier war zu lesen, dass einer der angeklagten Regimegegner Roland Freisler mit den "vielen Morden" konfrontierte und sich auch durch dessen hysterischen Ausbruch nicht erschüttern ließ.
Freunde der Regimegegner, unter ihnen Marion Gräfin Dönhoff, instrumentalisierten den Widerstand allerdings oftmals für ihre politischen Überzeugungen. Dönhoff sah im Widerstand das letzte Zeichen ihres "wahren Preußen", eines Staates, der von den Alliierten zerschlagen worden war, ein idealisiertes Preußen mit den Regimegegnern als idealen Repräsentanten.
Diese Instrumentalisierung des Widerstands durchzog seitdem die Deutung der Regimegegnerschaft. Immer wurde unter Hinweis auf "den Widerstand" herausgestellt, was politisch gewünscht und kulturkritisch beklagt wurde. Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus geriet zu einem ganz anderen Modell der Nachkriegszeit und zugleich zum Erinnerungsort, zum Mythos, aus dem sich auch kollektive und individuelle Ansprüche ableiten ließen.
Zunächst aber musste die Erinnerung nicht nur den Deutschen, sondern auch den Alliierten abgetrotzt werden. Weil sie mit Ausnahme der Sowjetischen Militäradministration kein Interesse daran hatten, dass zu viel über diesen Widerstand bekannt wurde, mussten die ersten Publikationen zum Widerstand in der Schweiz erscheinen. Diese Haltung der Alliierten war verständlich, weil der Widerstand die deutsche Nation rehabilitieren sollte. Einige "Gerechte" im Sinne Tresckows – oder Schlabrendorffs - konnte der deutsche Widerstand gewiss aufbieten.
Aber wer diese in die Waagschale von nationaler Schuld und individueller Verantwortung werfen sollte, spürte rasch, dass die Weltöffentlichkeit nicht das Gottesgericht war. In Deutschland tat man sich schwer damit, zu verstehen, dass im Vergleich zu der unvorstellbaren Zahl von vielen Millionen Opfern die kleine Zahl der Regimegegner mehr die Verbrechen in das Weltbewusstsein eingebrannt waren als der Wunsch, mit dem Widerstand die Wiederherstellung der Ehre und Würde der deutschen Nation zu befördern.
Die Bedeutung des kommunistischen Widerstandes wurde im Westen Deutschland schließlich fast ganz geleugnet. Den Teufel Hitler hätten die deutschen Kommunisten mit Beelzebub Stalin austreiben wollen, hörte man. Das "Nationalkomitee Freies Deutschland" und der "Bund deutscher Offiziere" wurden als Verräter-Organisationen bezeichnet.
In der DDR wiederum wurden Angehörige des bürgerlich-militärischen Widerstands als Überbleibsel einer überkommenen, gestrigen Gesellschafts- und Verfassungsordnung gering geachtet. Als traditionsbildend galt der kommunistische Widerstand, vor allem das Moskauer Exil. Dies zeigt: Bestimmend für die Bewertung des Widerstand blieben aktuelle Konflikte, geschichtspolitische Gegensätze, vehement verteidigte Wertvorstellungen, parteipolitische Maßstäbe.
Als Dokumente belegten, das manche der Regimegegner tiefer in das Vernichtungssystem der Nationalsozialisten verstrickt waren, als es sich die Angehörigen vorstellen wollten, sahen diese darin ehrabschneidende Beschuldigungen. Sie wollten nicht hinnehmen, dass ihre Vorfahren wie viele andere auch aus den Denkvorstellungen ihrer Zeit geurteilt hatten. Dabei hatte Rüdiger von Voss, Sohn eines Regimegegners, früh eine versöhnliche Erklärung parat, als er sagte, die Regimegegner hätten oftmals Positionen überwinden müssen, die sie ursprünglich mit den Nationalsozialisten geteilt hatten.
Mit dieser Bemerkung hätten sich viele Gräben schließen lassen, die die Geschichte des Widerstands in den Augen der Nachlebenden belasteten. Bonhoeffer war in seiner Selbstkritik weiter als manche der nachgeborenen Gerechten. Zum Jahreswechsel 1942/43 hatte er seinen Freunden geschrieben:
"Wir sind stumme Zeugen böser Taten gewesen, wir sind mit vielen Wassern gewaschen, wir haben die Kunst der Verstellung und der mehrdeutigen Rede gelernt, wir sind durch Erfahrung misstrauisch gegen die Menschen geworden und mussten ihnen die Wahrheit und das freie Wort oft schuldig bleiben, wir sind durch unerträgliche Konflikte mürbe oder vielleicht auch zynisch geworden – sind wir noch brauchbar?"
Am kommenden Sonntag bringen wir einen Beitrag von Christa Bürger über Colette Peignot.