"Das Grundgesetz ist in Deutschland die Grundlage der Politik. Die Menschenrechte stehen dort gleich am Anfang. Es wäre gut, wenn die Kinderrechte auch mit in das Grundgesetz aufgenommen werden würden. Dann wären die Kinderrechte noch stärker."
"Und die Kinderrechte müssen noch viel bekannter werden."
Kinderschutzorganisationen wie das Deutsche Kinderhilfswerk und Unicef werben seit über 20 Jahren dafür, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Nun steht das Kindergrundrecht im Koalitionsvertrag von Union und Sozialdemokraten. Für Rudi Tarneden, Sprecher von Unicef Deutschland, ein überfälliger Schritt.
"Deutschland ist eine Gesellschaft, die ganz stark von den Interessen und Belangen älterer Menschen bestimmt wird. Kinder fallen oft hinten runter im wahrsten Sinne des Wortes. Sie können nicht wählen, und sie sind zwar durch eine Stimme durch Organisationen vertreten, aber selbst gehört werden sie auch noch nicht regelmäßig."
Kinderschutzorganisationen wie das Deutsche Kinderhilfswerk und Unicef werben seit über 20 Jahren dafür, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Nun steht das Kindergrundrecht im Koalitionsvertrag von Union und Sozialdemokraten. Für Rudi Tarneden, Sprecher von Unicef Deutschland, ein überfälliger Schritt.
"Deutschland ist eine Gesellschaft, die ganz stark von den Interessen und Belangen älterer Menschen bestimmt wird. Kinder fallen oft hinten runter im wahrsten Sinne des Wortes. Sie können nicht wählen, und sie sind zwar durch eine Stimme durch Organisationen vertreten, aber selbst gehört werden sie auch noch nicht regelmäßig."
Rechtspolitiker der Union eher zurückhaltend
Als Bundeskanzlerin Angela Merkel Anfang Januar die Sternsinger im Kanzleramt empfängt, haben gerade die Sondierungsgespräche mit der SPD begonnen. Auch wenn zu dem Zeitpunkt noch offen ist, ob die SPD tatsächlich über eine GroKo verhandeln will, lautet die Botschaft der Kanzlerin an die Jugendlichen:
"Wenn wir darum ringen, ob wir eine neue Regierung bilden können, dann stehen Kinderrechte auch in Deutschland ganz oben auf der Tagesordnung."
"Wenn wir darum ringen, ob wir eine neue Regierung bilden können, dann stehen Kinderrechte auch in Deutschland ganz oben auf der Tagesordnung."
Im März, zwei Monate nach der zähen Regierungsbildung, verkündet die neue SPD-Bundesfamilienministerin Franziska Giffey in ihrer Regierungserklärung eine Verfassungsänderung:
"Wir schreiben die Kinderrechte als Kindergrundrecht im Grundgesetz fest."
"Wir sind als Rechtspolitiker der Union da eher zurückhaltend gewesen, nicht deshalb, weil wir die Bedeutung der Rechte von Kindern in Frage stellen wollen, sondern weil wir ganz klar davon ausgehen, dass Kinderrechte längst im Grundgesetz stehen."
"Wir schreiben die Kinderrechte als Kindergrundrecht im Grundgesetz fest."
"Wir sind als Rechtspolitiker der Union da eher zurückhaltend gewesen, nicht deshalb, weil wir die Bedeutung der Rechte von Kindern in Frage stellen wollen, sondern weil wir ganz klar davon ausgehen, dass Kinderrechte längst im Grundgesetz stehen."
Elisabeth Winkelmeier-Becker, rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hält - wie viele Rechtsexperten bei den Christdemokraten - eine Verfassungsänderung nach wie vor für überflüssig. Das sieht die jetzige Bundesjustizministerin, Katarina Barley, anders. Während der Koalitionsverhandlungen war die SPD-Politikerin als Familienministerin maßgeblich am Beschluss beteiligt und meint, Kinder seien keine kleinen Erwachsenen, sondern hätten eigene Bedürfnisse.
"Deswegen war es uns auch so wichtig, es nicht nur als Staatszielbestimmung einzuführen, wie das Teile der Konservativen wollten, so wie derzeit der Tierschutz zum Beispiel als Staatszielbestimmung verankert ist. Sondern es wirklich als ein echtes Grundrecht auszugestalten, aus dem man auch Rechte herleiten kann. Es war ein strittiger Punkt in den Koalitionsverhandlungen und einer, der durchaus lange strittig blieb. Aber ich kann sagen, dass alle drei Parteien sich auf dieses Kindergrundrecht geeinigt haben."
Nachdem die CSU bereits 2016 signalisiert hatte, Bayern werde sich für Kinderrechte im Grundgesetz stark machen, hat die CDU bei den Koalitionsverhandlungen wohl eingelenkt. Doch Elisabeth Winkelmeier-Becker bleibt skeptisch und sorgt sich um das Verhältnis Kinder–Eltern-Staat, das in Artikel sechs des Grundgesetzes geregelt ist.
"Da geht das heutige Grundgesetz davon aus, dass eben die Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern sind, zuvörderst deren Recht, aber auch deren Pflicht. Und der Staat hat ein Wächteramt. Und dieses Dreiecksverhältnis ist gut austariert, sicherlich auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen des Nationalsozialismus, wo man Übergriffe auch des Staates in die familiäre Einheit in negativer Art und Weise erlebt hat. Und es sollte eben noch mal mit dem Grundgesetz festgeschrieben werden, dass die familiäre Einheit gegenüber dem Staat schon den Vorrang hat."
"Da geht das heutige Grundgesetz davon aus, dass eben die Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern sind, zuvörderst deren Recht, aber auch deren Pflicht. Und der Staat hat ein Wächteramt. Und dieses Dreiecksverhältnis ist gut austariert, sicherlich auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen des Nationalsozialismus, wo man Übergriffe auch des Staates in die familiäre Einheit in negativer Art und Weise erlebt hat. Und es sollte eben noch mal mit dem Grundgesetz festgeschrieben werden, dass die familiäre Einheit gegenüber dem Staat schon den Vorrang hat."
Grundgesetzänderung nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit möglich
Die CDU-Rechtspolitiker fürchten, der Staat könnte zu sehr in die Elternrechte eingreifen. Diese Bedenken teilen weder die Sozialdemokraten noch die Unionsschwester CSU, wie Tanja Schorer-Dremel, die Vorsitzende der Kinderkommission des Bayerischen Landtags, bekräftigt.
"Die Rechte der Kinder stehen nicht im Gegensatz zu den Rechten der Eltern, vielmehr ergänzen sich beide Rechte, da Eltern ihren Kindern helfen und diese schützen. Rechte der Eltern können auch gar nicht geschwächt werden, weil sie ja durch das Grundgesetz besonders geschützt sind."
Auch Grüne und Linke befürworten ein Kindergrundrecht und werden einer Grundgesetzänderung, die nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament möglich ist, wohl zustimmen. Die FDP hält das für Symbolpolitik. Die Liberalen erwarten nicht, dass sich dadurch für Kinder substanziell etwas ändern würde. Die AfD lehnt ein Kindergrundrecht ab, weil damit die staatliche Elternbevormundung drohe.
Nun soll eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit Experten aus allen Bereichen bis Ende 2019 einen Entwurf zur Verfassungsänderung vorlegen. Federführend ist das Bundesjustizministerium. Zwei Aspekte stehen im Vordergrund: Zum einen, Kinder besser zu schützen, zum anderen, ihnen ein Recht auf mehr Mitsprache zu geben.
"Die Rechte der Kinder stehen nicht im Gegensatz zu den Rechten der Eltern, vielmehr ergänzen sich beide Rechte, da Eltern ihren Kindern helfen und diese schützen. Rechte der Eltern können auch gar nicht geschwächt werden, weil sie ja durch das Grundgesetz besonders geschützt sind."
Auch Grüne und Linke befürworten ein Kindergrundrecht und werden einer Grundgesetzänderung, die nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament möglich ist, wohl zustimmen. Die FDP hält das für Symbolpolitik. Die Liberalen erwarten nicht, dass sich dadurch für Kinder substanziell etwas ändern würde. Die AfD lehnt ein Kindergrundrecht ab, weil damit die staatliche Elternbevormundung drohe.
Nun soll eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit Experten aus allen Bereichen bis Ende 2019 einen Entwurf zur Verfassungsänderung vorlegen. Federführend ist das Bundesjustizministerium. Zwei Aspekte stehen im Vordergrund: Zum einen, Kinder besser zu schützen, zum anderen, ihnen ein Recht auf mehr Mitsprache zu geben.
"Kindergrundrecht eine große Hilfe für die Belange von Kindern"
Ralf Kleindiek, bis vor kurzem Staatssekretär im Bundesfamilienministerium, hat sich jahrelang mit dem Thema befasst. Grundrechte sind subjektive Rechte, sagt er. Die könnte jedes Kind dann gegenüber der Verwaltung, den Gerichten und auch beim Bundesverfassungsgericht geltend machen. Ralf Kleindiek meint, ein Kindergrundrecht würde konkrete Missstände verringern. Ein Beispiel:
"Ein Kind kommt mit einem Jahr in eine Pflegefamilie, und in dieser Pflegefamilie lebt es dann ein Jahr oder anderthalb Jahre, also für so einen kleinen Menschen eine sehr lange Zeit, und dann wird im Moment lediglich danach entschieden, sind die Eltern in der Lage, für das Kind wieder zu sorgen oder nicht, aber es wird nicht genügend berücksichtigt, wie sich die Situation des Kindes in diesen anderthalb Jahren weiter entwickelt hat, und welche Bindungen da entstanden sind, und das stärker zu berücksichtigen, das halte ich schon für notwendig. Dafür wäre ein Kindergrundrecht eine große Hilfe für die Belange von Kindern."
"Ein Kind kommt mit einem Jahr in eine Pflegefamilie, und in dieser Pflegefamilie lebt es dann ein Jahr oder anderthalb Jahre, also für so einen kleinen Menschen eine sehr lange Zeit, und dann wird im Moment lediglich danach entschieden, sind die Eltern in der Lage, für das Kind wieder zu sorgen oder nicht, aber es wird nicht genügend berücksichtigt, wie sich die Situation des Kindes in diesen anderthalb Jahren weiter entwickelt hat, und welche Bindungen da entstanden sind, und das stärker zu berücksichtigen, das halte ich schon für notwendig. Dafür wäre ein Kindergrundrecht eine große Hilfe für die Belange von Kindern."
Darauf hofft auch Franziska Rosenbauer aus Nordrhein-Westfalen mit ihrem Mann. Ihr Name ist geändert, um ihrem Pflegekind nicht zu schaden. Für den Jungen sorgen die Rosenbauers, seit er fünf Jahre alt ist. Vor drei Jahren ließ das Jugendamt die beiden dann wissen, die leibliche Mutter habe ihr Leben wieder im Griff, der Junge müsse zurück.
"Wir haben die Situation als nicht stabil betrachtet, weil die Mutter bis dahin auch wieder einen neuen Partner hatte, auch wieder schwanger war. Man wusste, sie bekommt jetzt das dritte Kind. Ja, haben dann auch erst einmal versucht, da so ein bisschen dagegen anzugehen. Dann wurde uns dann aber auch ganz schnell gesagt, Kinder gehören zu ihrer Mutter. Und nach sechs Wochen haben wir dann regelmäßige Besuche eingeführt, und dann haben wir auch relativ schnell gemerkt, dass der Kleine sehr darunter gelitten hat, immer gefragt hat, wann sehe ich euch, wann darf ich zu euch kommen."
Die Rosenbauers setzen alles in Bewegung, um dem Jungen zu helfen. Denn dessen Mutter, inzwischen vom neuen Partner getrennt, kümmere sich ihrer Ansicht nach nicht um ihren Sohn. Der Kleine müsse das Baby hüten, komme nicht zum Schlafen. Dennoch greift das Jugendamt nicht ein.
"Dann wechselten ständig die Mitarbeiter. Es war ein ellenlanger Weg mit vielen Turbulenzen, und es ging eigentlich nie um das Wohl des Kindes, sondern immer nur darum, dass die Mutter sich ja stabilisieren muss und dass wir alle dabei helfen müssen. Und wir wurden mehr angeklagt als die Mutter."
Franziska Rosenbauer schaltet einen Anwalt ein. Der Junge ist inzwischen neun Jahre alt. Vor Gericht zu ziehen - ein Risiko. Würde sie als Pflegemutter den Prozess verlieren, dürfte das Kind sie und ihren Mann überhaupt nicht mehr sehen.
"Der Anwalt hat dann auch gesagt, also, die gehen dann durch eine harte Mühle, die werden halt von sämtlichen Leuten - Anwälten, Richtern - befragt, die müssen dann halt schon auch wirklich gegen die Mutter aussagen, und das ist ja noch einmal ein großer Schritt für so ein Kind. Er hat ja auch Angst und ist halt auch total eingeschüchtert, also es ist ganz schwierig – und es hat niemals einer den Kleinen angehört. Niemals. Wir wurden befragt, die Mutter wurde befragt, aber das Kind wurde nie in den Fokus gestellt, nie."
"Wir haben die Situation als nicht stabil betrachtet, weil die Mutter bis dahin auch wieder einen neuen Partner hatte, auch wieder schwanger war. Man wusste, sie bekommt jetzt das dritte Kind. Ja, haben dann auch erst einmal versucht, da so ein bisschen dagegen anzugehen. Dann wurde uns dann aber auch ganz schnell gesagt, Kinder gehören zu ihrer Mutter. Und nach sechs Wochen haben wir dann regelmäßige Besuche eingeführt, und dann haben wir auch relativ schnell gemerkt, dass der Kleine sehr darunter gelitten hat, immer gefragt hat, wann sehe ich euch, wann darf ich zu euch kommen."
Die Rosenbauers setzen alles in Bewegung, um dem Jungen zu helfen. Denn dessen Mutter, inzwischen vom neuen Partner getrennt, kümmere sich ihrer Ansicht nach nicht um ihren Sohn. Der Kleine müsse das Baby hüten, komme nicht zum Schlafen. Dennoch greift das Jugendamt nicht ein.
"Dann wechselten ständig die Mitarbeiter. Es war ein ellenlanger Weg mit vielen Turbulenzen, und es ging eigentlich nie um das Wohl des Kindes, sondern immer nur darum, dass die Mutter sich ja stabilisieren muss und dass wir alle dabei helfen müssen. Und wir wurden mehr angeklagt als die Mutter."
Franziska Rosenbauer schaltet einen Anwalt ein. Der Junge ist inzwischen neun Jahre alt. Vor Gericht zu ziehen - ein Risiko. Würde sie als Pflegemutter den Prozess verlieren, dürfte das Kind sie und ihren Mann überhaupt nicht mehr sehen.
"Der Anwalt hat dann auch gesagt, also, die gehen dann durch eine harte Mühle, die werden halt von sämtlichen Leuten - Anwälten, Richtern - befragt, die müssen dann halt schon auch wirklich gegen die Mutter aussagen, und das ist ja noch einmal ein großer Schritt für so ein Kind. Er hat ja auch Angst und ist halt auch total eingeschüchtert, also es ist ganz schwierig – und es hat niemals einer den Kleinen angehört. Niemals. Wir wurden befragt, die Mutter wurde befragt, aber das Kind wurde nie in den Fokus gestellt, nie."
Der Koalitionsentwurf wird mit Spannung erwartet
Ein Kindergrundrecht könnte das Wohl der Pflegekinder mehr in den Mittelpunkt stellen als das momentan der Fall ist. meint auch Birgit Niepmann, Direktorin des Bonner Amtsgerichts und erfahrene Familienrichterin, denn:
"Hier hat sich in den letzten Jahren eine Rechtsprechung herausgebildet, gestützt durch das Bundesverfassungsgericht, die sehr hohe Maßstäbe an das Eingriffsrecht des Staates stellt, dass dem Staat eine Herausnahme erst dann ermöglicht, wenn wirklich eine sehr konkrete und sehr große Gefahr für das Kindeswohl gegeben ist. Dies ist teilweise so formuliert, dass es der Praxis schon gewisse Schwierigkeiten bereitet und wir schon denken, die Eingriffsschwelle ist zu hoch zugunsten der Eltern. Hier könnte sich mit der Aufnahme eines Grundrechts sehr wohl ein Umdenken breit machen, das also dem Staat mehr Befugnisse einräumt, in die Rechte der Eltern einzugreifen zum Schutze der Kinder."
Da ein Gesetzentwurf aus dem Bundesjustizministerium noch nicht vorliegt, ist es für Juristen momentan allerdings schwierig, einzuschätzen, wie ein Kind sein Grundrecht später konkret wahrnehmen könnte, sagt Birgit Niepmann.
"Das hängt wirklich davon ab, wie es ausgestaltet ist. Ich kann mir schwer vorstellen, dass ein Kind gegen seine Eltern Klage erheben kann. Auf der anderen Seite muss man sehen, es ist auch heute schon so, dass sich Kinder an das Gericht wenden können. Ich habe selbst gerade einen Fall, wo zwei Kinder hierhin gekommen sind und mir gesagt haben, das Mädchen möchte jetzt aber beim Vater leben, und das habe ich zum Anlass genommen, um ein entsprechendes Verfahren in Gang zu setzen."
"Hier hat sich in den letzten Jahren eine Rechtsprechung herausgebildet, gestützt durch das Bundesverfassungsgericht, die sehr hohe Maßstäbe an das Eingriffsrecht des Staates stellt, dass dem Staat eine Herausnahme erst dann ermöglicht, wenn wirklich eine sehr konkrete und sehr große Gefahr für das Kindeswohl gegeben ist. Dies ist teilweise so formuliert, dass es der Praxis schon gewisse Schwierigkeiten bereitet und wir schon denken, die Eingriffsschwelle ist zu hoch zugunsten der Eltern. Hier könnte sich mit der Aufnahme eines Grundrechts sehr wohl ein Umdenken breit machen, das also dem Staat mehr Befugnisse einräumt, in die Rechte der Eltern einzugreifen zum Schutze der Kinder."
Da ein Gesetzentwurf aus dem Bundesjustizministerium noch nicht vorliegt, ist es für Juristen momentan allerdings schwierig, einzuschätzen, wie ein Kind sein Grundrecht später konkret wahrnehmen könnte, sagt Birgit Niepmann.
"Das hängt wirklich davon ab, wie es ausgestaltet ist. Ich kann mir schwer vorstellen, dass ein Kind gegen seine Eltern Klage erheben kann. Auf der anderen Seite muss man sehen, es ist auch heute schon so, dass sich Kinder an das Gericht wenden können. Ich habe selbst gerade einen Fall, wo zwei Kinder hierhin gekommen sind und mir gesagt haben, das Mädchen möchte jetzt aber beim Vater leben, und das habe ich zum Anlass genommen, um ein entsprechendes Verfahren in Gang zu setzen."
Ein Kindergrundrecht wird die Arbeit von Familiengerichten beeinflussen. Auch Sozialeinrichtungen, die sich um Jugendliche kümmern, warten mit Spannung auf den Koalitionsentwurf. Die Kinder-, Jugend- und Familienhilfe der Ordenswerke des Deutschen Ordens in Bonn betreibt mehrere Mutter-Kind-Einrichtungen in der Region. Leiter Josef Welt ist für eine Verfassungsänderung.
"Die Hilfen zur Erziehung beispielsweise beziehen sich ja auf die sorgeberechtigten Eltern, das heißt das Kind selber hat da ja gar keinen eigenen Rechtsanspruch. Würde der jetzt aber verankert im Grundgesetz, würde das subjektive Recht der Kinder natürlich im Vordergrund stehen als eigener Rechtsanspruch. Das ist schon mal eine ganz andere Position des Jugendlichen oder des Kindes."
Wenn Kinder ein Grundrecht bekommen, sagt Josef Welt, dann könnte das einen Demokratisierungsschub auslösen, weil viele Gesetze vor dem Hintergrund des Kindeswohls ganz anders diskutiert würden.
"Im Moment ist es in Deutschland möglich, dass Eigentumsrechte von benachbarten Bürgern höher gewertet werden als die Planung eines Kindergartens, weil man von dem Kinderlärm gestört wird, das wäre dann so ohne weiteres nicht mehr möglich."
Die Kommunen werden besonders gefordert sein
Wie auch immer die Große Koalition die Kinderrechte in der Verfassung ausformuliert, die Kommunen werden besonders gefordert sein. Sie müssen dann kindergerechte Bebauungspläne erstellen, mehr Bildungseinrichtungen anbieten und in die bessere Ausstattung der Jugendämter investieren.
Ein Kindergrundrecht würde auch die Situation von Flüchtlingskindern in Deutschland stärken. Zwar sind sie nach dem Grundgesetz genauso geschützt wie deutsche Kinder. Aber mit Grundrechten ausgestattet würden sie nicht mehr unter dem Vorbehalt des Ausländerrechts stehen. Sie hätten einen Anspruch, auch dann zur Schule zu gehen, wenn den Eltern die Abschiebung droht. Ein Recht auf ihre Eltern haben Flüchtlingskinder bereits jetzt. Ein Kindergrundrecht würde es der Regierung allerdings deutlich erschweren, den Familiennachzug weiterhin einzuschränken.
Dass die Kinderrechte inzwischen so große Beachtung in Deutschland erfahren, ist vor allem den Vereinten Nationen zu verdanken.
"Vor etwa 50 Jahren haben die Vereinten Nationen zum ersten Mal gesagt, dass Kinderrechte sehr wichtig sind. Und vor etwa 20 Jahren ist aus dieser Erklärung endlich ein richtiger Vertrag geworden. An den müssen sich alle UN-Mitglieder halten."
"Das Übereinkommen, auch UN-Kinderrechtskonvention genannt, hat sehr viele Artikel und Bestimmungen. Vier Artikel sind dabei besonders wichtig."
Dazu gehören:
"Erstens das Recht auf Leben und bestmögliche Entwicklung."
"Und zweitens das Diskriminierungsverbot."
"Drittens hat das Kindeswohl immer Vorrang vor anderen Rechten."
"Und viertens haben Kinder das Recht, dass ihre Meinung gehört wird."
In Deutschland ist die UN-Kinderrechtskonvention seit 1992 in Kraft. Kinderschutzorganisationen beklagen aber, die Konvention sei erst dann vollständig umgesetzt, wenn die Kinderrechte im Grundgesetz stünden.
Neben der Kinderrechtskonvention und dem Grundgesetz regeln in Deutschland folgende Gesetze die Belange der Kinder: Das Jugendschutzgesetz, das Kinder- und Jugendhilfegesetz und das Bürgerliche Gesetzbuch. Darin ist auch das Recht auf gewaltfreie Erziehung verbrieft.
Reichen diese Gesetze aus oder gehören Kinderrechte ins Grundgesetz, darüber streiten die Parteien seit Jahren. Verschiedene Ministerrunden haben das Thema beraten und vertagt. Im März 2017 ist die damals noch rot-grüne Regierung Nordrhein-Westfalens mit einem Initiativantrag im Bundesrat gescheitert. Aber dieser NRW-Antrag dient jetzt als Verhandlungsgrundlage für eine Verfassungsänderung. Artikel sechs des Grundgesetzes, der die Elternrechte beschreibt und die Familie schützt, soll mit einem Absatz zu den Kinderrechten ergänzt werden.
Ein Kindergrundrecht würde auch die Situation von Flüchtlingskindern in Deutschland stärken. Zwar sind sie nach dem Grundgesetz genauso geschützt wie deutsche Kinder. Aber mit Grundrechten ausgestattet würden sie nicht mehr unter dem Vorbehalt des Ausländerrechts stehen. Sie hätten einen Anspruch, auch dann zur Schule zu gehen, wenn den Eltern die Abschiebung droht. Ein Recht auf ihre Eltern haben Flüchtlingskinder bereits jetzt. Ein Kindergrundrecht würde es der Regierung allerdings deutlich erschweren, den Familiennachzug weiterhin einzuschränken.
Dass die Kinderrechte inzwischen so große Beachtung in Deutschland erfahren, ist vor allem den Vereinten Nationen zu verdanken.
"Vor etwa 50 Jahren haben die Vereinten Nationen zum ersten Mal gesagt, dass Kinderrechte sehr wichtig sind. Und vor etwa 20 Jahren ist aus dieser Erklärung endlich ein richtiger Vertrag geworden. An den müssen sich alle UN-Mitglieder halten."
"Das Übereinkommen, auch UN-Kinderrechtskonvention genannt, hat sehr viele Artikel und Bestimmungen. Vier Artikel sind dabei besonders wichtig."
Dazu gehören:
"Erstens das Recht auf Leben und bestmögliche Entwicklung."
"Und zweitens das Diskriminierungsverbot."
"Drittens hat das Kindeswohl immer Vorrang vor anderen Rechten."
"Und viertens haben Kinder das Recht, dass ihre Meinung gehört wird."
In Deutschland ist die UN-Kinderrechtskonvention seit 1992 in Kraft. Kinderschutzorganisationen beklagen aber, die Konvention sei erst dann vollständig umgesetzt, wenn die Kinderrechte im Grundgesetz stünden.
Neben der Kinderrechtskonvention und dem Grundgesetz regeln in Deutschland folgende Gesetze die Belange der Kinder: Das Jugendschutzgesetz, das Kinder- und Jugendhilfegesetz und das Bürgerliche Gesetzbuch. Darin ist auch das Recht auf gewaltfreie Erziehung verbrieft.
Reichen diese Gesetze aus oder gehören Kinderrechte ins Grundgesetz, darüber streiten die Parteien seit Jahren. Verschiedene Ministerrunden haben das Thema beraten und vertagt. Im März 2017 ist die damals noch rot-grüne Regierung Nordrhein-Westfalens mit einem Initiativantrag im Bundesrat gescheitert. Aber dieser NRW-Antrag dient jetzt als Verhandlungsgrundlage für eine Verfassungsänderung. Artikel sechs des Grundgesetzes, der die Elternrechte beschreibt und die Familie schützt, soll mit einem Absatz zu den Kinderrechten ergänzt werden.
Was ist das Beste für ein Kind?
In enger Anlehnung an die UN-Kinderrechtskonvention könnte dort stehen, dass der Staat für kindgerechte Lebensbedingungen sorgt, dass er das Wohl der Kinder maßgeblich berücksichtigt und ihre Meinung mit einbezieht. Ein besonders wichtiger Punkt, denn Kinder wollen gehört werden und mitentscheiden.
"In der fünften Klasse durften nur unsere Eltern entscheiden, ob wir doch jetzt Religion oder Philosophie wählen. Und das ist doch letztendlich unsere Entscheidung."
"Wir finden es auch ganz schön, wenn wir das Thema Schuluniform in Deutschland auch einbinden könnten, weil es doch viele Fälle in einigen Schulen gibt mit Mobbing. Deswegen wollen wir, dass Klamotten nicht mehr so eine große Rolle spielen."
"Unter dem Fußballplatz sollte ein Tunnel gebaut werden, damit die Autobahn da weiter gebaut werden konnte, aber da haben wir dann auch protestiert gegen und sind dann auch ins Rathaus gegangen, und das konnten wir dann auch umsetzen."
"Vielleicht dass Kinder auch einfach mehr ernst genommen werden. Wenn man schon früher das Recht hätte, dann würde man sich auch mehr damit befassen."
Beim Mitspracherecht für Kinder steht Deutschland noch am Anfang, meint Claudia Kittel, die die Monitoring-Stelle zur UN-Kinderrechtskonvention leitet, die am Deutschen Institut für Menschenrechte angesiedelt ist. Die Erwachsenen müssten umdenken.
"Was das Beste für ein Kind ist, das könnte man dann nämlich auch als Erwachsener nicht mehr alleine festlegen, sondern müsste das gemeinsam mit Kindern tun. Und diese Idee der Kinderrechtskonvention, die ist in diese Grundgesetzdebatte weiter und weiter hineingeflossen, und an dem Punkt befinden wir uns jetzt, dass neben dem Kinderschutz vor Gewalt und vor Misshandlung auch dieser ja fast emanzipatorische Gedanke drin steckt, Kindern ein Recht auf Anhörung ihrer Meinung zu geben, das mit ganz verlässlichen Verfahren festgelegt ist."
Diese Verfahren müssen sich erst etablieren. Auf jeden Fall sollte es im Lebensumfeld der Kinder Anlaufstellen geben, an die sie sich direkt wenden können. Claudia Kittel fordert:
"Dass dann also Beschwerdeverfahren in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe einfach flächendeckend gegeben sind, dass dann Beschwerdeverfahren schon in der Kita üblich sind, dass Beschwerdeverfahren in Schulen üblich sind, dass sie, bevor es zu einer gravierenden Verletzung ihrer Rechte kommt, es schon Verfahren und Methoden gibt, dass man ihre Meinung angehört hat und vielleicht auch Abhilfe geschaffen hat bei Problemen."
"In der fünften Klasse durften nur unsere Eltern entscheiden, ob wir doch jetzt Religion oder Philosophie wählen. Und das ist doch letztendlich unsere Entscheidung."
"Wir finden es auch ganz schön, wenn wir das Thema Schuluniform in Deutschland auch einbinden könnten, weil es doch viele Fälle in einigen Schulen gibt mit Mobbing. Deswegen wollen wir, dass Klamotten nicht mehr so eine große Rolle spielen."
"Unter dem Fußballplatz sollte ein Tunnel gebaut werden, damit die Autobahn da weiter gebaut werden konnte, aber da haben wir dann auch protestiert gegen und sind dann auch ins Rathaus gegangen, und das konnten wir dann auch umsetzen."
"Vielleicht dass Kinder auch einfach mehr ernst genommen werden. Wenn man schon früher das Recht hätte, dann würde man sich auch mehr damit befassen."
Beim Mitspracherecht für Kinder steht Deutschland noch am Anfang, meint Claudia Kittel, die die Monitoring-Stelle zur UN-Kinderrechtskonvention leitet, die am Deutschen Institut für Menschenrechte angesiedelt ist. Die Erwachsenen müssten umdenken.
"Was das Beste für ein Kind ist, das könnte man dann nämlich auch als Erwachsener nicht mehr alleine festlegen, sondern müsste das gemeinsam mit Kindern tun. Und diese Idee der Kinderrechtskonvention, die ist in diese Grundgesetzdebatte weiter und weiter hineingeflossen, und an dem Punkt befinden wir uns jetzt, dass neben dem Kinderschutz vor Gewalt und vor Misshandlung auch dieser ja fast emanzipatorische Gedanke drin steckt, Kindern ein Recht auf Anhörung ihrer Meinung zu geben, das mit ganz verlässlichen Verfahren festgelegt ist."
Diese Verfahren müssen sich erst etablieren. Auf jeden Fall sollte es im Lebensumfeld der Kinder Anlaufstellen geben, an die sie sich direkt wenden können. Claudia Kittel fordert:
"Dass dann also Beschwerdeverfahren in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe einfach flächendeckend gegeben sind, dass dann Beschwerdeverfahren schon in der Kita üblich sind, dass Beschwerdeverfahren in Schulen üblich sind, dass sie, bevor es zu einer gravierenden Verletzung ihrer Rechte kommt, es schon Verfahren und Methoden gibt, dass man ihre Meinung angehört hat und vielleicht auch Abhilfe geschaffen hat bei Problemen."
Bei den Kinderrechten gibt es für die Große Koalition noch viel zu tun, das weiß auch Bundesjustizministerin Katarina Barley.
"Ich würde jetzt nicht so weit gehen, zu sagen, dass Deutschland ein kinderfeindliches Land ist, das ist es nicht. Aber in Sachen Kinderfreundlichkeit können wir, glaube ich, durchaus noch eine Schüppe zulegen. Jetzt wird es eben darauf ankommen, wie das ausgestaltet wird, denn wir brauchen ja Zweidrittel-Mehrheiten im Bundestag und im Bundesrat, und da steckt der Teufel ja manchmal noch im Detail."
Noch hat die Bund-Länder-Fachgruppe die Arbeit nicht aufgenommen. Noch will sich niemand in der Bundesregierung zu weit aus dem Fenster lehnen. Elisabeth Winkelmeier-Becker, rechtspolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion:
"Ich denke, eine knappe Ergänzung bei Artikel sechs wäre das, was ich zunächst mal in den Vordergrund stellen würde, aber da ist das letzte Wort auch noch nicht gesprochen."
Kinderrechte im Grundgesetz können strukturelle Probleme wie Kinderarmut nicht lösen, Gewalt und Missbrauch nicht abstellen. Aber, davon ist Unicef-Sprecher Rudi Tarneden überzeugt, ein solches Grundrecht nimmt den Staat anders in die Pflicht als bisher.
"Die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz wäre ein Signal in Richtung mehr Kindergerechtigkeit und an alle, die daran arbeiten, politischen Rückhalt zu geben. Damit würden sich nicht automatisch die Verhältnisse komplett ändern, aber es wäre eine klare Botschaft an alle Handelnden, hier auf die zukünftige Generation stärker zu achten. So etwas wirkt sich langfristig aus, nicht morgen, nicht übermorgen, aber es werden politische Prozesse in Gang gesetzt."