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Nach Kritik an Triell-Moderation
Mehr Erkenntnisgewinn durch Wählerfragen

Nach dem Triell, das von ARD und ZDF übertragen wurde, muss das Moderatorenteam viel Kritik einstecken. Christina Holtz-Bacha findet ohnehin ein anderes TV-Format spannender: Auf die Fragen der Wählerschaft bei Townhall-Sendungen müssten die Kandidaten "viel mehr Farbe bekennen", sagte die Kommunikationswissenschaftlerin im Dlf.

Text: Michael Borgers; Christina Holtz-Bacha im Gespräch mit Christoph Sterz |
Die Moderatoren Oliver Köhr und Maybrit Illner stehen im Fernsehstudio.
Pressefoto vor Beginn des zweiten TV-Triells: Die Moderatoren Oliver Köhr (ARD) und Maybrit Illner (ZDF) im Fernsehstudio (dpa/Michael Kappeler)
"Verlierer des heutigen Abends waren für mich ganz klar die Moderatoren." Es ist ein vernichtendes Urteil, das Andrea Römmele nach Ende des zweiten TV-Triells fällt. Die Debatte sei "schlecht geführt" worden, sagte die Kommunikations- und Politikwissenschaftlerin im Deutschlandfunk eine knappe gute Stunde nach Ende der Sendung. Vor allem über den Anfang habe sie sich geärgert, der "gleich über die Koalitionsfrage" geführt worden sei, so Römmele weiter. Sie hätte sich gewünscht, dass man thematisch einsteige.
Ganz anders dagegen fällt die Bilanz von Eva Quadbeck aus: "Die Debatte ist von Anfang an deutlich schärfer als beim ersten Triell, was auch damit zusammenhängt, dass die Moderatoren Maybritt Illner und Oliver Köhr die Sendung mit klaren Fragen treiben", schreibt die Leiterin des Hauptstadtbüros des "RedaktionsNetzwerk Deutschland" in ihrer Analyse, die in Zeitungen wie dem "Kölner Stadt-Anzeiger" zu lesen ist.

Die Kritik auf Twitter

Wie Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz aus Sicht der Zuschauerinnen und Zuschauer abgeschnitten haben, zeigen schon kurz nach der TV-Debatte die Ergebnisse einer Online-Umfrage an. Das war so schon beim ersten Triell auf RTL und ntv. Die Leistungen der Moderatoren werden, wie auch schon vor zwei Wochen, anders erhoben: in Interviews wie dem mit Andrea Römmele, in journalistischen Rückschauen wie dem von Eva Quadbeck – oder auf Twitter, wo dann mit Likes und Retweets abgestimmt wird - und wo negative Kommentare in der Regel die größte Aufmerksamkeit erzielen.
Das TV-Triell und seine Effekte
Wer das erste TV-Triell für sich entschieden hat, bewerten Medien zum Teil sehr unterschiedlich. Fest steht: Das Format hat einen Effekt auf bestimmte Wahlentscheidungen. Und wichtig ist hierbei auch, wie im Anschluss berichtet wird.
Es gab Tweets von "Bild"-Journalist Paul Ronzheimer und FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die beide kritisierten, dass nicht über Afghanistan (Ronzheimer) bzw. Außen- und Sicherheitspolitik (Strack-Zimmermann) gesprochen wurde. Und "Tagesspiegel"-Redakteur Julius Bretschka bemerkte auf Twitter, dass ARD-Moderator Oliver Köhr zu oft seine ZDF-Kollegin Maybritt Illner unterbrochen habe.

"Ziemliches Chaos"

Ebenfalls auf Twitter, konkret dem Audio-Chat "Spaces", diskutierten Userinnern und User mit den Korrespondentinnen und Korrespondenten des Deutschlandfunk-Hauptstadtstudios Ann-Kathrin Büüsker, Frank Capellan, Stephan Detjen, Katharina Hamberger und Klaus Remme. Auch hier nahm die Triell-Moderation einen großen Raum ein. "Unfassbar schlecht" fand eine Userin/Hörerin "zwei Alpha-Tiere, die sich nicht entscheiden konnten, wer Fragen stellt". Ein zweiter ergänzte: "Ziemliches Chaos."
Auch die Deutschlandfunkjournalistinnen und -journalisten diskutierten die Moderation kontrovers. Der Einstieg sei "unglücklich" (Remme), "langweilig" (Büüsler) oder "gut" (Capellan) gewesen. Im Unterschied zum zweiten Triell bei ARD und ZDF schnitt die Übertragung von RTL/ntv besser ab. Stefan Detjen meinte: "Das öffentlich-rechtlichere von den beiden Triellen haben wir bei den Privaten gesehen." Ann-Kathrin Büüsker fand das RTL-ntv-Triell "deutlich themenorientierter."
Das knapp 75-minütige Gespräch auf Twitter-Spaces gibt es auch als Podcast zum Nachhören:
Wie haben sich die Kandidierenden präsentiert?
Im Anschluss an das zweite TV-Triell haben Dlf-Hauptstadtkorrespondentinnen und -korrespondenten die Debatte ausgewertet – und Zuhörerinnen und Nutzer konnten live auf Twitter mitdiskutieren.

Hat sich das Format Triell überholt?

"Gelernt habe ich nicht so viel", resümierte die Kommunikationswissenschaftlerin Christina Holtz-Bacha von der Universität Erlangen-Nürnberg im Deutschlandfunk. "Vielleicht habe ich die Kandidaten und die Kandidatin etwas besser kennen gelernt." Grundsätzlich seien die Inhalte der Duelle auch eine Frage der Abstimmung im Vorfeld mit den einzelnen Sendern. Bei diesen Absprachen sorgten die Parteien dafür, dass "jeder sein Thema einbringen kann". Insgesamt habe sie sich aber "manches Mal gewünscht, dass die Moderatoren nachfragen".
Als positives Beispiel für mehr Erkenntnisgewinn nennt Holtz-Bacha ein sogenanntes Townhall-Format wie die "Wahlarena" in der ARD, wo Wählerinnen und Wähler Fragen stellen können: "Das ist viel lehrreicher, da geht es geht es mehr um die alltäglichen Probleme der Wählerschaft." Kandidaten müssten hierbei "viel mehr Farbe bekennen", betont die Kommunikationswissenschaftlerin, die zu den Effekten von Wahlkampf-Berichterstattung forscht.
Wahlkampf als politisches Pferderennen
Die umfragengetriebene Berichterstattung in diesem Wahlkampf weckt bei manchen Beobachtern Assoziationen mit einem Pferderennen. Politische Journalisten klingen mitunter wie Sportreporter. Inhalte kämen dabei aber zu kurz.
Hat sich das Triell als Format also überholt? Das findet Holtz-Bacha nicht. Im Gegensatz zu den "sehr zivilisierten" und "langweiligen" Duellen der vergangenen Wahlkämpfe sei das Triell nun "etwas munterer" gewesen. Nun stelle sich allerdings vor dem dritten Triell auf Sat1 und ProSieben die Frage: "Können wir noch einen Erkenntnisgewinn erwarten?"