Eine Woche nach der Veröffentlichung der internationalen Enthüllungsgeschichte, wer Alexej Nawalny vergiften wollte, wurde dessen Mitstreiterin Lubow Sobol am Abend in Moskau festgenommen. Sie hatte an den Recherchen teilgenommen und am Montag vor einer Woche einen der acht mutmaßlich beteiligten FSB-Mitarbeiter aufgesucht. Sie und ihre Kollegen hatten am Morgen vor der Veröffentlichung des aufsehenerregenden Berichts vorige Woche zeitgleich versucht, die Agenten des Inlandsgeheimdienstes telefonisch zu erreichen, auch Nawalny rief an:
"Konstantin Borisowitsch. Ich heiße Maksim Sergejewitsch Ustinow. Ich bin der Assistenz von Nikolai Patruschew."
Mit diesen Worten stellte sich der Oppositionspolitiker bei dem FSB-Mann Konstantin Kudrawzew vor. Der hätte in einem 45-minütigen Gespräch so viel erzählt, dass Nawalny eine Fortsetzung der Enthüllungsgeschichte präsentierte.
Enthüllende Nachfrage per Telefon
Für einen Rapport solle er, der angebliche Assistent des Chefs des Sicherheitsrates, bei den FSB-Kollegen nachfragen, warum die Vergiftung Nawalnys fehlgeschlagen war.
Beide gingen mögliche Fehlerquellen durch. Die Dosierung des Giftes sei zu ungenau gewesen, war von dem FSB-Mann zu hören. Der als Konstantin Kudrawzew vorgestellte Mann bestätigte auch, dass das Flugzeug zu früh gelandet sei:
"Wenn es später gewesen wäre, wäre das anders geendet. Und dann kam ja der Rettungswagen, und sie haben diese Maßnahmen ergriffen, entsprechend der Instruktionen, wie bei solchen Symptomen zu verfahren ist."
Das Gift sei in der Unterhose, blauen Boxershorts, aufgetragen worden. Später habe man Nawalnys gewaschene Sachen in einem Karton bei den FSB-Kollegen in Omsk abgegeben.
Putin startete Ablenkungsmanöver
Der 44-jährige Korruptionsjäger Nawalny hat das Telefonat von Deutschland aus geführt. Für den russischen Präsidenten Putin ist sein Opponent nur "der Patienten in der Berliner Klinik" oder der bekannte Blogger. Putin hatte bei seiner Jahrespressekonferenz am Donnerstag jegliche Schuld abgewehrt und ein Ablenkungsmanöver gestartet: Nicht den russischen, sondern den amerikanischen Geheimdienst müsse man sich genauer ansehen.
"Das ist keine Recherche, das ist eine Legalisierung des Materials des amerikanischen Geheimdienstes. Dieser Patient dieser Berliner Klinik nutzt die Unterstützung des Geheimdienstes der USA. Unsere Geheimdienste sollten auf ihn achtgeben. Aber das bedeutet nicht, dass man in vergiften musste, wer hat das gebraucht? Und wenn man es wollte, warum führte man es nicht zu Ende?"
Wenige Stunden nach Bekanntwerden des neuen Nawalny-Videos bezog die Polizei Stellung vor dem Wohnhaus des befragten FSB-Mannes. Das hatte Nawalnys Mitarbeiterin Ljubow Sobol bei Twitter veröffentlicht. Ihre Festnahme später am Abend filmte die Aktivistin ebenso. Der FSB erklärte zu dem Telefonat, dass es sich um eine Fälschung handele. Die "sogenannten Untersuchungen" Nawalnys seien eine "geplante Provokation zur Diskreditierung des russischen FSB". Es würden Ermittlungen eingeleitet, schrieb die Staatliche Nachrichtenagentur Ria Nowosti.