Archiv

Nach Papst-Messe zu Armeniern
Türkei bestellt Vatikan-Botschafter ein

Bis zu 1,5 Millionen Armenier wurden vor 100 Jahren im Osmanischen Reich ermordet. In einer Messe in Rom bezeichnete Papst Franziskus die Armenier nun als Opfer des "ersten Völkermords im 20. Jahrhundert". Ankara reagierte scharf – und bestellte umgehend den päpstlichen Nuntius ins türkische Außenministerium.

    Papst Franziskus während einer Sondermesse für armenische Katholiken in der Basilika des Petersdomes
    Papst Franziskus: Politischer Eklat mit der Türkei (picture alliance / dpa / EPA / GIORGIO ONORATI)
    Die Türkei hat ihren Botschafter beim Vatikan zur Berichterstattung zurückgerufen. Zugleich wurde der Vertreter des Heiligen Stuhls in der Türkei ins Außenministerium einbestellt. Wie das Außenministerium in Ankara mitteilte, wurde der Vertreter des Vatikan, Erzbischof Antonio Lucibello, noch für den Sonntag einbestellt. Dem Gesandten solle deutlich gemacht werden, dass man die Worte des Papstes missbillige, sagte ein Sprecher. Außenminister Mevlüt Cavusoglu warf dem Papst vor, "Hass" zu schüren. In einer Protestnote heißt es, Franziskus widerspreche den "Friedensbotschaften" seines Türkei-Besuches vom November. Auch über den Kurznachrichtendienst Twitter bekundete Cavusoglu sein Missfallen über die Papstäußerungen. Diese seien nicht "hinnehmbar" und "religiöse Ämter nicht der Ort, mit haltlosen Vorwürfen Feindschaft und Hass zu schüren".
    Papst: "drei unerhörte Tragödien im 20. Jahrhundert"
    Franziskus hatte in einer Messe am Sonntagvormittag in Rom zum Gedenken an die Verfolgung der Armenier im Osmanischen Reich gesagt, es habe sich um den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts gehandelt. "Unsere Menschheit hat im vergangenen Jahrhundert drei große, unerhörte Tragödien erlebt", sagte der Pontifex bei der Sondermesse für armenische Katholiken in der Basilika des Petersdomes. "Die erste, die allgemein als der erste Genozid des 20. Jahrhunderts angesehen wird, hat euer armenisches Volk getroffen - die erste christliche Nation -, zusammen mit den katholischen und orthodoxen Syrern, den Assyrern, den Chaldäern und den Griechen." Die beiden anderen Völkermorde des 20. Jahrhunderts seien von Nationalsozialismus und Stalinismus begangen worden.
    Missstimmungen schon 2013
    Bereits 2013 hatte der Vatikan den Begriff "Völkermord" für das Massaker an den Armeniern verwendet. Das türkische Außenministerium hatte die Äußerungen auch damals scharf kritisiert und als "inakzeptabel" bezeichnet. Zudem warnte es den Vatikan davor, "irreparable" Schäden in den bilateralen Beziehungen zu verursachen. Vom Pontifikat werde erwartet, zum Weltfrieden beizutragen, statt Feindseligkeiten über historische Ereignisse zu schüren, hieß es damals weiter.
    Während des Ersten Weltkriegs wurden Millionen Armenier aus dem Osmanischen Reich vertrieben, viele von ihnen wurden ermordet. Historiker schätzen die Zahl der Opfer auf bis zu 1,5 Millionen. Die Türkei setzt die Zahl deutlich niedriger an und weist den Begriff des Völkermordes zurück. Die Getöteten seien Opfer von Bürgerkrieg und Unruhen während des Ersten Weltkrieges gewesen.
    (tön/nza)