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"Nach Personalwechsel nicht zur Tagesordnung übergehen"

Der scheidende bayerische Landtags-Präsident Alois Glück begrüßte den Verzicht Thomas Goppels (CSU) und Joachim Herrmanns (CSU) auf eine Kandidatur für das Amt des Ministerpräsidenten in Bayern. Eine Kampfabstimmung unter mehreren CSU-Kandidaten hätte weitere Verwerfungen in der Partei bedeutet. Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer soll heute - als einziger Kandidat - für das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten nominiert werden.

Alois Glück im Gespräch mit Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Heute die endgültige Entscheidung im bayerischen Erbfolgekampf. Nach dem späten Rückzug der beiden Gegenkandidaten Goppel und Herrmann gibt es keine vernünftigen Zweifel mehr an der Nominierung von Horst Seehofer. Doch trotz dieses personalpolitischen Befreiungsschlages bleibt die CSU schwer angeschlagen.

    Der Verlust der absoluten Mehrheit steckt in den Knochen und im Hintergrund tobt ein heftiger landsmannschaftlicher Streit: Franken gegen Altbayern. Eine gewaltige Herausforderung für den neuen starken Mann der CSU. Der designierte neue Ministerpräsident und Parteivorsitzende muss die innerparteilichen Risse kitten. Zusätzlich gibt es Kritik am Ende der Doppelspitze. Partei und Land in einer Hand, dieses Motto wird von so manchem in Zweifel gezogen, etwa vom scheidenden bayerischen Landtagspräsidenten Alois Glück. - Guten Morgen nach München!

    Alois Glück: Guten Morgen.

    Heinlein: Herr Glück, seit über 30 Jahren sitzen Sie im bayerischen Landtag. Nun sagen Sie also "Servus". Fällt Ihnen der Abschied in diesen Tagen besonders schwer oder besonders leicht?

    Glück: Ich habe ja für mich diesen Abschied seit langem geplant. Nach 38 Jahren Landtag ist es genug. Aber natürlich bin ich in Sorge über die aktuelle Situation der CSU. Das betrifft einmal natürlich das Wahlergebnis als solches. Es ist eine große Zäsur. Momentan ist es nicht sehr gut gelaufen in der letzten Woche, wie dann die Reaktionen waren, wie wir die Situation bewältigt haben.

    Ich denke, dass heute wichtige Weichenstellungen erfolgen und dass dann wieder eine entsprechende vorwärts orientierte Arbeit beginnen muss, nach innen im Zusammenführen von Konfliktfeldern, die aufgetaucht sind, und in der Sache natürlich. Wir sind dem Land verpflichtet und nicht unserer eigenen Nabelschau.

    Heinlein: Sind Sie denn froh, aus Sorge um Ihre Partei, dass der CSU heute eine Kampfabstimmung erspart bleibt?

    Glück: Ja. Natürlich war es notwendig, sich im Vorfeld in einer solchen Frage zu verständigen. Ich habe das auch persönlich dringend empfohlen und vielleicht noch ein bisschen was dazu getan, denn in einer solchen Situation oder generell bei einer solchen Entscheidung mit sogenannten Kampfabstimmungen die Lösungen zu suchen, bringt ja Verwerfungen, schafft Schwierigkeiten für die weitere Arbeit. Insofern ist es gut, dass gestern so entschieden wurde.

    Heinlein: Sie haben etwas dazu getan, um eine Kampfabstimmung zu verhindern, sagen Sie. Mussten denn Goppel und Herrmann zum Rückzug gezwungen werden, oder sind sie am Ende freiwillig gegangen?

    Glück: Nein. Die sind nicht gezwungen worden und es wäre falsch gewesen, sie zu zwingen. Aber sie haben beide gesagt, wir leisten unseren Beitrag, dass wir jetzt miteinander die Wegstrecke angehen können.

    Heinlein: Welchen Preis wird denn Horst Seehofer für den doppelten Rückzug zahlen? Irgendwelche Partei- oder Regierungsposten für Goppel und Herrmann wird es ja schon geben oder?

    Glück: Ich war nicht dabei und ich weiß nicht, ob es Zusagen dieser Art gibt. Beide zählen sicher auch für den weiteren Weg zu Leistungsträgern. In welchen Funktionen und Aufgaben, das ist zunächst einmal zweitrangig.

    Heinlein: Reden wir über Horst Seehofer, Herr Glück. Er tritt nun in die Fußstapfen von Strauß und Stoiber in einer Doppelfunktion. Kann er denn diese Rolle ausfüllen?

    Glück: Es ist eine große Herausforderung. Er kann sie schon ausfüllen mit einer guten Teamarbeit. Er kann das nicht alleine leisten; das ist selbstverständlich. Die große Stärke in der Situation ist für die CSU: Sie ist inhaltlich geschlossen. Wir sind ja in einer völlig anderen Situation wie die SPD, die auch die Personalfragen und die Veränderungen in Personalentscheidungen betreffen, nicht irgendwelche Richtungsentscheidungen.

    Die Partei ist in sich gefestigt. Wir sind sehr stabil in den Orts- und Kreisverbänden, in der Kommunalpolitik, und wir sind es in der Gesamtverfassung. Insofern ist dies nicht eine Erschütterung der Grundfeste und deswegen sind alle Voraussetzungen gegeben, sich aus dem Tief herauszuarbeiten. Es müssen alle natürlich die Signale der Zeit verstehen und vor allen Dingen muss man gründlicher als es bislang erfolgt ist die Ursachen von diesem Wahlergebnis analysieren. Es wäre fatal, wenn man jetzt einige Sündenböcke gefunden hat und denkt, man kann zur Tagesordnung übergehen. Den entscheidenden Anteil an dem Wahlergebnis haben nicht Günther Beckstein oder Erwin Huber.

    Heinlein: Warum, Herr Glück, jetzt dieses Vertrauen, ja fast diese Seehofer-Euphorie? Vor einem Jahr ist er ja bei den Wahlen zur Stoiber-Nachfolge mit Glanz und Gloria durchgefallen. Nun soll er der letzte Trumpf der Partei sein. Das passt irgendwie nicht zusammen.

    Glück: Ich denke nicht, dass es eine Seehofer-Euphorie gibt. Aber was natürlich in der Partei jetzt gesucht wird, was man für besonders notwendig hält, ist eine starke Führungspersönlichkeit und jemand, der die Positionen der CSU gut kommunizieren kann. Beides wird mit Horst Seehofer verbunden. Darüber hinaus ist in beträchtlichen Teilen der Partei die Einschätzung da, in dieser Situation sei es eben besser, beide Positionen miteinander zu verbinden. Insofern hat dieses Ergebnis letztlich diese innere Logik und damit können wir in der Tat gut in die Zukunft gehen. Aber die eigentlichen Herausforderungen stehen natürlich erst bevor. Nur die kann man meistern, wenn jetzt mit Schulterschluss und mit Loyalität zusammengearbeitet wird.

    Heinlein: Sie haben, Herr Glück, in den letzten Tagen aber anders geredet und für die Beibehaltung der Doppelspitze plädiert. Nun kommt es anders. Welche Konsequenzen hat das für Ihre Partei?

    Glück: Die CSU hat mit beiden Situationen gute Erfahrungen gemacht, auch dann wieder schwierige Erfahrungen gemacht. Das heißt, in der Trennung der Ämter: Es waren mit die größten Zeiten auch für die CSU, Goppel/Strauß beispielsweise. Und auch später die Doppelspitzen Streibl/Waigel, Stoiber/Waigel. Wir hätten damals den Prozess der Wiedervereinigung, die ganze EU-Politik kaum so meistern können, wenn die beiden Ämter in einer Person verbunden gewesen wären. Wir haben aber auch sehr gute Erfahrungen gemacht in der Bündelung bei Strauß, bei Edmund Stoiber.

    Es ist immer situationsbezogen: einmal mit Blick auf die Persönlichkeiten, die zur Verfügung stehen, und die politischen Aufgaben. Insofern ist das jetzt nicht eine grundsätzlich veränderte Situation für die CSU.

    Heinlein: Ein Argument für die Beibehaltung der Doppelspitze war ja, man muss in Berlin einen starken Mann haben, damit er dort Gehör findet. Ist dies nun in Gefahr? Die CSU rückt ins zweite Glied. Diese Forderungen, den Sonderstatus der CSU zu verändern, gibt es ja zum Beispiel von Seiten der CDU in Baden-Württemberg.

    Glück: Da darf ich zunächst einmal sagen, die CDU in Baden-Württemberg oder in NRW oder woher immer vielleicht solche Töne kommen sollen zuerst ihre nächste Landtagswahl endlich gut bestehen, wie die CSU sie bestanden hat, und dann können wir darüber weiter reden. Die CSU hat über lange Zeit hinweg in der tiefen Krise der CDU die Union stabilisiert und es wäre der CDU ohne CSU sehr schlecht gegangen. Deswegen halte ich alle diese Töne für Kraftmeierei und sie sind völlig unangebracht.

    Wir werden unsere Rolle in Berlin wahrnehmen. Auch Horst Seehofer wird sie wahrnehmen. Die Landesgruppe, die Kabinettsmitglieder und die CDU braucht eine starke CSU. Vielleicht ist das auch Frau Merkel erst nach dieser Wahl richtig bewusst geworden, denn vor der Wahl hatten wir nicht unbedingt den Eindruck, dass ein sehr starkes Engagement für das Wahlergebnis in Bayern da ist, wenn wir sehen, welche Steuervergünstigungen jetzt richtigerweise beschlossen worden sind, aber vorher sehr wenig Entgegenkommen da war. Es wird der CDU, glaube ich, jetzt klar geworden sein, was es bedeutet, wenn die CSU dauerhaft geschwächt wäre.

    Heinlein: Herr Glück, für eine starke CSU braucht es die Geschlossenheit der Partei, haben Sie mehrfach betont. Doch es gibt ja diesen landsmannschaftlichen Graben zwischen Franken und Altbayern. Wie groß ist dieses Problem oder wird dieses Problem für Ihre Partei?

    Glück: Das ist also jetzt kein Fundamentalproblem. Es ist primär durch einige Stimmen aus dem Bezirksverband Oberbayern durch ein nicht gerade sehr gelungenes Agieren in der letzten Woche einiges aufgerissen worden, auch die Art, wie zum Teil mit Günther Beckstein umgegangen wurde, der nun eine Identifikationsfigur auch für Franken war und ist. Aber das kann man wieder, da das alles eigentlich sehr gut zusammengewachsen war, mit klugem Vorgehen sehr bald wieder bereinigen. Dieses Zusammenwachsen muss dann aber auch wieder gepflegt werden.

    Heinlein: Was heißt denn "ein kluges Vorgehen"? Der landsmannschaftliche Proporz wird bei der Ämtervergabe berücksichtigt?

    Glück: In einem gewissen Umfang muss die CSU immer darauf schauen, dass sie auch im Land entsprechend vertreten ist. Das erwarten die Bürgerinnen und Bürger, die Oberfranken oder die Niederbayern oder wer auch immer, dass sie auch in München Stimme und Gesicht haben. Aber es geht nicht jetzt um die Postenverteilung, sondern um ein vernünftiges Aufeinanderzugehen. Die Situation muss in offenen Gesprächen aufgearbeitet werden und dann ist das auch wieder eine in sich stabile Situation.

    Heinlein: Dieser Proporz wird sich aber schon wiederfinden in der Postenverteilung. Es gibt ja einiges zu bereden heute, etwa den Fraktionschef oder auch Ihre Position, der künftige Landtagspräsident.

    Glück: Das wird sich einmal ausrichten nach den geeigneten Persönlichkeiten und im Gesamtgefüge all der Aufgaben müssen sich die Landsmannschaften in Bayern auch irgendwo wieder vertreten sehen, im Gesamtgefüge hier in München. Dafür gibt es viele Möglichkeiten.

    Heinlein: Wäre Günther Beckstein ein guter Landtagspräsident?

    Glück: Günther Beckstein hat sich entschieden, keine neue Aufgabe zu übernehmen.

    Heinlein: Und Erwin Huber ein guter Fraktionschef?

    Glück: Das muss erst beraten werden und es wird sich dann zeigen, welche Personalkonstellationen sich ergeben.

    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen der scheidende bayerische Landtagspräsident Alois Glück. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach München.

    Glück: Bitte sehr. Auf Wiederhören!