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Kommentar zu Leopard-2-Panzer
Die gefährliche Haltungslosigkeit des Kanzlers

Bundeskanzler Olaf Scholz finde oft die richtigen Worte der Verurteilung Putins, aber selten die dazu passenden Taten, kommentiert Marcus Pindur. Das internationale Ansehen Deutschlands leide unter der Haltungslosigkeit des Kanzlers.

Ein Kommentar von Marcus Pindur |
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht in Brüssel zu den Medien
Bundeskanzler Olaf Scholz ziehe seit Beginn des Krieges überfällige Entscheidungen in die Länge, kommentier Marcus Pindur (Virginia Mayo / AP / dpa / Virginia Mayo)
Der Kanzler bestimmt die Richtlinien der Politik. So heißt es jedenfalls im Grundgesetz. Das gilt aber auch für den Fall, dass der Kanzler die Richtlinien der Politik nicht bestimmt, so, wie es auf der großen Tagung der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe beim Thema „Leopard-2“ der Fall war. 
Der frischgebackene Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte einen denkwürdigen Auftritt vor der Presse. Journalisten nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus den USA, Polen und Skandinavien interessierten sich für den Neuling. Und alle wollten nur eines wissen: Wird Deutschland Leopard-2-Panzer an die Ukraine liefern, und: Lässt Deutschland zu, dass andere Staaten der Ukraine aus ihren Beständen Leopard-Panzer liefern? 
Pistorius bewältigte seinen ersten internationalen Presseauftritt mit großer Routine und Professionalität. Spontan antwortete er den internationalen Medien auf Englisch. Souverän und weltgewandt wirkte der Neue. Zehn Jahre hat Pistorius das niedersächsische Innenministerium geleitet, doch kein Hauch Provinzialität haftet an ihm. 
Das alles konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Pistorius nichts zu verkünden hatte. Keine Entscheidung für den Leopard-2, keine Entscheidung gegen ihn. Einfach nur: Keine Entscheidung. Man hätte denken können, dass die seit langem terminierte Konferenz der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe ein Anlass für eine solche Entscheidung gewesen sein könnte.
Er habe erst einmal eine Prüfung in Auftrag gegeben, wie viele Leopard-2 verfügbar seien, so Pistorius. Auf ungläubige Nachfragen von Journalisten, warum das nicht längst bekannt sei, ruderte der Kommunikationsprofi elegant zurück: Seine Generäle hätten da sicherlich schon was parat, so Pistorius.
Und da sind wir – neuer Verteidigungsminister mit großen kommunikativen Fähigkeiten hin oder her – beim Kern des Problems. Bundeskanzler Scholz zieht seit Beginn des Krieges überfällige Entscheidungen in die Länge oder stellt Hindernisse auf, wo keine sind. Erst konnten die Ukrainer schwere Waffen nicht gebrauchen, dann konnten sie sie nicht bedienen, dann gab es angeblich in der NATO eine Übereinkunft, nicht im Alleingang zu liefern, was später verschämt vom Verteidigungsministerium dementiert wurde.
Immer wieder bemühte das Kanzleramt das Mantra, es dürfe keine deutschen Alleingänge geben. Heute ist aber Deutschland aufgrund seiner Verzögerungstaktik auf einem Alleingang. Die wichtigsten europäischen Partner, Großbritannien, Frankreich und Polen, drängen Deutschland zur Lieferung von Panzern. Die USA haben längst grünes Licht gegeben. 

Scholz erklärt sich nicht

Auch unter sachlichen Gesichtspunkten ist der Leopard-2 eine gute Wahl – er ist stabil, erprobt und in großer Zahl in Europa vorhanden. Er gilt als einer der besten Panzer der Welt und den im Einsatz befindlichen russischen Panzern überlegen.
Immer wieder hat Scholz in der Vergangenheit vorgebracht, die Lieferung von schweren Waffen könne den Krieg eskalieren.  Die Gräueltaten russischer Truppen an der ukrainischen Zivilbevölkerung und die systematische Zerstörung ziviler Infrastruktur lassen diesen Einwand nur noch als hohl erscheinen. Die Ukraine eskaliert nicht, Putin tut dies nach Belieben.
Warum tut sich Bundeskanzler Scholz so schwer damit, der Ukraine rasch und unseren Möglichkeiten entsprechend zu helfen? Ist es die Rücksicht auf die SPD-Wählerschaft? Ist es die Hoffnung, mit Putin nach diesem Krieg wieder reden zu können, wenn Deutschland sich jetzt Zurückhaltung auferlegt? Wir wissen es nicht und Scholz erklärt sich auch nicht. Er findet oft die richtigen Worte der Verurteilung Putins, aber selten die dazu passenden Taten. Das internationale Ansehen Deutschlands leidet unter der Haltungslosigkeit des Kanzlers. Wie lange noch?