Das Licht bleibt immer sein Leitelement. Im Prosastück "Wasser der Sauve, Wasser des Lez" beschreibt er gleich zu Beginn, wie Felsen und Wasser ganz von der Qualität des Lichtes bestimmt werden. Das Licht wird ihm hier gar zur Festung, an die er sich -wie er schreibt - lehnen und an die er sich schmiegen könne.
Im Gedicht "Lekythos" bekennt er seinen Glauben, wonach es nach dem Zerreißen aller irdischen Bande keine andere Hilfe gebe als einen Überfluß an Licht. Nach dem Tod einer Freundin, den er in "Die leere Loggia" beschreibt, erahnt er das Jenseits als - wie er es formuliert - "Eine Art Exil, eine Art Gefangenschaft im Licht". Und in "Zwei Entwürfe" sagt er unmißverständlich: "Ja, das Licht ist es, was um jeden Preis bewahrt werden muß." Licht bedeutet ihm Leichtigkeit in jeder Existenz, Klarheit und Einheit mit dem gesamten Sein. Poesie ist für ihn Licht, und Licht ist Poesie.
Wie sein südfranzösischer Nachbar und Zeitgenosse Francis Ponge versucht er die Existenz der Dinge zu begreifen, indem er sie mit Worten förmlich einkreist, bis aus den Worten und Sätzen die bezeichnete Sache vor den Augen des Lesers erscheint. Auf diese Weise nähert er sich in knappen Sequenzen den Pfingstrosen, den Flüssen Sauve und Lez, der Landschaft am Col de Larche.
Der Blick auf die Dinge führt ihn immer wieder zu ihrer metaphysischen Verbindung. Im Text "Die leere Loggia" gibt der Unfalltod einer Freundin den Anlaß, über das Jenseits und die materielle Vergänglichkeit der irdischen Existenz zu reflektieren. Und im vielleicht schönsten Stück mit dem Titel "Weiler" variiert Jaccottet scheinbar beiläufig das Motiv der Schwelle. Sie ist ein Symbol des Übergangs, von einem Raum zum andern, vom Inneren zum Äußeren oder auch von einer alten Daseinsform zu einer neuen. Der Text beginnt mit einem Traum von einem Spaziergang zu einer Gruppe von Gehöften an einem Sonntagmorgen. Absichtslos geleitet ihn dann die Phantasie von einem Mädchenfest an diesem Ort zur unsichtbaren Schwelle, die diese Mädchen bei ihrem Verschwinden überschreiten. Jaccottet stellt sich einen Zustand der Wunschlosigkeit vor, ein Dasein ohne Begierden, das jenseits dieser Schwelle liegt. Es ist die Vision von einem reinen, völlig gegenstandlosen Dasein ohne Farben, Formen, Bewegungen oder Gerüchen. Doch das Überschreiten der Daseinsschwelle bleibt ein Traum, ein Gedankenspiel, das von der realen Gegenwart des Weilers ausgelöst wurde, und nur die Gehöfte und das Leben mit allen Freuden und Leiden bleiben nach dem Traum irdische Realität.
Die Phantasien und die Poesie Philippe Jaccottets erzählen allerdings von der Möglichkeit, zumindest in seltenen traumhaften Augenblicken, das ganze Dasein in einem anderen, helleren Licht zu sehen.