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Nach Terrorangriff in London
Polizei gibt Namen des dritten Attentäters bekannt

Die Polizei hat inzwischen alle drei Attentäter identifiziert. Die Festgenommenen ließ sie wieder frei. Derweil wirft der Terrorismus-Experte Peter Neumann der britischen Premierministerin May London schwere Versäumnisse vor. Zwei Tage vor der Parlamentswahl gerät sie immer weiter unter Druck.

    Ein Polizeibeamter patrouilliert auf einer Straße nahe der London Bridge
    Bewaffnete Polizei patrouilliert nach dem Anschlag in London. (AP Photo/Alastair Grant)
    Die britische Polizei hat den dritten Täter identifiziert. Wie Scotland Yard mitteilte, handelt es sich bei dem Mann um einen 22-jährigen Italiener marokkanischer Herkunft, der zuletzt in Ost-London gelebt habe. Die beiden anderen Attentäter waren bereits zuvor identifiziert worden.
    Mindestens einer von beiden war den Sicherheitsbehörden seit Längerem bekannt. Bei ihm handelt es sich um einen 27-jährigen Briten pakistanischer Abstammung. Sowohl die Polizei als auch der Inlandsgeheimtienst MI5 waren über den Mann informiert, nach Angaben unseres Korrespondenten hatten Nachbarn vor einer Radikalisierung des Mannes gewarnt. Britischen Medien zufolge war er vergangenes Jahr auch in einer britischen Fernsehdokumentation mit dem Titel "Die Dschihadisten von nebenan" zu sehen.
    Den zweiten Täter beschreibt die Polizei als 30-Jährigen mit marokkanischen und libyschen Wurzeln. Zur Identität des dritten Terroristen ist nichts bekannt, hier werde nach wie vor geprüft, hieß es. Der Chef der nationalen Anti-Terror-Polizei, Rowley, bat die Öffentlichkeit in der Erklärung um Hinweise auf die Attentäter und "ihre Bewegungen in den Tagen und Stunden vor dem Angriff".
    Bekannter Prediger konnte unbehelligt dutzende Leute rekrutieren
    Der Terrorexperte Peter Neumann vom Londoner King's College sagte im Deutschlandfunk, die drei Attentäter hätten sich durch einen bekannten Prediger radikalisiert, der erst 2015 wegen Unterstützung des IS angeklagt worden sei. Es sei ein schweres Versäumnis der damaligen Innenministerin May gewesen, dass dieser Mann so lange unbehelligt geblieben sei - obwohl er dutzende Leute rekrutiert habe. Die Täter hätten sich durch dieses Netzwerk radikalisiert, den Anschlag aber wohl auf eigene Faust begangen.
    Peter Neumann, Direktor des "International Centre for the Study of Radicalisation" am Londoner King‘s College.
    Peter Neumann, Direktor des "International Centre for the Study of Radicalisation" am Londoner King‘s College. (imago / IPON)
    Am Samstag Abend waren die drei Attenäter auf der London Bridge mit einem Lieferwagen in eine Menschenmenge gerast, anschließend stachen sie im angrenzenden Ausgehviertel Borough Market wahllos auf Pubbesucher und Restaurantgäste ein. Sieben Menschen wurden getötet, 48 weitere wurden verletzt, 18 von ihnen schweben weiter in Lebensgefahr. Die drei Attentäter wurden von der Polizei erschossen.
    Gedenkminute für die Opfer
    Am Mittag soll in Großbritannien mit einer landesweiten Schweigeminute der Opfer des Anschlags gedacht werden. In allen Regierungsgebäuden werde Stille herrschen, teilte das Büro von Premierministerin May mit. Die Flaggen in der Hauptstadt sollen bis zum Dienstagabend auf Halbmast bleiben. Gestern Abend erinnerten in London mehrere Tausend Menschen mit einer Mahnwache an die Opfer. Londons Bürgermeister Khan dankte den vielen Bürgern, die den Verletzten selbstlos zur Hilfe gekommen seien. Er rief der Menge zu: "Das ist unsere Stadt, das sind unsere Werte, und das ist unsere Lebensart". Er kündigte an, der Terrorismus werde besiegt.
    Der Wahlkampf für die vorgezogene Parlamentswahl am kommenden Donnerstag wurde nach einem Tag Unterbrechung wieder aufgenommen. Einer Umfrage zufolge liegen die konservativen Tories von Premierministerin May nur noch einen Prozentpunkt vor der oppositionellen Labour-Partei. Die innere Sicherheit ist zum dominierenden Wahlkampfthema geworden.
    Terrorexperte: May liefert "starke Worte, wenig dahinter"
    May kündigte an, den radikalen Islam aus der britischen Gesellschaft "auszurotten". Sie stellte dazu einen Vier-Punkte-Plan vor, unter anderem plant sie eine schärfere Internet-Überwachung. Terrorexperte Neumann bezeichnete Mays Ankündigung als "starke Worte, wenig dahinter". Großbritannien habe bereits eine Anti-Terror-Strategie, wie in vielen anderen Ländern fehle es aber an Personal. Zudem liefen die Forderungen nach mehr Überwachung im Internet in diesem Fall ins Leere, da sich die Attentäter nicht über das Internet radikalisiert hätten, sondern von Angesicht zu Angesicht bei einem Prediger.
    May selbst muss sich fragen lassen, warum die britischen Sicherheitskräfte die Serie von Terroranschlägen nicht stoppen konnten. Herausforderer Corbyn forderte den Rücktritt der Premierministerin. Als Innenministerin sei sie dafür verantwortlich gewesen, dass es heute 20.000 Polizisten weniger gebe als 2010. Die Bürger könnten das korrigieren, indem sie May abwählten.
    Bosbach: "Niemanden mit ungeklärter Identität ins Land lassen"
    Der CDU-Politiker Bosbach forderte im Kampf gegen internationalen Terror, die rechtlichen Möglichkeiten konsequenter anzuwenden. Im Falle von Gefährdern wie Anis Amri sei die sogenannte Abschiebungsanordnung ein wirksames Mittel, sagte Bosbach im Deutschlandfunk . Diese sei in den vergangenen 12 Jahren aber gerade mal in zwei Fällen angewandt worden.
    Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach.
    Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach. (imago / Sven Simon)
    Bosbach plädierte auch für eine Überwachung von Messenger-Diensten. Diese seien bei der terroristischen Kommunikation momentan das größere Problem als das Internet. Zudem plädierte Bosbach für eine stärkere Einreise-Kontrollen. Es gehe darum, niemanden mehr "mit völlig ungeklärter Identität und Nationalität" ins Land zu lassen: "Wir müssen wissen, wer zu uns kommt."