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Nach Trump-Sieg
US-Blogs - Zwischen Sarkasmus und Selbstanalyse

Fast eine Woche ist es her, dass Donald Trump die US-Präsidentschaftswahl gewonnen hat. Und er bestimmt nach wie vor die Nachrichten weltweit. Während viele europäische Beobachter noch immer Untergangsszenarien nachhängen, blicken die US-Publizisten bereits nach vorn - wenn auch mit bemühter Gelassenheit.

Von Katja Ridderbusch |
    Zeitungen mit Titeln zur US-Wahl und dem Sieg von Donald Trump
    Amerikas politische Bloggerszene sucht ihre Stimme: zwischen Unwohlsein und Pragmatismus - und einer noch etwas bemühten Gelassenheit. (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    "We want to do everything we can to help you succeed." Er und sein Team würden alles tun, um Donald Trump bei der Übertragung der Amtsgeschäfte zu helfen, sagte US-Präsident Barack Obama nach dem ersten Treffen mit seinem frisch gekürten Nachfolger. Der dankte dann auch artig. "Thank you very much, President Obama."
    Nach der Wahl ist vor dem Alltag: Während viele Beobachter in Europa noch diversen Untergangsszenarien nachhängen, haben die meisten Politiker und Meinungsmacher in Amerika die Schockstarre bereits überwunden. Auch die großen politischen Blogs, von konservativ bis linksliberal, legen zügig den Schalter um.
    Im Podcast seines Blogs FiveThirtyEight - benannt nach der Gesamtzahl aller Wahlmänner - erklärt der bekannte Statistiker und Journalist Nate Silver: Hillary Clintons Niederlage sei gar nicht so überraschend gewesen. Clinton hätte keinen besonders großen Vorsprung in den letzten Umfragen gehabt, sagt Siver, landesweit nur etwa dreieinhalb Prozentpunkte. Da konnte die kleinste Verschiebung Richtung Trump alles ändern. So hätten weniger die Umfragen der Meinungsforscher daneben gelegen als vielmehr die allgemeine Erwartungshaltung in New York und Washington.
    Im Fokus: Trump-Wähler und Demonstranten
    Viele Blogs beschäftigen sich mit jener Wählergruppe, die Trump zum Sieg verhalf - weiße, häufig unterprivilegierte Amerikaner in ländlichen und ökonomisch schwachen Regionen. Menschen, deren Stimme Politik und Medien überhört, unterschätzt - oder falsch eingeschätzt - haben. So schreibt Katrina Trinko in The Daily Signal, dem Blog des konservativen Think Tanks "The Heritage Foundation":
    "Die Linksliberalen behaupten, dass alle Trump-Wähler rassistische Motive hatten. Das ist falsch und außerdem beleidigend. Wenn die Anhänger der Demokraten es wirklich ernst meinen mit ihrer Ankündigung, das Land zu versöhnen, dann sollten sie damit anfangen, die Lehre aus dieser Wahl zu akzeptieren: dass Millionen von Amerikanern eine andere Politik wollen und andere Werte hochhalten als Obama und Clinton." Werte wie: weniger staatliche Regulierung, eine strengere Einwanderungspolitik oder ein härteres Vorgehen gegen islamischen Terrorismus.
    Nach der Rückschau wenden sich die Blogs wieder der Tagespolitik zu. Caleb Howe, Gründer des konservativen, aber Trump-kritischen Blogs Red State giftet gegen die Demonstranten, die seit der Wahlnacht in vielen Städten auf die Straßen gehen: "Die totale Verweigerung, ein Wahlergebnis zu akzeptieren, ist nicht neu. Wir haben das bei George W. Bush erlebt. Doch dieses Mal kommen die Proteste mit einer enormen Selbstgerechtigkeit daher - und bekommen viel Aufmerksamkeit in der Presse. Und zwar nicht etwa, weil die Demonstrationen unamerikanisch sind oder gefährlich werden könnten - oh nein - sondern vielmehr, weil sie angesichts der vermeintlich düsteren politischen Aussichten 'berechtigt' seien."
    "Das Parfüm des Sieges kann nicht Donald Trumps Charakterzüge übertünchen"
    Der linksliberale Blog Talking Points Memo, kurz TPM, widmet sich der Zukunft von Obamacare. Nachdem Trump im Wahlkampf die Gesundheitsreform des amtierenden Präsidenten als "Desaster" bezeichnet hatte, erklärt er jetzt, Teile des Pakets erhalten zu wollen. "Trumps Bemerkungen reflektieren einen bemerkenswerten Wandel, eine Abkehr von seiner Forderung, das gesamte Gesetz zu kippen."
    Dennoch ist man bei Talking Points Memo überzeugt: "Die Republikaner stehen unter enormem Druck, schnell ein Zeichen gegen Obamacare zu setzen. Man kann davon ausgehen, dass das Gesetz aus den nächsten vier Jahren schwer lädiert hervorgeht."
    Der Blick nach vorn: Die konservative Kommentatorin Mona Charen beschreibt im Blog Townhall ihre gemischten Gefühle: "Das Parfum des Sieges kann nicht Donald Trumps Charakterzüge übertünchen. Er ist emotional instabil und reagiert extrem empfindlich auf Kritik. Er ist wie ein verwöhntes Kind. [...] Deshalb wird er Berater brauchen, die Erfahrung haben, ein sicheres Urteilsvermögen und vor allem exzellente psychologische Fähigkeiten. Denn die werden nötig sein, um sein Temperament zu bändigen und ihn behutsam auf politische Pfade zu navigieren, die den amerikanischen Interessen entsprechen."
    Nach der Wahl ist vor dem Alltag
    Schließlich erinnert der linksliberale Journalist Nate Silver daran: Die Ereignisse am Wahltag 2016 waren vielleicht gar nicht so außergewöhnlich. Zumindest nicht, wenn man die Statistik befragt: "Politik ist zyklisch. Wir suchen ja häufig nach tiefgreifenden Gründen, warum Wähler sich so oder so entscheiden, aber manchmal wollen die Leute einfach nur Veränderung. Und das passiert immer wieder. 1992 haben die Demokraten den Präsidenten gestellt und hatten die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses, ebenso 2008. Und 2016 haben die Republikaner eben übernommen."
    Nach der Wahl ist vor dem Alltag: Amerikas politische Bloggerszene sucht ihre Stimme: zwischen Sarkasmus und Selbstanalyse, Unwohlsein und Pragmatismus - und einer noch etwas bemühten Gelassenheit.