"Niemand kann sagen, was mit mir geschieht, wenn meine Arbeitserlaubnis erlischt", sagt die 30-jährige gebürtige Nigerianerin. Sie lebt seit 28 Jahren in Washington D.C. Ihr Vater kam mit einem Studentenvisum. Die Familie blieb illegal in den USA, als dieses Visum abgelaufen war. Marybeth wuchs in den USA auf, sie kennt ihr Herkunftsland überhaupt nicht.
"Wir haben dadurch natürlich die Möglichkeit einer legalen Immigration verwirkt. Das wurde mir aber erst klar, als ich 13 wurde. Mein Blick aufs Leben hat sich total verändert, denn ich kann mich überhaupt nicht an Nigeria erinnern. Ich habe mit dem Land keinen Berührungspunkt. Jetzt muss ich mich darauf einrichten, dass ich abgeschoben werden könnte. Das ist sehr beunruhigend."
Aufenthaltsberechtigungen unter Obama
700.000 solcher Menschen leben in den USA. Kinder, die als Minderjährige mit ihren Eltern eingereist sind und keinen legalen Status haben – aber hier aufgewachsen sind und sich als Amerikaner fühlen. Ein Problem, dass dauerhaft nur mit einer Reform der Immigrationsgesetze zu lösen ist. Da dies aber mit dem republikanischen Kongress nicht möglich war, erließ Präsident Obama vor vier Jahren eine sogenannte Executive Order, eine präsidentielle Direktive.
Diese direktive, abgekürzt DACA genannt, sieht vor, dass Kinder, die als Minderjährige von ihren Eltern illegal ins Land gebracht werden, eine Aufenthaltsberechtigung und eine Arbeitsberechtigung bekommen können. Sie müssen sich dafür bei den zuständigen Behörden melden und sich registrieren. Für Claudia Qiunonez war das ein Segen. Sie ist 21 Jahre alt und kam vor elf Jahren mit ihrer Mutter aus Bolivien nach Hyattsville in Maryland.
"Ich konnte endlich meinen Führerschein machen. Ich stehe jetzt ein Jahr vor meinem Abschluß in Politikwissenschaften. Und all das hätte ich ohne DACA nicht schaffen können."
Das Prozedere ist klar: Auch wenn diese Kinder nichts dafür können, dass ihre Eltern illegal eingewandert sind, so galt für sie auch unter dem DACA-Programm, dass sie sich ehrlich machen mussten. Sie mussten sämtliche privaten Daten offenlegen, bis hin zum Zugriff der Immigrationsbehörden auf ihre Konten, so Marybeth: "Sie wissen, wo ich wohne und wer meine Freunde sind. Sie wissen, wo ich arbeite. Sie haben Zugang zu meinem Bankkonto. Sie haben all diese Informationen."
Jetzt haben Marybeth und Claudia Angst, dass Donald Trump Ernst macht mit seiner Abschiebungspolitik. So, wie er es nochmals am Wochenende in einem Interview mit dem Fernsehsender CBS erklärt hat: "Wir werden die Leute mit Vorstrafenregistern abschieben, Gangster, Drogendealer. Das sind eine Menge Leute, wharscheinlich zwei bis drei Millionen. Wir werden sie aus dem Land schaffen. Sie sind illegal hier."
"Jedermann in Austin soll sich willkommen fühlen."
In der Tat gibt es zwei Millionen Einwanderer ohne Papiere, die vorbestraft sind, die meisten von ihnen allerdings wegen kleinerer, nicht-gewalttätiger Vergehen wie Ladendiebstahl oder Fahren ohne Führerschein. Sie können sofort abgeschoben werden. Das ist allerdings auch schon unter Präsident Obama geschehen. Auf Fälle wie Marybeth und Claudia hat Donald Trump keine Antwort, weil sie sich seinen schwarzweißen Wahlkampfparolen entziehen. Die beiden jungen Frauen sind in den USA aufgewachsen und fühlen sich als Amerikanerinnen, so Claudia Qiunonez: "Das illegale Leben war hart. Denn ich fühlte mich als Amerikanerin, ich war ein amerikanischer Teenager, der im amerikanischen Schulsystem aufwuchs. Aber ich war eben keine Amerikanerin, weil ich keine Social Security Nummer hatte."
Es gibt derzeit 150 Städte und Kommunen in den USA, die sich weigern, undokumentierte Immigranten an die Einwanderungsbehörden auszuliefern, so zum Beispiel Austin, Texas. Auf einer Solidaritätsdemo gibt sich Austins Bürgermeister Steve Adler kämpferisch: "Jedermann in Austin soll sich sicher und willkommen fühlen."
Doch damit könnte es bald vorbei sein. Trump will Städten, die Illegalen Einwanderern Zuflucht geben, in Zukunft keine Zuschüsse der Bundesregierung mehr geben. Die Flüchtlingsaktivistin Michelle Brane von der Women´s Refugee Commission befürchtet, dass Trump zunächst hart durchgreifen wird: "Ich denke, in der Diskussion wird niemand mehr auf uns hören. Und der Schwerpunkt der Debatte wird auf Abschiebung und Internierung liegen."
Was mit Einwanderern passiert, die von Kindesbeinen an in den USA leben, geht aus Trumps Programm nicht hervor. Sie müssen bis auf weiteres in zermürbender Unsicherheit in dem Land leben, das sie als Heimat empfinden.