Die ganze Stadt vibriert in diesen Tagen – wie jedes Jahr sind zum Memorial Day, dem Feiertag zum Gedenken an die gefallenen Soldaten, Zigtausende von Veteranen auf schweren Harley-Davidson-Motorrädern nach Washington DC gekommen. Lou steht in schwerer Ledermontur an der Tankstelle an der Virginia Avenue, den Helm im Stars-and-stripes-Design auf dem Kopf, die Sonnenbrille verspiegelt.
Aus Austin Texas ist er gekommen. 2500 Kilometer in vier Tagen.
Die US-Fahne weht am Heck seiner Road-King Classic. Ich bin Patriot, sagt er. Wie alle Veteranen die nach Washington gekommen sind. Lou sagt, Donald Trump sei Harley-Fan. Und die meisten Harley-Biker seien Trump-Fans. Für Lou ist das eine klare Sache: Harley gleich Veteran gleich Trump.
Natürlich hat Lou die erste Auslandsreise von Donald Trump verfolgt, sagt er. Trump selbst hat sie einen durchschlagenden Erfolg genannt. Der Nachrichtensender Fox News wiederholt die Botschaft in Endlosschleife. Lou sagt: Da hätte Trump gezeigt, dass er überhaupt nicht so ein 'bad guy' sei, so ein schlechter Typ.
Im Nahen Osten sei Trump noch vorsichtig gewesen. In Europa habe er dann Klartext gesprochen, sagt Lou. So sei Donald Trump nun mal – er sagt, was er denkt. Auch die Amerikaner müssten sich erst noch daran gewöhnen.
Und dann Angela Merkel. Lou hat gehört, dass sie gesagt habe, man könne sich auf andere nicht mehr verlassen. Klar habe sie Trump gemeint. Aber die Deutschen könnten sich mittlerweile ganz gut auf sich selbst verlassen.
Wichtige Signale im Nahen Osten
In der Tat: Seit Trumps Europa-Besuch knirscht es im transatlantischen Verhältnis. Eigentlich seien es zwei Reisen gewesen, die er gemacht habe, befand die "New York Times" – eine in den Nahen Osten, in der Trump den Eindruck hinterlassen habe, mit den Verbündeten Israel und Saudi-Arabien einen neuen Anfang machen zu wollen, nachdem das Verhältnis unter Obama deutlich abgekühlt war. So sieht das auch der republikanische Senator Lindsey Graham: Er unterstütze das milliardenschwere Waffengeschäft mit Saudi-Arabien, sagte er CNN. Die USA müssten die Verbündeten im Kampf gegen den Terror unterstützen. Die Signale an die Golfstaaten und an Israel seien wichtig gewesen.
Verhaltener Einspruch kommt nur von den Demokraten, die wie Senator Cory Booker aus New Jersey monieren, dass Trump mit der Politik all seiner Vorgänger gebrochen habe, indem er überhaupt nicht auf die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien hinwies.
Aber der zweite Teil der Reise, zur Nato und zum G7-Gipfel – der wird deutlich kritischer gesehen. Kein Bekenntnis zum Artikel 5 des Bündnisses, zur Beistandsverpflichtung im Konfliktfall, stattdessen die erneute Mahnung: Zahlt mehr. Und dann die Weigerung, sich mit Blick auf den Pariser Klimavertrag festzulegen. Und jetzt auch noch die Kanzlerin.
America first gilt hier!
Es mag der Feiertagsruhe zum Memorial Day geschuldet sein, dass sich noch keine offizielle politische Stimme zu ihrer Äußerung rührte. Aber sie sorgte für lebhafte Reaktionen im Netz: Nicholas Burns zum Beispiel, ehemaliger US-Botschafter bei der NATO, meldete sich auf Twitter. Es habe sieben Jahrzehnte gedauert, um die NATO aufzubauen. Jetzt sei die amerikanische Führung in Gefahr.
Eine neue Gruppe von Veteranen hat die Tankstelle angesteuert. Troy sieht verwegen aus: Er trägt einen Stahlhelm auf dem Kopf und das Bekenntnis zu Donald Trump als Stickerei auf der Jeansjacke. Den Seehund-ähnlichen Schnauzer zieht er sich beim Sprechen in den Mund. Und seine Stimme kommt aus der Tiefe eines gewaltigen Bauches: Donald Trump, das sei für ihn America first, sagt er. Und das müssten auch die Politiker in der ganzen Welt endlich kapieren. America first, gilt hier. Germany first in Deutschland, stimmt's?
Programmtipp: Nach Trump-Besuch und NATO-Gipfel - Risse im Bündnis?
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