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Nach US-Luftangriffen in Syrien
"Lösungen kann man nur gemeinsam mit Russland finden"

Der frühere NATO-General Klaus Naumann plädiert für militärische Zurückhaltung in Syrien. Auch eine mögliche Flugverbotszone sieht er skeptisch. Angesichts der Unkalkulierbarkeit des Konflikts könne man "nur mit Russland Lösungen finden", die Rede von der unmittelbaren Gefahr eines Weltkriegs sei gleichwohl "dummes Geschwätz", sagte Naumann im DLF.

Klaus Naumann im Gespräch mit Martin Zagatta |
    Klaus Naumann
    Klaus Naumann (picture alliance / dpa / Andreas Gebert)
    Martin Zagatta: Hunderttausende Tote, Millionen Flüchtlinge, und dennoch ist der Angriff der US-Amerikaner auf eine syrische Luftwaffenbasis überraschend gekommen. Zumindest bei der syrischen Opposition keimt da jetzt Hoffnung auf, das jedenfalls sagt der Oppositionsvertreter Sadiqu Al-Mousllie vom Syrischen Nationalrat, den wir heute Morgen in der Region erreicht haben:
    Zagatta: Der syrische Oppositionspolitiker Sadiqu Al-Mousllie heute Morgen im Deutschlandfunk. Und was diese überraschende Wende im Syrien-Krieg, was dieser Angriff der US-Amerikaner militärisch bedeutet, ob das womöglich sogar eine Gefahr für den Weltfrieden ist, darüber kann ich jetzt mit dem früheren General Klaus Naumann sprechen, der einst auch den NATO-Militärausschuss geleitet hat. Guten Morgen, Herr Naumann!
    Klaus Naumann: Guten Morgen, Herr Zagatta!
    Zagatta: Herr Naumann, mit Marschflugkörpern eine Luftwaffenbasis der syrischen Armee anzugreifen, macht das militärisch großen Sinn oder war das eine rein symbolische Aktion?
    Naumann: Also, ich denke, dass es militärisch nicht unbedingt ein entscheidender Punkt gewesen ist. Der Angriff war auch vom Umfang her sehr begrenzt. Ich erinnere daran, dass bei Beginn des Irak-Krieges am ersten Tag, soweit ich das erinnere, über 500 Marschflugkörper eingesetzt worden sind, zusätzlich zu Bombenangriffen, jetzt sind es um die 60 gewesen. Und von daher gesehen ist, meine ich, die amerikanische Entscheidung dahingehend zu interpretieren, dass man Assad und den Russen gesagt hat: Bis hierhin und nicht weiter.
    Zagatta: Dieser Angriff der USA, war das aber ein Spiel mit dem Feuer? Was wäre denn passiert, wenn russische Soldaten ums Leben gekommen wären?
    "US-Einsatz völkerrechtlich fraglich"
    Naumann: Die sind ja gewarnt worden, etwa vier Stunden vorher. Und die Genauigkeit der Marschflugkörper ist schon so, dass man das relativ genau ausschließen kann. Im Übrigen denke ich nicht, dass bei einem Verlust von russischen Soldaten ein Weltkrieg ausgebrochen wäre, das ist relativ dummes Geschwätz, das man in Deutschland gehört hat.
    Zagatta: Als jemand, der ja den NATO-Militärausschuss geleitet hat, finden Sie es in Ordnung, dass die USA da so im Alleingang losgeschlagen haben? Völkerrechtlich ist das ja fraglich ohne UNO-Mandat.
    Naumann: Also, völkerrechtlich ist sicherlich ein großes Fragezeichen hinter dem Einsatz zu machen. Man muss festhalten: 2013 hat es eine UN-Resolution gegeben, die dem syrischen Regime, das da ja der Chemiewaffenkonvention endgültig beigetreten ist, den Einsatz von chemischen Waffen untersagt hat und angedroht hat, dass es bei solchen Einsätzen zu Maßnahmen nach Kapitel der UN-Charta kommen würde. Seitdem hat die syrische Regierung nach Untersuchungen der Organisation für das Verbot chemischer Waffen mindestens drei Fälle gegeben, in denen das syrische Regime Chemiewaffen in Syrien gegen seine eigene Bevölkerung eingesetzt hat. Der UN-Sicherheitsrat ist in allen drei Fällen durch das Veto Russlands und Chinas blockiert worden, Maßnahmen zu ergreifen. Also, die Mitschuld, dass es so weit überhaupt kommt, liegt in einem erheblichen Maße auch in Moskau.
    "Was tut man, wenn die Flugverbotszone gebrochen wird?"
    Zagatta: Können Sie sich denn noch einen Reim machen auf die Militärpolitik von Donald Trump? Dieser Angriff jetzt widerspricht doch allem, was er vorher verkündet hat.
    Naumann: Ja. Also, ich erinnere mich noch sehr gut, wie er im Wahlkampf getweetet hat, es sei eine unsagbar dumme Politik, in Syrien einzugreifen. Er hat jetzt gehandelt, ich nehme an, dass zum einen sicherlich die schockierende Wirkung dieses brutalen Mordes, den Assad zu verantworten hat und den sicherlich auch Russland mitzuverantworten hat, ihn bewegt haben, das mag die innenpolitische Seite sein. Zum anderen steht er gerade in Gesprächen mit China, um gegenüber Nordkorea gemeinsames Handeln zu ermöglichen, und da musste er natürlich zeigen, dass er nicht nur ein Plastikschwert umhängen hat, sondern dass er auch handeln kann. All das mag eine Rolle gespielt haben, das spricht auch für die Begrenztheit des Schlages, denn sonst hätte er deutlich mehr tun können. Was aber auch zu bemerken ist: Wir haben ja großmäulige Ankündigungen Russlands gehört, der Himmel sei nun für amerikanische Marschflugkörper geschlossen, das war im Herbst letzten Jahres. Da muss man auch drüber nachdenken, was nun eigentlich Gerede ist und was Wirksamkeit ist.
    Zagatta: Haben Sie denn da kein mulmiges Gefühl? Wenn Sie solche Ankündigungen jetzt auch erwähnen, wenn jetzt der Weltfrieden von zwei so umstrittenen Männern abhängt wie Putin und Trump, wie fühlt man sich da als Militär?
    Naumann: Äußerst unwohl. Wir sind in einer Situation, ich würde sagen, sicherheitspolitischer Unkalkulierbarkeit und Unberechenbarkeit. Und man muss sicherlich alle Mittel und Wege suchen, um durch Gespräch wieder zu einer Lösung zu kommen, die etwas mehr Stabilität für die Welt bedeutet. Ich hoffe, dass die Gespräche des sehr nüchternen amerikanischen Außenministers Tillerson nächste Woche in Moskau dazu führen, dass man einen ersten Weg findet, wie man aus diesem Schlamassel, den Syrien ja darstellt und für den es keine erkennbare Lösung zurzeit gibt, dass man da ein bisschen weiterkommt. Ich bin deswegen auch sehr skeptisch, wenn ich von dem Gespräch vorher das Wort Flugverbotszone gehört habe. Das sind alles nur erste Schritte, und wenn man einen ersten Schritt tut, muss man sich immer überlegen: Wohin geht es und wo stehen wir am Ende? Und da kann man Lösungen wirklich nur gemeinsam mit Russland finden.
    Zagatta: Also, eine Flugverbotszone kommt für Sie nicht infrage, das wäre keine sinnvolle Lösung? Das wünscht sich ja die syrische Opposition und in …
    Naumann: Ja, das wäre kurzzeitig eine sinnvolle Lösung. Aber man muss natürlich dann immer überlegen, wenn die Flugverbotszone gebrochen wird, was tut man dann? Und jetzt hat man die zusätzliche Komplikation, dass Russland mit erheblichen militärischen Kräften in Syrien präsent ist und nicht die geringsten Anzeichen erkennen lässt, diesen Einsatz zu verändern. Putin geht es dabei nicht um Assad oder um den Schutz der syrischen Bevölkerung, Putin geht es einzig und allein um seine Position, sich als Macht zu präsentieren und in Syrien einen geostrategischen Stützpunkt zu halten.
    Zagatta: Herr Naumann, noch kurz, weil die Nachrichten auf uns warten: Was ist mit den deutschen Tornados? Da hat die Verteidigungsministerin jetzt gesagt, die Aufklärungsflüge dieser deutschen Tornados von türkischem Boden aus dürfen auf alle Fälle nur dem Kampf gegen den IS dienen, nicht zur Vorbereitungen von Luftschlägen, wie wir sie jetzt erlebt haben durch die USA. Kann man das so genau unterscheiden?
    Naumann: Ich denke, dass man das sehr genau in dem Tasking unserer Luftwaffenkräfte dort unterscheiden kann. Sie werden auch in diesem Gebiet nicht fliegen. Und ich denke auch, dass die Vereinigten Staaten von Amerika mit ihren unglaublich guten Aufklärungsfähigkeiten die Luftaufnahmen unserer Tornados weiß Gott nicht brauchen.
    Zagatta: Der frühere NATO-General Klaus Naumann heute Morgen im Deutschlandfunk. Danke für dieses Gespräch!
    Naumann: Bitte sehr, Herr Zagatta!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.