Peter Kapern: Die Finanzbranche hat derzeit ein miserables Image. Das hat viele Gründe, einer davon ist die Spekulation mit Agrarrohstoffen. Einige wenige Institute sind aus diesem Geschäftsfeld bereits ausgestiegen, andere, wie die Deutsche Bank und die Allianz, wollen unbedingt daran festhalten. Gestern nun ließ die DZ Bank wissen, dass sie künftig aus der Spekulation mit Nahrungsmitteln aussteigt. Die DZ Bank, das ist die Dachgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken. Bei uns am Telefon ist jetzt Frank Braßel von der Hilfsorganisation Oxfam. Guten Morgen!
Frank Braßel: Ja, schönen guten Morgen!
Kapern: Herr Braßel, immer mehr Banken rücken ab von der Spekulation mit Agrarrohstoffen, gestern die DZ Bank, ich sagte es. Kann man da schon von einer Trendwende sprechen?
Braßel: Man kann zumindest in Deutschland davon sprechen, dass jetzt die Mehrzahl der bislang dort beteiligten Institute ausgestiegen sind, leider aber die beiden Großen, also die Allianz und die Deutsche Bank, die Sie schon erwähnten, weiter mitmachen. Eine Trendwende insofern, dass wir den Eindruck haben, dass die Institute, die ihr Verantwortungsbewusstsein, die das Vorsorgeprinzip walten lassen wollen, jetzt weitestgehend ausgestiegen sind, auch ein bisschen gedrängt durchaus von NGO-Kampagnen und von der Politik, dass die, für die das aber nach wie vor ein sehr lukratives Geschäft ist, daran festhalten wollen, und das ist bedauerlich.
Kapern: Wie lukrativ ist dieses Geschäft, wie viel Umsatz, wie viel Gewinn wird da gemacht?
Braßel: Sagen wir mal so, man kann ja in die Bücher der großen Finanzhäuser nicht schauen. Wir haben jetzt nur auf Grundlage der veröffentlichten Daten recherchiert, dass beispielsweise die Allianz im vergangenen Jahr alleine von der Verwaltung ihrer Fonds – also jetzt nicht ob die Fonds Gewinn abwerfen oder nicht –, alleine aus der Verwaltung der Fonds gut 60 Millionen Einnahmen gemacht hat, die Deutsche Bank etwa 40 Millionen, und das scheint sich zu summieren und ein lohnenswertes Geschäft zu sein.
Kapern: Wenn man sich ein wenig näher mit diesem Thema beschäftigt, Herr Braßel, dann bekommt man sehr widersprüchliche Antworten: Wissenschaftler und Banker beteuern, dass Finanzgeschäfte mit Nahrungsmitteln eher preisglättend wirken, also gar nicht zu diesen Preissprüngen, Preisanstiegen führen, die immer beklagt werden, dass also solche Finanzgeschäfte positiv zu bewerten sind. Kann das sein, dass Sie von Oxfam diese Sache einfach noch nicht richtig durchschaut haben?
Braßel: Um ehrlich zu sein, wir fühlen uns im Moment nicht in einer Minderheitsposition. Wenn Sie sich anschauen, was Herr Flassbeck von der Unctat sagt, was Professor Braun von der Uni Bonn, einer der bekanntesten Forscher zu diesem Thema, sagt, wenn Sie schauen, was die CSU-Landwirtschaftsministerin Aigner sagt, ich glaube, da ist schon eine ganz klare Meinung, dass der übermäßige Trend auf diese Agrarrohstoffe – das ist ja ein Phänomen der letzten acht Jahre, sage ich mal – auf keinen Fall findet man Indikatoren, dass diese Tendenz, auf Nahrungsmittelpreise zu wetten, zur Stabilisierung dieser Preise beigetragen hat. Es gibt ein Phänomen, das ist ein altes, das gibt es seit 150 Jahren, dass sich Landwirte und Großnutzer von landwirtschaftlichen Produkten absichern auf Warenterminmärkten, aber da kann man einfach sehen an den Zahlen, die vorliegen, dass früher in diesem Bereich 25 bis 30 Prozent sogenannter Spekulanten waren, die Geld eingebracht haben in dieses Geschäft, aber drei Viertel der Akteure waren tatsächliche Händler. Und dieses Verhältnis hat sich nun komplett umgekehrt. Das heißt, auch die, die den Ton angeben, sind zunehmend die Indexfonds, die Hedgefonds, Spekulanten in diesen Warenterminbörsen, und das führt, glaube ich, unzweifelhaft zu einem höheren Risiko von Preisschwankungen, und tendenziell, sieht man, eher auch zu Preissteigerungen.
Kapern: Aber wie kommt das dann zu diesen wissenschaftlichen Gutachten, die den Banken attestieren, dass die Spekulationen mit Nahrungsmitteln durchaus segensreiche Wirkungen haben?
Braßel: Um ehrlich zu sein, es gibt kein wissenschaftliches Gutachten, das das besagt. Es gibt zwei deutsche Professoren, die sozusagen einen Teil der Literatur ausgewertet haben, sehr einseitig ausgewertet haben – die haben die Literatur in erster Linie in Betracht gezogen, die dem Bankensystem und der Spekulation positiv gegenüberstehen, und haben die warnenden Stimmen weitestgehend ausgeklammert. Hier wird dann immer der bekannte Brief von 40 Ökonomen an Bundespräsident Gauck, der sich auch gegen die Spekulationen ausgesprochen hat, erwähnt, viel vorher hat es einen Brief von 400 Ökonomen gegen diese Spekulationen gegeben. Das ist so ein Spielchen, wie wir sie zu allen Themen auf dieser Welt haben, dass auch die Wissenschaft nicht immer einer Meinung ist, das muss man einfach so hinnehmen. Aber wir stellen fest, dass sowohl kleine Produzenten als auch Großabnehmer von diesen Produkten, also der Nudelfabrikant Barilla, die Bäckereikette Kamps, alle auf die - sozusagen - die Störung der Märkte durch diese enormen Spekulationsgelder hingewiesen haben.
Kapern: Ganz kurz noch zum Schluss, Herr Braßel: Angela Merkel, die Kanzlerin, hat mal zu Beginn der Finanzkrise angekündigt, kein Finanzprodukt solle künftig noch unreguliert bleiben. Was tut die Politik in Sachen Nahrungsmittelspekulation?
Braßel: Es läuft auf der EU-Ebene ein Prozess, wie man die sogenannte Finanzmarktdirektive MiFID reformiert, und wie man insbesondere dieses Thema der enormen Spekulation von Nahrungsmitteln in den Griff kriegt, und da sollen Leitlinien eingezogen werden, dass einzelne Unternehmen nicht übermäßig viele Positionen halten dürfen an den Börsenmärkten, dass erst mal auch sehr viel mehr Transparenz und mehr Kontrolle geschaffen ist. Und der Prozess ist im Gange, wir gehen davon aus, dass er in diesem Jahr zu einem halbwegs zufriedenstellenden Ergebnis führen wird.
Kapern: Frank Braßel von der Hilfsorganisation Oxfam. Herr Braßel, vielen Dank, dass Sie sich heute Morgen ein paar Minuten Zeit für uns genommen haben!
Braßel: Ich danke Ihnen! Wiederhören!
Kapern: Schönen Tag, tschüss!
Braßel: Tschüss!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Frank Braßel: Ja, schönen guten Morgen!
Kapern: Herr Braßel, immer mehr Banken rücken ab von der Spekulation mit Agrarrohstoffen, gestern die DZ Bank, ich sagte es. Kann man da schon von einer Trendwende sprechen?
Braßel: Man kann zumindest in Deutschland davon sprechen, dass jetzt die Mehrzahl der bislang dort beteiligten Institute ausgestiegen sind, leider aber die beiden Großen, also die Allianz und die Deutsche Bank, die Sie schon erwähnten, weiter mitmachen. Eine Trendwende insofern, dass wir den Eindruck haben, dass die Institute, die ihr Verantwortungsbewusstsein, die das Vorsorgeprinzip walten lassen wollen, jetzt weitestgehend ausgestiegen sind, auch ein bisschen gedrängt durchaus von NGO-Kampagnen und von der Politik, dass die, für die das aber nach wie vor ein sehr lukratives Geschäft ist, daran festhalten wollen, und das ist bedauerlich.
Kapern: Wie lukrativ ist dieses Geschäft, wie viel Umsatz, wie viel Gewinn wird da gemacht?
Braßel: Sagen wir mal so, man kann ja in die Bücher der großen Finanzhäuser nicht schauen. Wir haben jetzt nur auf Grundlage der veröffentlichten Daten recherchiert, dass beispielsweise die Allianz im vergangenen Jahr alleine von der Verwaltung ihrer Fonds – also jetzt nicht ob die Fonds Gewinn abwerfen oder nicht –, alleine aus der Verwaltung der Fonds gut 60 Millionen Einnahmen gemacht hat, die Deutsche Bank etwa 40 Millionen, und das scheint sich zu summieren und ein lohnenswertes Geschäft zu sein.
Kapern: Wenn man sich ein wenig näher mit diesem Thema beschäftigt, Herr Braßel, dann bekommt man sehr widersprüchliche Antworten: Wissenschaftler und Banker beteuern, dass Finanzgeschäfte mit Nahrungsmitteln eher preisglättend wirken, also gar nicht zu diesen Preissprüngen, Preisanstiegen führen, die immer beklagt werden, dass also solche Finanzgeschäfte positiv zu bewerten sind. Kann das sein, dass Sie von Oxfam diese Sache einfach noch nicht richtig durchschaut haben?
Braßel: Um ehrlich zu sein, wir fühlen uns im Moment nicht in einer Minderheitsposition. Wenn Sie sich anschauen, was Herr Flassbeck von der Unctat sagt, was Professor Braun von der Uni Bonn, einer der bekanntesten Forscher zu diesem Thema, sagt, wenn Sie schauen, was die CSU-Landwirtschaftsministerin Aigner sagt, ich glaube, da ist schon eine ganz klare Meinung, dass der übermäßige Trend auf diese Agrarrohstoffe – das ist ja ein Phänomen der letzten acht Jahre, sage ich mal – auf keinen Fall findet man Indikatoren, dass diese Tendenz, auf Nahrungsmittelpreise zu wetten, zur Stabilisierung dieser Preise beigetragen hat. Es gibt ein Phänomen, das ist ein altes, das gibt es seit 150 Jahren, dass sich Landwirte und Großnutzer von landwirtschaftlichen Produkten absichern auf Warenterminmärkten, aber da kann man einfach sehen an den Zahlen, die vorliegen, dass früher in diesem Bereich 25 bis 30 Prozent sogenannter Spekulanten waren, die Geld eingebracht haben in dieses Geschäft, aber drei Viertel der Akteure waren tatsächliche Händler. Und dieses Verhältnis hat sich nun komplett umgekehrt. Das heißt, auch die, die den Ton angeben, sind zunehmend die Indexfonds, die Hedgefonds, Spekulanten in diesen Warenterminbörsen, und das führt, glaube ich, unzweifelhaft zu einem höheren Risiko von Preisschwankungen, und tendenziell, sieht man, eher auch zu Preissteigerungen.
Kapern: Aber wie kommt das dann zu diesen wissenschaftlichen Gutachten, die den Banken attestieren, dass die Spekulationen mit Nahrungsmitteln durchaus segensreiche Wirkungen haben?
Braßel: Um ehrlich zu sein, es gibt kein wissenschaftliches Gutachten, das das besagt. Es gibt zwei deutsche Professoren, die sozusagen einen Teil der Literatur ausgewertet haben, sehr einseitig ausgewertet haben – die haben die Literatur in erster Linie in Betracht gezogen, die dem Bankensystem und der Spekulation positiv gegenüberstehen, und haben die warnenden Stimmen weitestgehend ausgeklammert. Hier wird dann immer der bekannte Brief von 40 Ökonomen an Bundespräsident Gauck, der sich auch gegen die Spekulationen ausgesprochen hat, erwähnt, viel vorher hat es einen Brief von 400 Ökonomen gegen diese Spekulationen gegeben. Das ist so ein Spielchen, wie wir sie zu allen Themen auf dieser Welt haben, dass auch die Wissenschaft nicht immer einer Meinung ist, das muss man einfach so hinnehmen. Aber wir stellen fest, dass sowohl kleine Produzenten als auch Großabnehmer von diesen Produkten, also der Nudelfabrikant Barilla, die Bäckereikette Kamps, alle auf die - sozusagen - die Störung der Märkte durch diese enormen Spekulationsgelder hingewiesen haben.
Kapern: Ganz kurz noch zum Schluss, Herr Braßel: Angela Merkel, die Kanzlerin, hat mal zu Beginn der Finanzkrise angekündigt, kein Finanzprodukt solle künftig noch unreguliert bleiben. Was tut die Politik in Sachen Nahrungsmittelspekulation?
Braßel: Es läuft auf der EU-Ebene ein Prozess, wie man die sogenannte Finanzmarktdirektive MiFID reformiert, und wie man insbesondere dieses Thema der enormen Spekulation von Nahrungsmitteln in den Griff kriegt, und da sollen Leitlinien eingezogen werden, dass einzelne Unternehmen nicht übermäßig viele Positionen halten dürfen an den Börsenmärkten, dass erst mal auch sehr viel mehr Transparenz und mehr Kontrolle geschaffen ist. Und der Prozess ist im Gange, wir gehen davon aus, dass er in diesem Jahr zu einem halbwegs zufriedenstellenden Ergebnis führen wird.
Kapern: Frank Braßel von der Hilfsorganisation Oxfam. Herr Braßel, vielen Dank, dass Sie sich heute Morgen ein paar Minuten Zeit für uns genommen haben!
Braßel: Ich danke Ihnen! Wiederhören!
Kapern: Schönen Tag, tschüss!
Braßel: Tschüss!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.