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Nachbarschaftsnetzwerke
Wenn der liebe Nachbar Böses postet

In Alltagsdingen helfen oder den Zusammenhalt im Wohnviertel fördern - dafür können digitale Nachbarschaftsnetzwerke nützlich sein. Allerdings gibt es auch Kehrseiten der Online-Vernetzung: Zum Bespiel, wenn Plattformen verwendet werden, um den Menschen von nebenan zu beleidigen.

Von Pia Rauschenberger |
    Frau liegt auf Liegestuhl, während Mann Rasen mäht
    Nachbarschaftsnetzwerke können hilfreich sein, aber auch zu Streitgkeiten führen (imago/photothek)
    Unser Pürierstab ist kaputt. Also habe ich ins Forum meines Online-Nachbarschaftsnetzwerks die Frage geschrieben, ob jemand mir einen leihen kann. Schon eine Stunde später hatte ich eine Nachricht von Rosalie, die eine Straße weiter wohnt.
    "Hallo" - "Guten Abend." - "Guten Abend. Ich komm wegen dem Pürierstab." - "Ja, so. Nehmen Sie ihn mit. Machen Sie einen Spaß damit und kaufen Sie sich keinen neuen."
    Ich nehme den Pürierstab mit und mache mit Rosalie aus, dass wir sie am Wochenende zu Kaffee und Kuchen einladen.
    "Das Gute an der digitalen Nachbarschaft ist, dass Menschen so in Kontakt kommen, die ohne die Technik nicht gekommen wären", sagt der Soziologe Armin Kuphal, der zu Nachbarschaften forscht. Die Nachbarn sollten alles weitere dann aber persönlich lösen.
    "Wenn nichts daraus wird, außer, dass man miteinander digital verkehrt, dann ist das herzlich wenig."
    Mulmiges Gefühl beim Datenschutz
    Seit ich bei einem Online-Nachbarschaftsnetzwerk angemeldet bin, weiß ich auch, was meine direkten Nachbarn für Talente oder Küchengeräte haben. Das ist neu. Und es mir bereitet das ein mulmiges Gefühl. Vielen Datenschützern offenbar auch.
    "Man muss sich schon fragen. Muss ich eigentlich eine Liste aller meiner Nachbarn haben?"
    Hannes Federrath ist Professor an der Universität Hamburg und forscht zu Datenschutz.
    "Klar, die Anbieter solcher Netzwerke können jetzt einwenden, dass man ja auch rumgehen kann und an den Klingelschildern schauen kann. Das macht aber Arbeit. Sich im sozialen Netz einmal eine Liste anzuzeigen, wer da so im Umkreis wohnt, ist viel einfacher."
    Anprangern für gegenseitige Fehlverhalten
    Federrath beobachtet in den USA aber auch die Kehrseite der digitalen Nachbarschaftsnetzwerke: Dort würden sich die Menschen beispielsweise auch gegenseitig für kleine Fehlverhalten anprangern. Das könne zu Stigmatisierung führen. Eine unangenehme Vorstellung für mich.
    "Also, wer in solchen sozialen Netzen aktiv ist, sollte sich auch das gut überlegen. Denn angenommen, er parkt vielleicht mal sein Auto an der falschen Stelle und das wird dann darüber gepostet, dann ist das vielleicht erstens nicht nötig für die anderen Nachbarn, zu wissen. Und zweitens ist es vielleicht einfach unangenehm. Und genau solche Dinge, die wir heute noch nicht genau beurteilen können, sollten die Betreiber sozialer Netzwerke schon im Vorfeld kennen und nicht erwarten, dass die Benutzer dann irgendwann zurückrudern."
    Die Betreiber solcher Netzwerke glauben nicht an regelmäßigen Missbrauch.
    "Ich sag mal so. Wir haben hier eine Plattform für Nachbarschaft gebaut. Natürlich, wenn Sie böswillige Absichten haben, können Sie dort dann Ihre Nachbarn beleidigen", sagt Christian Vollmann. Er ist einer der Gründer von Nebenan.de. Das bundesweite Nachbarschaftsnetzwerk hat momentan 800.000 Teilnehmer.
    "Oder Sie können Leute diffamieren und sagen: du bist der, der immer falsch parkt. Ja. Theoretisch alles möglich. Ich glaube, man muss wirklich sehen, dass das absolute Einzelfälle sind."
    Netzwerke müssen irgendwann auch Geld verdienen
    In meinem Nachbarschaftsnetzwerk geht es bisher friedlich und konstruktiv zu. Nachbar Herbert sucht dort jemanden, der ihm dabei hilft, eine Satellitenschüssel zu montieren. Nachbar Wilhelm bietet seine Hilfe an. Kostet ein Kölsch, schreibt er ins Forum. Mir gefällt, dass es nicht nur junge Menschen sind, sondern eben auch meine Nachbarin Rosalie, die mir ihren Pürierstab geschenkt hat.
    Wenn es gut läuft, kann durch so ein Nachbarschaftsnetzwerk der Zusammenhalt in einem Viertel gefördert werden. Dann bleibt aber immer noch die Gefahr, dass der Onlineanbieter selbst die Daten für seine Zwecke missbraucht. Ob es das deutsche Nebenan.de oder das US-amerikanische Nextdoor ist - für alle diese Netzwerke gilt: irgendwann müssen auch sie Geld verdienen.
    "Als Endbenutzer sollte man auf jeden Fall die Datenschutzrichtlinien solcher Nachbarschaftsnetze lesen. Und wenn Sie immer noch skeptisch sind, dann können Sie immer noch direkt beim sozialen Netz anfragen", rät Hannes Federrath. Auch Erfahrungsberichte anderer Nutzer könnten helfen, ein besseres Bild des Netzwerks zu bekommen. Damit der nachbarschaftliche Gedanke, den Rosalie und ich teilen, nicht durch Missbrauch untergraben wird.