Die Taliban haben laut einem Sprecher der Bewegung einen Nachfolger für den offenbar gestorbenen religiösen Führer Mullah Omar ernannt. Eine offizielle Bekanntgabe stehe noch aus, solle aber in Kürze erfolgen, so der Sprecher. Danach soll der bisherige Stellvertreter Mullah Omars, Mullah Mansur, das Amt des religiösen Führers übernehmen. Er gilt als Befürworter von Friedensgesprächen mit der afghanischen Regierung. Möglicherweise hatte Mullah Omar ihn selbst vor seinem Tod als Nachfolger ausgesucht.
Mansur war in den 90er-Jahren Luftfahrtminister für Afghanistan, als die Taliban das Land beherrschten. Zuletzt galt er als Schatten-Gouverneur der südafghanischen Provinz Kandahar. Der engste Führungszirkel der Taliban hatte bis zum Nachmittag getagt, der oberste Sprecher der Gruppe bestätigte anschließend die Ernennung Mansurs. Zudem hieß es, der Tod von Mullah Omar sei in den vergangenen zwei Jahren nicht bestätigt worden, weil die Taliban den Abzug der internationalen Kampftruppen aus Afghanistan abwarten wollten. Ob Mansur die Rückendeckung der meisten Taliban hat, ist unklar. Einige Beobachter sprechen von einem Machtkampf, an dem unter anderem Mullah Omars Sohn Yakub beteiligt gewesen sein soll. Der 26-Jährige gilt als Hardliner. Zudem hatte eine andere Splittergruppe das Gerücht gestreut, Mullah Mansur sei für den Tod Mullah Omars verantwortlich.
Mullah Omar galt als einigende Figur der Bewegung
Die Extremisten sind uneins darüber, ob sie mit der afghanischen Regierung verhandeln sollen oder nicht. Einige Gruppen haben sich abgespalten. Andere Kämpfer sind zur Terrorgruppe Islamischer Staat übergelaufen, die in Afghanistan Fuß fassen will. Ein für morgen geplantes Treffen zwischen Vertretern der Taliban und afghanischen Offiziellen wurde verschoben. Eigentlich sollte dieses zweite Treffen zwischen Vertretern des afghanischen Hohen Friedensrates, einem regierungsnahen Gremium, und Abgesandten der Taliban in Pakistan stattfinden. Die afghanische Regierung habe aber darum gebeten, das Treffen zu verschieben, so das pakistanische Außenministerium. Pakistan sieht sich als Vermittler. Der Geheimdienst des Landes, ISI, soll enge Kontakte zu einigen Taliban-Gruppen pflegen.
In der pakistanischen Stadt Quetta unweit der afghanischen Grenze trifft sich meist auch die Führung derjenigen Taliban, die an der Seite Mullah Omars gekämpft hatten. Auch heute soll die so genannte "Quetta-Schura" dort getagt haben.
Der afghanischen Regierung zufolge war Mullah Omar bereits vor zwei Jahren in einem Krankenhaus in Karachi gestorben. Mullah Omar galt als einigende Figur der Bewegung. Er hatte die Taliban seit 1994 aufgebaut und mit ihnen fast ganz Afghanistan beherrscht. Außerdem pflegte er ein enges Verhältnis zum damaligen Chef der Terrorgruppe Al Kaida, Osama bin Laden. Nach dem Sturz der Taliban 2001 gelang Mullah Omar die Flucht. Seitdem galt er als Phantom - es gelang ihm, sich dem Zugriff westlicher Geheimdienste zu entziehen. Zwar soll er nicht mehr aktiv in Operationen der Taliban eingegriffen haben, er galt aber als unbestrittener geistiger Anführer. Die Taliban haben noch vor wenigen Tag in seinem Namen Verlautbarungen veröffentlicht, in denen er zur Einheit der Extremistengruppe aufrief. Möglicherweise hatte Mullah Mansur diese Verlautbarung abgesegnet.