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Nachgefragt
Neuverteilung des öffentlichen Raums

Ab dem kommenden Sommer dürften unsere Städte anders aussehen. Der Bundesrat hat zugestimmt, dass Elektro-Tretroller für den Straßenverkehr zugelassen werden. Auf dem Gehweg sollen aber auch die langsamen Modelle nicht fahren dürfen. Die so genannten E-Scooter müssen auf den Radweg - oder notfalls auf die Straße. Bundesverkehrsminister Scheuer hatte seinen Entwurf nach Kritik aus den Bundesländern dahingehend geändert. 

    In Brüssel fährt ein Mann auf einem E-Tretroller über eine Straße.
    E-Scooter sollen in Deutschland auf Radwegen und Straßen fahren dürfen (Eric Lalmand/BELGA/dpa)
    Zugelassen werden Roller, die höchstens 20 Kilometer pro Stunde fahren. Eine Helmpflicht gibt es nicht, und Fahrerinnen und Fahrer brauchen auch keinen Moped-Führerschein. Über die Altersfreigabe wurde lange diskutiert. Sie soll nach dem Willen der Bundesländer bei 14 Jahren liegen. Außerdem sollen Elektro-Tretroller versicherungspflichtig sein.
    Kampf um den öffentlichen Raum
    Unumstritten ist das alles nicht. Der Verkehrsclub Deutschland befürchtet, dass sich künftig Rad- und Rollerfahrer auf den ohnehin knappen Radwegen in die Quere kommen. Das zeigen auch die Erfahrungen mit E-Scootern in anderen Ländern. Der VCD fordert deshalb, entweder die Fahrbahnen für Autos zu verkleinern oder Parkraum zu streichen, um für die E-Scooter Platz zu schaffen. Andere sorgen sich, dass viele Tretrollerfahrer trotz des Verbots Gehwege benutzen und damit Fußgänger gefährden.
    Die CSU-Verkehrspolitikerin Ludwig wünscht sich ein grundsätzliches Umdenken: Es gehe um mehr Raum und mehr Rücksicht für alle, die in den Städten etwas langsamer, aber emissionsfrei unterwegs seien, sagte Ludwig im Deutschlandfunk . Sie hoffe auf einen gesamtgesellschaftlichen Konsens, dass der Autoverkehr Platz abgeben müsse. So weit sei es aber noch nicht.
    Dürfen Elektro-Tretroller in die Bahn?
    Bis dahin sollen E-Scooter trotzdem schon helfen, die Emissionen in den Städten zu verringern. Als Fahrzeug für "die letzte Meile" könnten sie Pendler von Zuhause zur Bahn und von der Bahn zur Arbeitsstätte bringen. Die bisherigen Beförderungsbedingungen einiger Verkehrsunternehmen verbieten zwar bisher die Mitnahme. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) versichert aber, dass der Roller mitdarf. VDV-Präsident Wortmann sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Der Roller muss zusammengeklappt werden, aber er darf mit." Nach seinen Worten überlegen alle großen Nahverkehrsunternehmen bereits, ihren Kunden Tretroller anzubieten, um Mobilität von Haustür zu Haustür zu ermöglichen.
    Leihscooter in Wien
    Leihscooter in Wien (www.picturedesk.com)
    Ärzte befürchten mehr Verletzungen
    Gesundheitsexperten sehen die Freigabe von Elektro-Tretrollern kritisch. Der Leiter der Sektion Prävention der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGU), Spering, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", E-Scooter seien im hochgefährlich - auch weil sich andere Verkehrsteilnehmer nur extrem schwer darauf einstellen könnten. Hinzu komme ein deutlich erhöhtes Verletzungsrisiko. "Die Trittbretter der Roller sind tief, sodass sich bei Stürzen der Fuß schnell darunter verfängt", so Spering.
    Laut einer Studie der Universität von Kalifornien sind die meisten Unfälle mit E-Scootern sogenannte Alleinunfälle. Der häufigste Grund war demnach, dass der Fahrer oder die Fahrerin die Kontrolle über den Roller verlor. Nach Ansicht von Experten liegt das oft daran, dass die Räder zu klein sind. Unfallforscher fodern deshalb, die technischen Vorschriften nocn einmal zu überarbeiten.
    Vier Wochen Lebensdauer in Paris
    Auch Umweltschützer sind nicht wirklich glücklich mit den neuen Fahrzeugen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland weist auf die kurze Lebensdauer vieler E-Scooter hin. Studien zeigen, dass die durchschnittliche Lebensdauer eines Leihscooters in Paris bei 28 Tagen liegt. Auch in anderen europäischen Städten, in denen schon Elektro-Stehroller fahren, werden Leih-Roller oft nach wenigen Monaten ausgetauscht und verschrottet. Nach Ansicht des BUND werden dadurch problematische Rohstoffe wie Lithium und Aluminium verschwendet.
    Die oft kurze Lebensdauer macht auch den Verleih häufig unwirtschaftlich. Eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey kommt zu dem Schluss, dass ein E-Scooter mindestens vier Monate halten muss, damit sich das Geschäft rentiert. Der Verleih steht gerade für deutsche Unternehmen im Mittelpunkt des Interesses . So will etwa Volkswagen sein Carsharing-Angebot um Elektro-Tretroller erweitern. Bei der Herstellung der Scooter können deutsche Firmen auf dem Weltmarkt nicht mithalten. Der wird von chinesischen Produzenten dominiert. Dort werden pro Jahr mehr als 25 Millionen E-Scooter verkauft - Tendenz steigend.
    (mw/ach)