Ein immer wieder in Anspruch genommenes Kriterium ist die Zahl der Straftaten. Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet die politische Kriminalität in Deutschland. Die Behörde kommt zu folgendem Schluss: 2016 haben Rechtsextremisten 22.471 Straften begangen, 2017 waren es 18.413. Dem gegenüber stehen 5.230 linksextremistisch motivierte Straftaten im Jahr 2016 und 6.393 im Jahr 2017. Ein eindeutiger Unterschied, es werden deutlich mehr rechtextremistisch als linksextremistisch motivierte Straftaten registriert.
Einige Politiker, insbesondere aus der AfD, meinen jedoch, man müsse bei den politisch motivierten Straftaten differenzieren. Der sächsische AfD-Fraktionschef Urban zum Beispiel verwies im Deutschlandfunk darauf, dass es eine Reihe von Delikten gebe, die man nur im rechten Spektrum habe. Als Beispiel nannte er das Zeigen des Hitlergrußes oder das Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole. Urban machte zudem deutlich, dass diese Straftaten einen erheblichen Anteil ausmachten.
Damit hat er laut Verfassungsschutzbericht recht. Allein 12.476 rechtextremistisch motivierte Straftaten (mehr als die Hälfte) sind Propagandadelikte, bei den Linksextremisten wird dieses Phänomen gar nicht aufgelistet.
Blick auf die Gewalttaten unter den Straftaten
Daher wird in Reihen der AfD oft gefordert, man solle nicht die Straftaten im Ganzen vergleichen, sondern nur die Gewalttaten. Dazu gehören etwa Tötung, versuchte Tötung, Brandstiftung, Köperverletzung, Landfriedensbruch und Raub. In dieser Kategorie wurden 2016 1.600 Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund festgestellt und 1.054 im Jahr 2017.Bei den Linksextremisten waren es 1.201 Straftaten im Jahr 2016 und 1.648 im Jahr 2017.
Hier liegt vermutlich die Grundlage für das Argument, bei den schweren Straftaten gebe es ein Übergewicht der Linksextremisten. Und hier dürfte die Grundlage der Aussage liegen, die schwerwiegenden linksextremistischen Straftaten seien von 2016 zu 2017 angestiegen - im Gegensatz zu den rechtsextremistisch motivierten.
Faktor Landfriedensbruch
Es lohnt sich aber, noch genauer hinzuschauen. Bei den linksextremistischen Gewalttaten dominiert der Landfriedensbruch, insbesondere im Jahr 2017, als es eine Steigerung von mehr als 300 Prozent zu 2016 gab. Hier könnte der G-20-Gipfel in Hamburg als Einmaleffekt eine wichtige Rolle spielen. Denn damals gab es besonders viele Ermittlungen dieser Art gegen Linksextremisten. Landfriedensbruch kommt im rechtsextremistischen Spektrum laut Verfassungsschutz dagegen kaum vor.
Straftaten gegen das Leben und gegen die körperliche Unversehrtheit
Blickt man auf die Gewalttaten in einem noch engeren Sinne wie Tötung, versuchte Tötung, Körperverletzung, Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und Freiheitsberaubung, dann ergibt sich ein klares Übergewicht der Rechtsextremisten. Für die Jahre 2016/17 wurde ein politisch motiviertes Tötungsdelikt registriert – es hatte rechtsextremistischen Hintergrund. Bei den Körperverletzungen war das Verhältnis rechts/links 2016 1.313 zu 638 und im Jahr 2017 904 zu 499.
Es wird also deutlich, dass ein pauschaler Schlagabtausch mit der Statistik politisch motivierter Straftaten sinnlos ist. Insofern hat die AfD recht, wenn sie fordert, die Gewalttaten gesondert zu betrachten. Doch auch die Liste der Gewalttaten ist vielfältig. Blickt man auf Tötung, versuchte Tötung, Körperverletzung, Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und Freiheitsberaubung, dann ergibt sich für die Jahre 2016 und 2017 ein klares Übergewicht der Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund.
Beide Fußnoten (1, 4): Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. Die Übersicht enthält – mit Ausnahme der Tötungsdelikte – vollendete und versuchte Straftaten. Jede Tat wurde nur ein Mal gezählt. Sind z.B. während eines Landfriedensbruchs zugleich Körperverletzungen begangen worden, so erscheint nur die Körperverletzung als das Delikt mit der höheren Strafandrohung in der Statistik. Wurden mehrere Straftaten verübt, wurde ausschließlich der schwerer wiegende Straftatbestand gezählt.