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Nachhaltige Landwirtschaft
Bäume auf dem Acker versprechen Vorteile

In anderen Ländern sind sie weit verbreitet, in Deutschland führen sie ein Nischendasein: Baumstreifen auf Äckern, so genannte Agroforstsysteme. Da die gemischte Feldnutzung Vorteile verspricht, will die Bundesregierung die Aufforstung auf dem Acker künftig gezielt fördern.

Von Andrea Hoferichter |
Im Vordergrund ein Getreidefeld, im Hintergrund Reihen mit jungen Bäumen. Ein schon größerer Baum steht schief im Wind.
Clevere Kombination: Bäume auf Feldern schonen die Umwelt und steigern den Ertrag (Christian Böhm)
Nicht alles war früher besser, doch eines auf jeden Fall, sagt Edzo Veldkamp von der Universität Göttingen. Denn Agroforstsysteme waren bis vor einigen Jahrzehnten in Deutschland noch weit verbreitet, Streuobstwiesen zum Beispiel oder Wallhecken, sogenannte Knicks.
"Die Systeme haben sehr gut funktioniert, sind aber mit der Intensivierung der Landwirtschaft langsam verdrängt worden, weil man auf andere Konzepte gesetzt hat, also auf Produktionsmaximierung, und dann stehen Bäume meist im Weg. Und deshalb hat man jetzt teilweise leergeräumte Landschaften."

Genug Platz für Trecker, Grubber und Erntemaschinen

Der Forscher und sein Team möchten diesen Trend umkehren und nehmen seit einigen Jahren Agroforstsysteme an vier Standorten genauer unter die Lupe. Dort stehen Baumstreifen aus schnellwachsenden Pappeln, die alle vier bis sechs Jahre geerntet und als Brennstoff verkauft werden können. Der Abstand zwischen den Baumreihen: 48 Meter, genug Platz für Trecker, Grubber und Erntemaschinen. Bei einem Vor-Ort-Besuch hantiert ein Holzfäller mit der Kettensäge. An manchen Stellen liegt zwischen den Baumreihen schon das Holz auf dem Acker, auf dem sonst Weizen, Gerste oder Mais und Blühpflanzen wachsen.
Ein Landwirt pflügt einen Acker in Proschim und wirbelt auf dem trockenen Feld Staub und Sand auf.
Agroforstwirtschaft gegen Trockenheit
Landwirte in Deutschland leiden erneut unter der Trockenheit. Im besonders betroffenen Brandenburger Süden läuft ein Modellprojekt, das erforscht, wie Landwirtschaft unter den extremer werdenden Umweltbedingungen funktionieren kann.
"Zu Testzwecken wird das jetzt gehackt. Also wir fahren mit dem Schredder entlang und hacken und wiegen das auch, was das am Ende dann gebracht hat."

Weniger Wind, mehr Wasser im Boden

Das Göttinger Team sammelt solche Ertragsdaten und weitere Informationen, etwa zu Windgeschwindigkeiten, Nährstoffkreisläufen, Wasser- und Kohlenstoffgehalt des Ackerbodens, und wertet sie aus. Ein Ergebnis: Der Windschutz durch die Bäume sei enorm, sagt Edzo Veldkamp:
"Wenn man so einen Baumstreifen Nord-Süd stehen hat, und wir haben hier überwiegend Westwinde, dann ist das eine Reduzierung von 80 Prozent oder so, richtig viel. Und das sorgt natürlich auch dafür, dass da dann weniger Wasser verdunstet, dass in dem Oberboden auch mitten auf dem Acker der Bodenwassergehalt das ganze Jahr durch immer ein paar Prozent höher ist."
Frisch gepflügter brauner Ackerboden bei Lauenau mit Bäumen hinter dem Feld und einem Blick Richtung Süntel, 11.10.2015
Steigende Bodenpreise bringen Bauern in Bedrängnis
Die steigenden Preise für Ackerland sind für viele Landwirte ein enormes Problem. Nur wenige können sich noch Boden für Anbau und Viehzucht leisten. Stattdessen erwerben kaufkräftige Investoren die Flächen – und profitieren dabei auch von Gesetzeslücken.
Die Bäume auf dem Acker haben noch mehr positive Effekte. Das Laub wirkt wie ein Langzeitdünger und die Wurzeln fangen überschüssige Nährstoffe ab, zum Beispiel Nitrat, das vielerorts Gewässer und Grundwasser belastet. Agroforstsysteme könnten deshalb helfen, Dünger einzusparen, glauben die Forscher. Zudem speichern die Systeme mehr Kohlenstoff im Boden und bieten Lebensraum für weitere Pflanzen und Tiere.

Der Ernteertrag bleibt unverändert

Der Haken: Die Bäume konkurrieren mit den Ackerpflanzen um Licht und Wasser, erklärt Edzo Veldkamp: "Wir haben tatsächlich direkt am Baumstreifen Ernteeinbußen. Aber ab einer gewissen Distanz sieht man in den meisten Fällen eine höhere Produktion als ein Vergleichsacker ohne Baumstreifen. Und diese höhere Produktion, sorgt dann dafür, dass die Verluste, die man direkt an den Baumstreifen hat, ausgeglichen werden."
Mit positiven Effekten auf den Gesamtertrag rechnet auch ein Team von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Auf fünf Hektar Acker hat es eher langsam wachsende Bäume gepflanzt, darunter Birne, Elsbeere und Speierling. Das Holz könne erst in ein paar Jahrzehnten geerntet, dann aber als teures Möbelholz verkauft werden, sagt Projektleiter Tobias Cremer.

Holz zur Energiegewinnung steigert den Gewinn

Das größte Problem seien Rehe und Hirsche, die künftig ein Zaun fernhalten soll. Und als zusätzlichen Windschutz hat sein Team an der Westseite des Testackers schnell wachsende Weidenstecklinge zwischen die Bäume gepflanzt.
"Die Weiden könnten wir zur Energieholzgewinnung nutzen. Wir wollen sie auch im Kurzumtrieb nutzen, das heißt alle zwei, drei, vier Jahre ernten, wollen dann die Hackschnitzel aber auf der anderen Fläche in den Boden einarbeiten als frisches Biomassematerial, um dort wiederum Humusaufbau zu befördern."
Für den Boden wäre das ein Zusatznutzen - und wegen der Kohlenstoffspeicherung auch fürs Klima. Wie die wirtschaftliche Bilanz ausfällt, wenn Pappel- oder Weidenholz als Hackschnitzel zum Heizen verkauft werden, hat das Team von Edzo Veldkamp ausgerechnet:
"Wenn man das über eine Periode von 20 Jahren hochrechnet, haben unsere Systeme einen höheren Gewinn. Aber dazu kommt ein etwas höheres Risiko, das vor allem damit zusammenhängt, dass der Markt für Holzschnitzel sehr variierend ist."