Klemens Kindermann: Er ist zwar etwas gedämpft ausgefallen, zeigt aber dennoch: In Deutschland wird nach wie vor kräftig konsumiert. Aber geschieht das auch immer nachhaltig? Werden Ressourcen geschont? Wird auf die Belastung der Umwelt beim Konsum geachtet? – Im letzten Jahr hat die Bundesregierung ein nationales Programm für nachhaltigen Konsum aufgelegt, hat damit weltweit eine Vorreiterrolle im Rahmen der sogenannten Agenda 2030 der Vereinten Nationen übernommen. Heute nun wird in Berlin auf einer großen Konferenz eine erste Bilanz gezogen. Wir wollen das auch tun, und zwar im Gespräch mit Professor Rainer Grießhammer, Geschäftsführer des Freiburger Öko-Instituts. Er ist einer der Unterzeichner eines offenen Briefes an die Bundesregierung dazu. Herr Grießhammer, was ist bisher erreicht oder nicht erreicht worden im nationalen Programm für nachhaltigen Konsum?
Rainer Grießhammer: Wenn man die tatsächlichen Vorgänge anschaut, dann sieht man, dass es einen durchaus großen Erfolg gab in Richtung Informations- und Bildungsmaßnahmen. Da kann man als Beispiele nennen den blauen Umweltengel als Umweltzeichen, oder die Produkt-Webseite "EcoTopTen" über Energie verbrauchende Produkte, oder auch sehr gut das große Strom-Einsparprogramm für einkommensschwache Haushalte, wo über 250.000 Haushalte sich beteiligt haben. Das sind aber alles Maßnahmen, Information und Bildung, und da sieht man, dass einige Prozent der Bevölkerung, so in der Regel, unterschiedlich auch nach Gebieten, fünf Prozent, darauf reagieren, aber die große Masse nach wie vor so konsumiert, wie das bisher der Fall war. Und das ist alles andere als nachhaltig.
Kindermann: Kann man dann sagen, das Programm ist eigentlich eine Luftnummer?
"Wir brauchen mehr gesetzliche Rahmenbedingungen"
Grießhammer: Nein, das Programm ist ein guter Start im Hinblick auf diese Informations- und Bildungsmaßnahmen. Aber es muss ganz deutlich weitergehen, und zwar in zwei Gebieten. Das erste ist, dass es tatsächlich jetzt sehr deutliche Änderungen bei den staatlichen Rahmenbedingungen geben muss, bei Gesetzen, bei Fördermaßnahmen. Das heißt, schärfere Grenzwerte für PKW, Tempolimits, Änderung der EU-Agrarpolitik, bessere Tierhaltung und so weiter.
Und der zweite Bereich ist, dass man stärker die finanziellen Rahmenbedingungen ändern muss. Bisher ist es ja immer noch so, wenn man nicht nachhaltig produziert und konsumiert, dass man dann günstiger wegkommt, weil die Umweltkosten durch eine umweltschädliche Produktion von der Gesellschaft getragen werden. Und zum Teil wird das auch noch belohnt durch staatliche Subventionen.
Kindermann: Müsste man denn in das Programm nicht auch die Unternehmen, die Wirtschaft mehr einbeziehen? Lebensmittelketten wie Aldi oder Lidl zum Beispiel, die kommen da jetzt gar nicht vor.
Grießhammer: Ja! Aber das erreicht man am einfachsten, indem man die finanziellen Rahmenbedingungen so macht, dass die, die nachhaltig produzieren, tatsächlich auch einen Vorteil am Markt haben. Bisher ist es gerade umgekehrt und das heißt, Abbau aller umweltschädlichen Subventionen, beispielsweise für die Kohle, und das heißt auch ökologische Steuerreform. Das würde automatisch bedeuten, dass Unternehmen, die mehr in Richtung Nachhaltigkeit gehen, am Markt auch Vorteile haben.
Kindermann: Muss es für das Programm mehr Geld geben?
Grießhammer: Auf jeden Fall ist es so, dass eine ganze Reihe von Fördermaßnahmen noch ausstehen, beispielsweise im Bereich Gebäudesanierung, wo ja zur Erreichung von den Klimaschutzzielen eine starke Beschleunigung erforderlich ist, und da sind sicherlich noch mehr und differenzierte Fördermittel auch notwendig.
"Wir brauchen systematische Veränderungen"
Kindermann: Müsste so ein Programm nicht noch stärker am Kunden, am Konsumenten ansetzen, da vielleicht auch Aufklärung betreiben? Es soll ja Leute geben, die im Bio-Supermarkt einkaufen und dann in den SUV steigen.
Grießhammer: Das hat man in den vergangenen 10 bis 15 Jahren gemacht und da erreicht man einen Teil der Bürger. Aber am ehesten erreicht man die Bürger, wenn die Rahmenbedingungen langsam, aber systematisch verändert werden. Ich will ein Beispiel nehmen: In ganz Europa, außer Deutschland, oder in den USA ist es selbstverständlich, dass es ein Tempolimit gibt. Da regt sich auch keiner auf. Und wenn man so was mal einführt, wird nach einigen Jahren auch keiner mehr darüber sich aufregen, genauso wie das im Falle zum Beispiel beim Rauchen in öffentlichen Gebäuden ist. Das hätte man ja vor wenigen Jahren auch gedacht, es ist undenkbar, dass man so was ändern kann. Heute schüttelt man eher den Kopf darüber, wie man sich früher verhalten hat.
Kindermann: Das nationale Programm für nachhaltigen Konsum, da gibt es noch einiges zu tun. Herr Grießhammer, vielen Dank für das Gespräch.
Grießhammer: Gerne.
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