Rauscht heute ein Flugzeug über einen hinweg, hat es Kerosin im Tank, in der Regel hergestellt aus Erdöl. Doch ginge es nach den Plänen von Airbus, soll in 15 Jahren Wasserstoff die Flieger antreiben – und zwar grüner Wasserstoff, erzeugt mithilfe von erneuerbaren Energien. "Wir haben das Turbofan-Design, Reichweite bis 2000 Meilen. Das könnte transkontinental unterwegs sein, mit einem modifizierten Gasturbinen-Triebwerk, das wir durch Verbrennung mit Wasserstoff statt Kerosin betreiben werden", sagt Grazia Vittadini, Technologiechefin von Airbus.
Flugzeugturbinen ließen sich ohne größere Modifikationen auf Wasserstoff umstellen, das sollte technisch kein Problem sein. Doch der wasserstoffbetriebe Düsenjet ist nur eine Variante, Airbus tüftelt an zwei weiteren: an einer Turbo-Prop-Maschine mit Propellerantrieb sowie an einem Nurflügler. Bei ihm fungiert der gesamte Rumpf als Tragfläche, bekanntestes Beispiel sind die Tarnkappenbomber des US-Militärs. "Was sehr interessant ist, denn der außergewöhnliche breite Rumpf eröffnet mehrere Möglichkeiten für die Speicherung und Verteilung von Wasserstoff."
Voluminöse Flüssigtanks
Damit spricht Vittadini die größte Herausforderung an – die Tanks für den Wasserstoff. Ihn gasförmig zu speichern, würde viel zu viel Platz brauchen. Deshalb setzt Airbus auf Flüssigtanks. "Es wird wichtig sein, an Bord flüssigen Wasserstoff lagern zu können. Und zwar bei minus 253 Grad Celsius, die nötig sind, um ihn flüssig zu halten." Diese Kälteverflüssigung kostet Energie, und die Tanks müssen gut wärmeisoliert sein. Doch selbst der flüssige Wasserstoff beansprucht noch deutlich mehr Platz als Kerosin. Die Folge: "Wir können den Treibstoff nicht mehr im Flügel unterbringen, so wie es bei Kerosin der Fall ist, sondern wir müssen wahrscheinlich auf Lösungen umsteigen, die im Rumpf untergebracht sind", sagt Mirko Hornung, Luftfahrtexperte an der TU München.
Und das bedeutet: Wasserstoffflieger müssten einen deutlich längeren und auch dickeren Rumpf haben als die heutigen Maschinen. "Was einhergeht mit einem größeren Widerstand des Flugzeuges und dementsprechend höherem Leistungsbedarf und mehr Energiebedarf", so Hornung. Hier könnte das Nurflügler-Konzept punkten. Mit seiner voluminösen Form dürfte es genug Platz für Wasserstofftanks bieten, ist aber als Passagierflugzeug bislang noch nicht erprobt.
Wasser als Abgas
Doch es gibt noch weitere Fragen – etwa die nach den Kondensstreifen. Bei den heutigen Flugzeugen entstehen sie durch den Ausstoß von Ruß und Stickoxiden und sind mindestens ebenso klimawirksam wie die CO2-Emissionen. Ruß und Stickoxide kämen aus einem Wasserstoffflieger zwar nicht heraus, dafür aber reichlich Wasserdampf, sagt Stefanie Meilinger von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. "Man muss bedenken, dass man je nachdem, in welcher Höhe man fliegt, substanziell mehr Wasser einbringt. Zum einen bewirkt das die Bildung von Kondensstreifen, zum anderen ändert das auch den Ozon-Haushalt in dieser Schicht."
Ob Wasserstoffjets mehr oder weniger Kondensstreifen erzeugen als heute die Kerosinflieger, ist unklar, da bedarf es noch weiterer Forschung. Das weiß auch Airbus-Technologiechefin Grazia Vittadini. "Wir haben schon unterschiedliche Demonstrationen geplant, wo wir nicht nur Emissionen messen werden, sondern auch das Phänomen der Kondensstreifen genauer verstehen möchten."
Wasserstoff oder synthetisches Kerosin?
Abgesehen davon stellt sich eine weitere Frage: Statt grünen Wasserstoff direkt als Treibstoff zu verwenden, ließe er sich alternativ auch zu sogenannten eFuels weiterverarbeiten, zu synthetischem Kerosin. "Massiv für die Nutzung von synthetischen Kraftstoffen spricht, dass man die Infrastruktur nicht umbauen muss", sagt Stefanie Meilinger. Die heutigen Maschinen ließen sich einfach weiternutzen, man müsste keine neuen konstruieren. Allerdings wäre die Energieeffizienz bei synthetischem Kerosin deutlich schlechter als bei Wasserstoff, mein Mirko Hornung. "Wir können den Wasserstoff ungefähr zu 50 Prozent der Kosten herstellen, die wir bei nachhaltigem Kerosin hätten."
Was unterm Strich günstiger ist, die Verwendung von synthetischem Kerosin oder der Umstieg auf verflüssigten Wasserstoff, ist noch unklar. Solche grundlegenden Fragen will Airbus zunächst mal beleuchten, bevor sich das Unternehmen an die Konstruktion des Prototyps eines konkreten Fliegers macht, betont Vittadini. "2025 werden wir voraussichtlich in der Lage sein zu entscheiden, in welcher Konfiguration und wo wird Wasserstoff tatsächlich verwendet." Ob dann tatsächlich in 15 Jahren die erste Linienmaschine mit Wasserstoffantrieb abheben kann, bleibt angesichts der vielen offenen Fragen abzuwarten.