Archiv


Nachhaltiges Baumaterial

Materialforschung. - Stahl und Beton haben dem uralten Baustoff Holz in der Moderne den Rang abgelaufen. Doch das könnte sich in ein paar Jahren wieder ändern: Wissenschaftler an der Technischen Universität Dresden haben ein neues Verfahren entwickelt, mit dem sie aus einfachem Holz ein ausgesprochen stabiles Material herstellen.

Von Viola Simank |
    Holz als Schaumstoff zu betrachten, der sich leicht formen lässt - auf den ersten Blick scheint der Vergleich gewagt. Doch schaut man auf die innere Struktur des Holzes, wirkt der Gedanke gar nicht mehr so abwegig. Holzbau-Professor Peer Haller.

    "Wir sprechen fälschlicherweise von Massivholz. Wenn man aber das Holz unter dem Mikroskop betrachtet, dann stellt man fest, dass der Porenanteil sehr groß ist. Das bedeutet also, es ist ein sehr filigraner, sehr poröser Stoff. Und wir nutzen eben diese Porosität des Stoffes, um ihn örtlich formen zu können."

    Beispielsweise zu Rohren, die als tragende Elemente im Bau genutzt werden können. Haller und seine Mitarbeiter am Institut für Stahl- und Holzbau der Technischen Universität Dresden haben dafür ein neues Verfahren entwickelt. Es hat zwei entscheidende Vorteile: Bei der Herstellung der Rohre braucht man bis zu 70 Prozent weniger Rohholz als bei einem vergleichbaren massiven Balken. Außerdem erhöht das Verfahren gleichzeitig die Tragfähigkeit des Holzes: Die neuartigen Rohre können das Gewicht von bis zu 50 Tonnen tragen, das sind etwa 50 Autos. Ausgangsmaterial für die Rohre ist unbearbeitetes Holz , zum Beispiel Ahorn.

    "Wir gehen zunächst dazu über, aus ganz normalem Kantholz unter Wärme und Druck verdichtetes Holz herzustellen. Das heißt also, unter einer Heizpresse wird das Holz in einer Richtung quer zur Faser verdichtet, dann in der Presse abgekühlt und später zu einer massiven Platte verleimt."

    Die einzelnen Holzleisten werden also erst stark zusammengepresst, bevor sie zu einer Platte verklebt werden. Diese Verdichtung macht das Holz so stabil. Dann wird die Platte - leicht befeuchtet und erwärmt - zu einem Rohr gebogen. Durch diese Röhrenform braucht man weniger Material, die Rohre sind trotzdem tragfähiger als massive Balken. Noch stabiler werden sie, wenn man sie mit einer Hülle verstärkt. Die Dresdner Wissenschaftler haben dazu verschiedene Materialien getestet, sie sollen das Holz wasserabweisend, haltbarer oder tragfähiger machen. Projektmitarbeiter Jörg Wehsener.

    "Wir haben bisher als Fasermaterial sowohl Naturfasern als auch Kunstfasern genutzt. Die im Einsatz befindlichen Fasern sind Jute oder Flachs aber auch Glasfasern, die natürlich wesentlich andere Eigenschaften sowohl in der Brennbarkeit als auch in der Dauerhaftigkeit als die Naturfasern besitzen."

    Auch eine Umhüllung aus Kohlenstoff wurde getestet, sie erhöhte die Tragfähigkeit der Rohre auf nahezu das Doppelte. In einer Pilotanlage haben Haller und sein Team bereits ihre bis zu drei Meter langen Formholzrohre produziert. Zurzeit wird die Maschine umgebaut, die Forscher wollen noch längere Rohre herstellen . Wichtig für den Praxistest im Bau, der nächste Schritt, der jetzt folgen soll. Mit dem neuen Formholz könnten Hochhäuser und Brücken konstruiert werden, aber auch Transportleitungen oder Möbel. Ein Industrienetzwerk aus 30 Unternehmen und Forschungseinrichtungen arbeitet derzeit an der Weiterentwicklung des Verfahrens. Vor allem die Baubranche und Architekten zeigen sich an dem neuen Material interessiert und warten auf erste Praxiserfahrungen.