1769 meldete der Brite James Watt die Dampfmaschine zum Patent an. Eine bislang beispiellose Entwicklung nahm ihren Lauf: der Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft. Die sogenannte Industrielle Revolution führte allerdings nicht nur zu ökonomischen Umwälzungen. Auch Politik und Kultur veränderten sich in ihrer Folge rasant. In der ersten Industriellen Revolution, beruhend auf der Erschließung und Nutzung von Kohle, erkämpfte sich beispielsweise das Bürgertum Gewerbefreiheit und den Rechtsstaat.
Im Zuge der zweiten Industriellen Revolution ab circa 1890, die auf Öl gegründet wurde und die Grundlage unserer heutigen Mobilität legte, emanzipierte sich die Arbeiterschaft. In heftigen Auseinandersetzungen entstand der Sozialstaat. Nun, so sagt Klaus Jacob, Leiter der Forschungsstelle Umweltpolitik an der FU Berlin, befinden wir uns inmitten einer dritten Industriellen Revolution. Die Technologien dazu seien längst vorhanden. Sie werde und müsse sich, so Jacob, auf erneuerbare Energiequellen gründen, anders ließe sich die Klimakatastrophe nicht abwenden. Und, aufgrund des engen Zeitkorridors, der bleibe, müsse sie vom Staat forciert werden.
"Es gibt einen Handlungsimperativ. Klima verträgt keinen weiteren Aufschub. Aber wenn man dort etwas verändert, wenn man die Energiebasis der Gesellschaft verändert, dann folgen daraus auch eine Veränderung der Wohlstandsbasis, eine Veränderung der Infrastruktur, eine Veränderung von Städten, wie sie gebaut sind und letztlich aber auch des Regulierungsapparates, der damit verbunden ist. Also, man hat wirtschaftliche, technologische, gesellschaftliche und politische Veränderungen. Und das ist etwas, eine Qualität, die sich vergleichen lässt mit Phasen des Umbruchs in früheren Zeiten."
Für den amerikanischen Soziologen und Ökonomen Jeremy Rifkin ergaben sich die großen wirtschaftlichen Umbrüche in der Weltgeschichte immer aus dem Zusammentreffen neuer Energiegewinnung mit neuen Möglichkeiten zur Kommunikation. Die Revolution unserer Kommunikationswege, wie sie sich seit 1990 in rasantem Tempo mit Computer und Internet entwickelt hat, müsse nun ihre Entsprechung finden in dem Umbau unserer Industriegesellschaft - weg von relativ zentralisierter CO2-Wirtschaft hin zu dezentralen Formen der Energiegewinnung aus Sonne, Wind und Wasserstoff. Wenn schon jeder mit jedem kommunikativ vernetzt sein könne und jederzeit nicht nur Empfänger, sondern auch Sender sein kann, müsse Ähnliches auch im Energiebereich möglich sein. Mit ihrem Plan, eine dritte Industrielle Revolution umzusetzen, hat sich die Europäische Union zumindest auf dem Papier schon daran gemacht, neue technische Möglichkeiten der Energieeinsparung und der erneuerbaren Energien zu fördern. Innerhalb einer einzigen Generation werde es möglich sein, Europa ein wirklich nachhaltiges Energiesystem zu geben, schrieb EU-Kommissar Andris Piebalgs. Allerdings, sagt Jeremy Rifkin:
"Wir haben jetzt diesen Plan und mit einem guten Wirtschaftsplan und einer schon jetzt vorhandenen Technologie können wir jenseits von Kohle und Kernkraft zu erneuerbaren Energien und dezentralisierter Energiegewinnung kommen. Aber wir brauchen noch etwas anderes: einen Wandel im menschlichen Bewusstsein. Und der muss schnell kommen. Zwischen den drei zur Zeit lebenden Generationen und den nächsten dreien müssen wir begreifen, dass wir eine einzigartige Spezies sind, eingebettet in eine Biosphäre, die wir uns mit allen Lebewesen teilen. Die Leute sagen: das ist eine entmutigende Aufgabe, aber das Bewusstsein hat sich schon oft gewandelt."
Doch um einen Bewusstseinswandel durchzusetzen, braucht es mehr als nur die Einsicht in die Fakten der drohenden Klimakatastrophe. Weder die seit fast 30 Jahren bestehende Ökobewegung noch der aufrüttelnde Dokumentarfilm von Al Gore konnten bislang eine Wende herbeiführen. Bezeichnenderweise gelang es erst einem Ökonomen wie Nicholas Stern, eine wichtige Zahl von Regierungen aufzuwecken. Seine 2006 veröffentlichte "Stern Review" rechnete vor, was die Erderwärmung kosten werde. Bis zu 20 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung sei in Gefahr, während effektiver Klimaschutz für gerade ein Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes geschaffen werden könne. Auch wenn Stern seine Prognose inzwischen auf zwei Prozent erhöht hat - der wirtschaftliche Nutzen und nicht das Katastrophenszenario schufen ein neues Bewusstsein - zumindest bei manchen Regierungen und in der Wirtschaft. Dabei bleibe ein wichtiger Faktor, so Jeremy Rifkin, bislang weiter ausgeklammert:
"Ich glaube nicht, dass die Öffentlichkeit sich unserer Ernährungkrise bewusst ist. Die Entwicklungsländer sind bedroht. Da die Energiepreise steigen, steigen auch die Nahrungsmittelpreise. In den letzten zwei Jahren hatten wir Unruhen deswegen in 30 verschiedenen Ländern. Die Menschen verhungern. 850 Millionen Menschen leiden an Mangelernährung. Wir haben kaum Land übrig, um die Menschheit zu ernähren. Fast 40 Prozent des Landes wird dazu benutzt, Nahrung für Tiere herzustellen und nicht für Menschen. Das ist geradezu unglaublich. Es gibt Länder, in denen Menschen hungern, aber aus denen Getreide exportiert wird, um Tiere zu füttern. Ironischerweise sterben wir dann an Wohlstandskrankheiten, die von fettem Fleisch herrühren wie Krebs, Herzkrankheiten und anderen, während unsere armen Brüder und Schwestern an Mangelernährung sterben, weil sie keinen Zugang zu fruchtbarem Land haben."
Die sogenannte Fleischwirtschaft mit ihrer Massentierhaltung, der Rodung von Urwald zur Weidegewinnung und ihren weiten Transportwegen inklusive des Transports von Futtermitteln und des Methanausstoßes von Kühen gilt als einer der größten Faktoren bei der Umweltkrise. Sie trägt nur 1,4 Prozent zur Weltwirtschaftsleistung bei, aber ist zu 18 Prozent für Treibhausgase verantwortlich. Doch der Fleischkonsum weltweit steigt sogar – trotz der Folgen für Umwelt und Mensch. Ist die Menschheit einfach nicht fähig, in einem angemessenen Zeitraum umzudenken? Der Sozialpsychologe Harald Welzer glaubt, dass die bisherigen Aufrufe zum umweltverträglichen Verhalten deshalb zum Scheitern verurteilt waren, weil man sie als Verzichtsappelle deklariert hatte.
"Verzicht ist psychologisch überhaupt nicht attraktiv. Deshalb kann man keine Leute davon überzeugen, auf irgendetwas zu verzichten und zweitens ist eine veränderte Lebensweise überhaupt nicht zwingend so, dass sie mit Verzicht einhergehen muss, sondern sie kann durchaus mit Gewinn einhergehen. Mit Gewinn an Ruhe, mit Gewinn an schöner Landschaft, mit Gewinn an qualitativer Zeit, mit Gewinn an Kommunikationsmöglichkeiten, was auch immer."
Der Umbau der Industriegesellschaft in eine Umweltgesellschaft brauche angesichts der weitverbreiteten Demokratie- und Politikverdrossenheit ein Mehr an demokratischer Teilhabe aller Bürger. Klimawandel bedeute auch: Kulturwandel. Der erhebliche Anpassungsstress, der auf die Bürger zukommen werde, ein mögliches Absinken des Lebensstandards erfordere eher mehr politisches Engagement des Einzelnen als bisher – und kleinteiligere, dezentralere Strukturen, die durchaus die Lebensqualität steigern könnten. Also beispielsweise keine Einkaufszentren mehr auf der grünen Wiese, sondern lebendige Innenstädte und Dörfer.
"Es ist ja nicht so, dass alle Dinge, die wir tun, mit Wohlgefühl und mit Lebensqualität verbunden sind. Zum Beispiel das, was wir für vollständig normal halten: Mobilität. Was wir geradezu für einen Bestandteil unserer Religion zählen, nämlich ständig mobil zu sein, an jedem Ort erreichbar, verfügbar zu sein, Nahrungsmittel zu beziehen aus allen Teilen der Welt, andere Güter auch, mit Fliegern in den Urlaub zu fliegen. All diese Sachen stellen sich für uns ja dar als Lebensqualität. Bei genauer Betrachtung erzeugen sie ja nicht mehr als Kosten und Stress."
Die Bürger müssten aktiv beim Umbau des Staates einbezogen werden, ansonsten drohe ein weiterer Ansehensverlust der Politik mit allen daraus resultierenden Unwägbarkeiten für den sozialen und politischen Frieden. Und, so befürchtet auch Claus Leggewie, Leiter des Kulturwissenschaftlichen Instituts in Essen, der zum Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen gehört: es könnten die demokratischen Staaten des Westens den Anschluss an die Entwicklung in den Industriestaaten verlieren. Demokratie könnte sogar zum Standortnachteil werden.
"Halten Demokratien Klimawandel aus? Im Moment sieht es ein bisschen so aus, und das soll nicht defätistisch gemeint sein, sondern als Ansporn für liberale Demokratien, dass autokratische Regime, eines, was von der kommunistischen Partei mit einem massiven kapitalistischen Wirtschaftswachstum jetzt gefördert wird wie in China, dass die ganz gut mit der Green Growth Economy, also der Umstellung auf grüne Technologien zurechtkommen und bei uns alles sehr viel länger dauert."
Ausgerechnet China, das eine gegenüber Mensch wie Natur rücksichtslose Wirtschaftspolitik an die Spitze der Industrienationen befördert hat, lenkt zurzeit radikal um und investiert rund vierzig Prozent seines Finanzkrisen-Konjunkturprogrammes in eine umweltfreundliche Wirtschaft. Schon jetzt ist das Reich der Mitte führend bei der Solar- und Batterientechnologie und investiert in die Entwicklung von Elektroautos. Experten sprechen gar von einer Art Goldrausch: Chinas Unternehmer setzten auf Umwelttechnologien, um reich zu werden. Doch auch das demokratische, aber in wirtschaftlichen Fragen stark vom Staat dominierte Südkorea investiert 80 Prozent seines Konjunkturprogrammes in erneuerbare Energien. Klaus Jacob, Leiter der Forschungsstelle Umweltpolitik an der FU Berlin, glaubt allerdings nicht, dass allein Vorgaben von oben einen ökonomischen Wandel durchsetzen werden.
"Länder, die erfolgreich waren in der Vergangenheit, in den letzten 30 Jahren, in der Entwicklung und der Weiterentwicklung von Umweltpolitik, die skandinavischen Länder, die haben sich immer dadurch ausgezeichnet, dass sie offen waren für Innovationen und zwar nicht nur technologische Innovationen, sondern dass sie auch politische Systeme, auch neue Ideen zugelassen haben und die dort eingebracht haben. Also, eine Innovationsfähigkeit des politischen Systems."
Soziologen und Ökonomen wie der Amerikaner Jeremy Rifkin setzen auf Europa als Vorreiter einer veränderten Politik. Rifkin nennt es den "europäischen Traum": die Kultur einer Welt, in der nicht nur das Wohl des Einzelnen zählt, sondern in der sich jeder bewusst ist, dass sein Wohl auch von dem des Anderen abhängt. Dieser "europäische Traum" korrespondiere mit den neuen Möglichkeiten der Kommunikation. Im Internet mit seinen sozialen, weltumspannenden Netzwerken sei globales Denken längst üblich und etabliert.
"Wir steuern auf ein globales Bewusstsein zu. Das ist der europäische Traum. Das ist ziemlich interessant. Wenn wir uns den amerikanischen Traum ansehen, dann ist das der Traum von der Grenze, die es zu erweitern gilt. Ein starkes Land, voller Möglichkeiten. Arbeite hart und Du wirst Erfolg haben. Aber wir haben keine Grenze mehr. In einer global vernetzten Welt, in der jeder von jedem abhängig ist, braucht es keine sechs Milliarden Cowboys. Es wird nicht funktionieren, wenn jeder nur an sich denkt. Wenn man Europäer fragt: Was ist das Wichtige? dann werden die meisten sagen: die Lebensqualität. Lebensqualität heißt: man ist sich bewusst, dass man ein Teil der Gemeinschaft ist und mein Wohlergehen davon abhängt, dass es auch Dir gut geht."
Doch ist das politische System Europas stark genug, um einen Wandel hin zu einer umweltverträglichen Gesellschaft zu gewährleisten? Die Europäische Union mit ihrer Vielzahl an Interessengruppen, Lobbyisten und einzelstaatlichen Besonderheiten? Und wie kann die Politik dringende Umsteuerungsmaßnahmen gegen Einzelinteressen durchsetzen, wo es doch beispielsweise in Deutschland schon schwer genug ist, Politik gegen die Automobilindustrie zu machen? Klaus Jacob von der FU Berlin:
"Was es braucht aus meiner Sicht, ist eine stärkere Wissensbasierung von Politik. Politik ist ja dann legitim, wenn es ne Mehrheit hat, sollte dann aber eine zusätzliche Legitimationsbasis dadurch bekommen, dass sie evidenzbasiert ist, dass man zeigen kann, dass es einen Beitrag dazu leistet, dass Emissionen reduziert werden und die drängenden Umweltprobleme auch über den Klimaschutz hinausgehen und der Verlust der Biodiversität, die Nutzung und Verteilung von Wasserressourcen, die weitere Ressourcennutzung, diese Probleme eben gelöst werden."
Auch wenn langfristig damit neue Arbeitsplätze entstehen werden: taditionelle Unternehmensbereiche werden erst einmal entwertet werden, die Widerstände bisheriger Interessenvertreter werden stark sein. Deshalb, muss, so sagt der Umweltökonom Klaus Jacob, der Staat eine stärkere Rolle spielen als bisher und den Unternehmen stärkere Zielvorgaben machen. Die Umwelt müsse mehr in das Zentrum staatlicher Entscheidungen gerückt werden.
"Die Institutionalisierung würde bedeuten, dass es Grundrechte zuerst einmal gibt, dass es einen starken Imperativ dafür gibt, Umweltaspekte in Entscheidungen des Staates zu berücksichtigen, dass die Institutionen, die dafür verantwortlich sind, gestärkt werden, dass auch Individualrechte verbunden werden mit Umweltaspekten, alsodass Sie und ich einklagen könnten ein Recht auf Umwelt, so wie wir unser Recht auf Eigentum einklagen könne oder wie wir unsere Rechte im Sozialsystem einklagen können. So ein Äquivalent wird gebraucht für die Umweltseite. Das dekliniert sich dann weiter natürlich in ein Instrumentarium, ein staatliches Instrumentarium, das mehr ist als ein bisschen Koordination, ein bisschen Werbung für die Umweltseite, sondern letztlich dann bedeutet harte Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen. Wo vielleicht das Verbot von Glühlampen ein erster Vorbote ist, aber eben eine Richtung aufzeigt, in die staatliches Handeln sich entwickeln könnte."
Der umfassende Umbruch einer Dritten Industriellen Revolution dürfe nicht zu ähnlichen sozialen Konflikten führen wie das bei seinen historischen Vorläufern der Fall gewesen war. Der Staat müsse hier ausgleichend handeln. Und, so sagt der Essener Politikwissenschaftler Claus Leggewie, es müsse die Gesellschaft in die Lage versetzt werden, die Herausforderung in eine Chance zu verwandeln:
"Wir können im Moment ökonomischen Nutzen, nämlich neue Technologien, die sich natürlich auch verkaufen lassen, weltweit mit klimapolitischem Nutzen verbinden. Wir können zwei andere Nutzertypen miteinander verbinden. Wenn wir mal beim Homo Oeconomicus, dieser eingeschränkten Menschheitsvariante bleiben: es gibt viele Menschen, die könnten jetzt, indem sie zum Beispiel den Stromanbieter wechseln oder indem sie auf Solartechnologie umschalten können, viel Geld sparen. Wenn man sich das durchrechnet, ist es einfach nicht rational, bei alten Autos oder bei alten Raumheizungen stehen zu bleiben. Also, da gibt es einen Ergebnisnutzen: Wir sparen Geld. Und diesen Ergebnisnutzen, ökonomisch gesprochen, kann ich mit Prozessnutzen verbinden. Ich bin nämlich bei etwas dabei, etwas Größerem, was nicht nur mein individuelles Nutzeninteresse ist, nämlich der Verbesserung der Welt."
Im Zuge der zweiten Industriellen Revolution ab circa 1890, die auf Öl gegründet wurde und die Grundlage unserer heutigen Mobilität legte, emanzipierte sich die Arbeiterschaft. In heftigen Auseinandersetzungen entstand der Sozialstaat. Nun, so sagt Klaus Jacob, Leiter der Forschungsstelle Umweltpolitik an der FU Berlin, befinden wir uns inmitten einer dritten Industriellen Revolution. Die Technologien dazu seien längst vorhanden. Sie werde und müsse sich, so Jacob, auf erneuerbare Energiequellen gründen, anders ließe sich die Klimakatastrophe nicht abwenden. Und, aufgrund des engen Zeitkorridors, der bleibe, müsse sie vom Staat forciert werden.
"Es gibt einen Handlungsimperativ. Klima verträgt keinen weiteren Aufschub. Aber wenn man dort etwas verändert, wenn man die Energiebasis der Gesellschaft verändert, dann folgen daraus auch eine Veränderung der Wohlstandsbasis, eine Veränderung der Infrastruktur, eine Veränderung von Städten, wie sie gebaut sind und letztlich aber auch des Regulierungsapparates, der damit verbunden ist. Also, man hat wirtschaftliche, technologische, gesellschaftliche und politische Veränderungen. Und das ist etwas, eine Qualität, die sich vergleichen lässt mit Phasen des Umbruchs in früheren Zeiten."
Für den amerikanischen Soziologen und Ökonomen Jeremy Rifkin ergaben sich die großen wirtschaftlichen Umbrüche in der Weltgeschichte immer aus dem Zusammentreffen neuer Energiegewinnung mit neuen Möglichkeiten zur Kommunikation. Die Revolution unserer Kommunikationswege, wie sie sich seit 1990 in rasantem Tempo mit Computer und Internet entwickelt hat, müsse nun ihre Entsprechung finden in dem Umbau unserer Industriegesellschaft - weg von relativ zentralisierter CO2-Wirtschaft hin zu dezentralen Formen der Energiegewinnung aus Sonne, Wind und Wasserstoff. Wenn schon jeder mit jedem kommunikativ vernetzt sein könne und jederzeit nicht nur Empfänger, sondern auch Sender sein kann, müsse Ähnliches auch im Energiebereich möglich sein. Mit ihrem Plan, eine dritte Industrielle Revolution umzusetzen, hat sich die Europäische Union zumindest auf dem Papier schon daran gemacht, neue technische Möglichkeiten der Energieeinsparung und der erneuerbaren Energien zu fördern. Innerhalb einer einzigen Generation werde es möglich sein, Europa ein wirklich nachhaltiges Energiesystem zu geben, schrieb EU-Kommissar Andris Piebalgs. Allerdings, sagt Jeremy Rifkin:
"Wir haben jetzt diesen Plan und mit einem guten Wirtschaftsplan und einer schon jetzt vorhandenen Technologie können wir jenseits von Kohle und Kernkraft zu erneuerbaren Energien und dezentralisierter Energiegewinnung kommen. Aber wir brauchen noch etwas anderes: einen Wandel im menschlichen Bewusstsein. Und der muss schnell kommen. Zwischen den drei zur Zeit lebenden Generationen und den nächsten dreien müssen wir begreifen, dass wir eine einzigartige Spezies sind, eingebettet in eine Biosphäre, die wir uns mit allen Lebewesen teilen. Die Leute sagen: das ist eine entmutigende Aufgabe, aber das Bewusstsein hat sich schon oft gewandelt."
Doch um einen Bewusstseinswandel durchzusetzen, braucht es mehr als nur die Einsicht in die Fakten der drohenden Klimakatastrophe. Weder die seit fast 30 Jahren bestehende Ökobewegung noch der aufrüttelnde Dokumentarfilm von Al Gore konnten bislang eine Wende herbeiführen. Bezeichnenderweise gelang es erst einem Ökonomen wie Nicholas Stern, eine wichtige Zahl von Regierungen aufzuwecken. Seine 2006 veröffentlichte "Stern Review" rechnete vor, was die Erderwärmung kosten werde. Bis zu 20 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung sei in Gefahr, während effektiver Klimaschutz für gerade ein Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes geschaffen werden könne. Auch wenn Stern seine Prognose inzwischen auf zwei Prozent erhöht hat - der wirtschaftliche Nutzen und nicht das Katastrophenszenario schufen ein neues Bewusstsein - zumindest bei manchen Regierungen und in der Wirtschaft. Dabei bleibe ein wichtiger Faktor, so Jeremy Rifkin, bislang weiter ausgeklammert:
"Ich glaube nicht, dass die Öffentlichkeit sich unserer Ernährungkrise bewusst ist. Die Entwicklungsländer sind bedroht. Da die Energiepreise steigen, steigen auch die Nahrungsmittelpreise. In den letzten zwei Jahren hatten wir Unruhen deswegen in 30 verschiedenen Ländern. Die Menschen verhungern. 850 Millionen Menschen leiden an Mangelernährung. Wir haben kaum Land übrig, um die Menschheit zu ernähren. Fast 40 Prozent des Landes wird dazu benutzt, Nahrung für Tiere herzustellen und nicht für Menschen. Das ist geradezu unglaublich. Es gibt Länder, in denen Menschen hungern, aber aus denen Getreide exportiert wird, um Tiere zu füttern. Ironischerweise sterben wir dann an Wohlstandskrankheiten, die von fettem Fleisch herrühren wie Krebs, Herzkrankheiten und anderen, während unsere armen Brüder und Schwestern an Mangelernährung sterben, weil sie keinen Zugang zu fruchtbarem Land haben."
Die sogenannte Fleischwirtschaft mit ihrer Massentierhaltung, der Rodung von Urwald zur Weidegewinnung und ihren weiten Transportwegen inklusive des Transports von Futtermitteln und des Methanausstoßes von Kühen gilt als einer der größten Faktoren bei der Umweltkrise. Sie trägt nur 1,4 Prozent zur Weltwirtschaftsleistung bei, aber ist zu 18 Prozent für Treibhausgase verantwortlich. Doch der Fleischkonsum weltweit steigt sogar – trotz der Folgen für Umwelt und Mensch. Ist die Menschheit einfach nicht fähig, in einem angemessenen Zeitraum umzudenken? Der Sozialpsychologe Harald Welzer glaubt, dass die bisherigen Aufrufe zum umweltverträglichen Verhalten deshalb zum Scheitern verurteilt waren, weil man sie als Verzichtsappelle deklariert hatte.
"Verzicht ist psychologisch überhaupt nicht attraktiv. Deshalb kann man keine Leute davon überzeugen, auf irgendetwas zu verzichten und zweitens ist eine veränderte Lebensweise überhaupt nicht zwingend so, dass sie mit Verzicht einhergehen muss, sondern sie kann durchaus mit Gewinn einhergehen. Mit Gewinn an Ruhe, mit Gewinn an schöner Landschaft, mit Gewinn an qualitativer Zeit, mit Gewinn an Kommunikationsmöglichkeiten, was auch immer."
Der Umbau der Industriegesellschaft in eine Umweltgesellschaft brauche angesichts der weitverbreiteten Demokratie- und Politikverdrossenheit ein Mehr an demokratischer Teilhabe aller Bürger. Klimawandel bedeute auch: Kulturwandel. Der erhebliche Anpassungsstress, der auf die Bürger zukommen werde, ein mögliches Absinken des Lebensstandards erfordere eher mehr politisches Engagement des Einzelnen als bisher – und kleinteiligere, dezentralere Strukturen, die durchaus die Lebensqualität steigern könnten. Also beispielsweise keine Einkaufszentren mehr auf der grünen Wiese, sondern lebendige Innenstädte und Dörfer.
"Es ist ja nicht so, dass alle Dinge, die wir tun, mit Wohlgefühl und mit Lebensqualität verbunden sind. Zum Beispiel das, was wir für vollständig normal halten: Mobilität. Was wir geradezu für einen Bestandteil unserer Religion zählen, nämlich ständig mobil zu sein, an jedem Ort erreichbar, verfügbar zu sein, Nahrungsmittel zu beziehen aus allen Teilen der Welt, andere Güter auch, mit Fliegern in den Urlaub zu fliegen. All diese Sachen stellen sich für uns ja dar als Lebensqualität. Bei genauer Betrachtung erzeugen sie ja nicht mehr als Kosten und Stress."
Die Bürger müssten aktiv beim Umbau des Staates einbezogen werden, ansonsten drohe ein weiterer Ansehensverlust der Politik mit allen daraus resultierenden Unwägbarkeiten für den sozialen und politischen Frieden. Und, so befürchtet auch Claus Leggewie, Leiter des Kulturwissenschaftlichen Instituts in Essen, der zum Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen gehört: es könnten die demokratischen Staaten des Westens den Anschluss an die Entwicklung in den Industriestaaten verlieren. Demokratie könnte sogar zum Standortnachteil werden.
"Halten Demokratien Klimawandel aus? Im Moment sieht es ein bisschen so aus, und das soll nicht defätistisch gemeint sein, sondern als Ansporn für liberale Demokratien, dass autokratische Regime, eines, was von der kommunistischen Partei mit einem massiven kapitalistischen Wirtschaftswachstum jetzt gefördert wird wie in China, dass die ganz gut mit der Green Growth Economy, also der Umstellung auf grüne Technologien zurechtkommen und bei uns alles sehr viel länger dauert."
Ausgerechnet China, das eine gegenüber Mensch wie Natur rücksichtslose Wirtschaftspolitik an die Spitze der Industrienationen befördert hat, lenkt zurzeit radikal um und investiert rund vierzig Prozent seines Finanzkrisen-Konjunkturprogrammes in eine umweltfreundliche Wirtschaft. Schon jetzt ist das Reich der Mitte führend bei der Solar- und Batterientechnologie und investiert in die Entwicklung von Elektroautos. Experten sprechen gar von einer Art Goldrausch: Chinas Unternehmer setzten auf Umwelttechnologien, um reich zu werden. Doch auch das demokratische, aber in wirtschaftlichen Fragen stark vom Staat dominierte Südkorea investiert 80 Prozent seines Konjunkturprogrammes in erneuerbare Energien. Klaus Jacob, Leiter der Forschungsstelle Umweltpolitik an der FU Berlin, glaubt allerdings nicht, dass allein Vorgaben von oben einen ökonomischen Wandel durchsetzen werden.
"Länder, die erfolgreich waren in der Vergangenheit, in den letzten 30 Jahren, in der Entwicklung und der Weiterentwicklung von Umweltpolitik, die skandinavischen Länder, die haben sich immer dadurch ausgezeichnet, dass sie offen waren für Innovationen und zwar nicht nur technologische Innovationen, sondern dass sie auch politische Systeme, auch neue Ideen zugelassen haben und die dort eingebracht haben. Also, eine Innovationsfähigkeit des politischen Systems."
Soziologen und Ökonomen wie der Amerikaner Jeremy Rifkin setzen auf Europa als Vorreiter einer veränderten Politik. Rifkin nennt es den "europäischen Traum": die Kultur einer Welt, in der nicht nur das Wohl des Einzelnen zählt, sondern in der sich jeder bewusst ist, dass sein Wohl auch von dem des Anderen abhängt. Dieser "europäische Traum" korrespondiere mit den neuen Möglichkeiten der Kommunikation. Im Internet mit seinen sozialen, weltumspannenden Netzwerken sei globales Denken längst üblich und etabliert.
"Wir steuern auf ein globales Bewusstsein zu. Das ist der europäische Traum. Das ist ziemlich interessant. Wenn wir uns den amerikanischen Traum ansehen, dann ist das der Traum von der Grenze, die es zu erweitern gilt. Ein starkes Land, voller Möglichkeiten. Arbeite hart und Du wirst Erfolg haben. Aber wir haben keine Grenze mehr. In einer global vernetzten Welt, in der jeder von jedem abhängig ist, braucht es keine sechs Milliarden Cowboys. Es wird nicht funktionieren, wenn jeder nur an sich denkt. Wenn man Europäer fragt: Was ist das Wichtige? dann werden die meisten sagen: die Lebensqualität. Lebensqualität heißt: man ist sich bewusst, dass man ein Teil der Gemeinschaft ist und mein Wohlergehen davon abhängt, dass es auch Dir gut geht."
Doch ist das politische System Europas stark genug, um einen Wandel hin zu einer umweltverträglichen Gesellschaft zu gewährleisten? Die Europäische Union mit ihrer Vielzahl an Interessengruppen, Lobbyisten und einzelstaatlichen Besonderheiten? Und wie kann die Politik dringende Umsteuerungsmaßnahmen gegen Einzelinteressen durchsetzen, wo es doch beispielsweise in Deutschland schon schwer genug ist, Politik gegen die Automobilindustrie zu machen? Klaus Jacob von der FU Berlin:
"Was es braucht aus meiner Sicht, ist eine stärkere Wissensbasierung von Politik. Politik ist ja dann legitim, wenn es ne Mehrheit hat, sollte dann aber eine zusätzliche Legitimationsbasis dadurch bekommen, dass sie evidenzbasiert ist, dass man zeigen kann, dass es einen Beitrag dazu leistet, dass Emissionen reduziert werden und die drängenden Umweltprobleme auch über den Klimaschutz hinausgehen und der Verlust der Biodiversität, die Nutzung und Verteilung von Wasserressourcen, die weitere Ressourcennutzung, diese Probleme eben gelöst werden."
Auch wenn langfristig damit neue Arbeitsplätze entstehen werden: taditionelle Unternehmensbereiche werden erst einmal entwertet werden, die Widerstände bisheriger Interessenvertreter werden stark sein. Deshalb, muss, so sagt der Umweltökonom Klaus Jacob, der Staat eine stärkere Rolle spielen als bisher und den Unternehmen stärkere Zielvorgaben machen. Die Umwelt müsse mehr in das Zentrum staatlicher Entscheidungen gerückt werden.
"Die Institutionalisierung würde bedeuten, dass es Grundrechte zuerst einmal gibt, dass es einen starken Imperativ dafür gibt, Umweltaspekte in Entscheidungen des Staates zu berücksichtigen, dass die Institutionen, die dafür verantwortlich sind, gestärkt werden, dass auch Individualrechte verbunden werden mit Umweltaspekten, alsodass Sie und ich einklagen könnten ein Recht auf Umwelt, so wie wir unser Recht auf Eigentum einklagen könne oder wie wir unsere Rechte im Sozialsystem einklagen können. So ein Äquivalent wird gebraucht für die Umweltseite. Das dekliniert sich dann weiter natürlich in ein Instrumentarium, ein staatliches Instrumentarium, das mehr ist als ein bisschen Koordination, ein bisschen Werbung für die Umweltseite, sondern letztlich dann bedeutet harte Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen. Wo vielleicht das Verbot von Glühlampen ein erster Vorbote ist, aber eben eine Richtung aufzeigt, in die staatliches Handeln sich entwickeln könnte."
Der umfassende Umbruch einer Dritten Industriellen Revolution dürfe nicht zu ähnlichen sozialen Konflikten führen wie das bei seinen historischen Vorläufern der Fall gewesen war. Der Staat müsse hier ausgleichend handeln. Und, so sagt der Essener Politikwissenschaftler Claus Leggewie, es müsse die Gesellschaft in die Lage versetzt werden, die Herausforderung in eine Chance zu verwandeln:
"Wir können im Moment ökonomischen Nutzen, nämlich neue Technologien, die sich natürlich auch verkaufen lassen, weltweit mit klimapolitischem Nutzen verbinden. Wir können zwei andere Nutzertypen miteinander verbinden. Wenn wir mal beim Homo Oeconomicus, dieser eingeschränkten Menschheitsvariante bleiben: es gibt viele Menschen, die könnten jetzt, indem sie zum Beispiel den Stromanbieter wechseln oder indem sie auf Solartechnologie umschalten können, viel Geld sparen. Wenn man sich das durchrechnet, ist es einfach nicht rational, bei alten Autos oder bei alten Raumheizungen stehen zu bleiben. Also, da gibt es einen Ergebnisnutzen: Wir sparen Geld. Und diesen Ergebnisnutzen, ökonomisch gesprochen, kann ich mit Prozessnutzen verbinden. Ich bin nämlich bei etwas dabei, etwas Größerem, was nicht nur mein individuelles Nutzeninteresse ist, nämlich der Verbesserung der Welt."