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Nachhaltigkeit als Schulfach
„Wegschmeißen kommt nicht infrage“

Radios aufschrauben, Fahrradreifen flicken, Kleidung ausbessern – damit solches Wissen nicht verloren geht, hat die Uni Oldenburg erforscht, wie man Nachhaltigkeit besser im Unterricht verankern kann. Mithilfe der Ergebnisse könnte die nächste Generation lernen, Ressourcen zu schonen und Müll zu vermeiden.

Von Helgard Füchsel |
Eine Junge Frau repariert ihren CD-Player.
Wie man Elektrogeräte repariert oder Kleidung ausbessert, sollen Jugendliche nun auch in der Schule lernen. (picture alliance / dpa Themendienst)
Wo sonst Studierende büffeln, wird heute geschraubt und gefeilt – in einem Seminarraum in der Universität Oldenburg. Einige Erwachsene stehen Schlange mit einem kaputten Toaster, einem defekten Elektroroller oder einer verstopften Espressomaschine. An den Seminartischen sitzen ehrenamtliche Helfer und Jugendliche aus dem Repair-Café der Gesamtschule Kreyenbrück in Oldenburg. Der 15-Jährige Justin zupft mit einer Pinzette Kabel aus einem Mikrofon. Der Rentner Heinz Köhler hat das Gerät mitgebracht.
Heinz Köhler: "Oh da ist es auch nicht in Ordnung"
Justin: "Ich denke mal, dass das hier das Problem sein wird."
Ein Kabel ist nicht richtig mit einem anderen verbunden. Justin lötet die Enden zusammen. Er arbeitet zielstrebig und selbstbewusst.
Justin: "An sich habe ich das in der Schule gelernt und ein bisschen halt privat. Dadurch dass ich privat halt sehr viel löte. Es macht mir auch sehr viel Spaß und so lernt man halt auch mit der Erfahrung."
Der Lehrer Christian Dierking, Zimmerer und Techniklehrer an der Gesamtschule, hat das Repair-Café ins Leben gerufen. Er will die Fähigkeit zu reparieren im Alltag der Schüler verankern.
Besser als jede Theoriestunde
Christian Dierking: "Heutzutage kennen die Schüler das kaum noch, fast gar nicht mehr, irgendetwas zu reparieren. Es wird gekauft, weggeschmissen, das ist für die ganz normal. Und die Schüler, die jetzt bei uns mehrere Jahre dabei sind, da kommt Wegschmeißen gar nicht in Frage. Es wird aufgeschraubt. Es wird geguckt: Was ist da kaputt? Wir wollen auf keinen Fall Müll produzieren. Besser kann man es nicht vermitteln. Das kriegt man in keiner Theoriestunde so gut hin wie wir das im Repair-Cafe machen."
Zwei Tage lang präsentieren sich im Hörsaalzentrum der Universität Oldenburg ganz verschiedene Initiativen. Universitätsdozenten halten Vorträge über das Ausbessern von Kleidungsstücken. Schüler präsentieren ihren selbst restaurierten Traktor aus dem Jahr 1959. An einem Messestand stellt Tutor Sebastian Voß ein Projekt der Technischen Universität Hamburg vor. Er bringt anderen Lehramtsstudierenden bei, Fahrräder zu reparieren. Das Wissen sollen sie später in die Schulen tragen. Allerdings müssten viele erst eigene Hemmschwellen überwinden.
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Schüler der OBS Uplengen bei Leer in Ostfriesland neben ihrem Porsche-Traktor, Baujahr 1959. Mehr als ein Dutzend Schülerinnen und Schüler restaurieren das Gefährt seit 2 Jahren. (Helgard Füchsel / Deutschlandradio)
Sebastian Voß: "Deswegen fangen wir in unserem Projektseminar als ersten Step zum Beispiel auch damit an, dass wir sagen: Okay, wir organisieren komplett defekte Fahrräder vom Schrottplatz oder sonst irgendwas und geben das den Studierenden an die Hand und sagen: Ihr könnt jetzt einfach mal an dem Fahrrad machen, was ihr wollt. Ihr könnt das komplett auseinander nehmen. Ihr braucht keine Hemmungen haben, dass irgendetwas nachher kaputt ist. Einfach damit sie sehen: Wie funktioniert das überhaupt? Was passiert, wenn ich die Schraube löse, um dann halt zu merken: Okay, es ist gar nicht so schwierig, die Mechanik auseinanderzunehmen und wieder zusammen zu setzen."
Reparieren ist wichtige Kulturtechnik
Neun Studiengänge aus acht Universitäten entwickeln zusammen Unterrichtsmaterialien für verschiedene Schulstufen. Projektleiterin Katharina Dutz von der Universität Oldenburg will, dass wichtige Kulturtechniken wie Reparatur und Wartung nicht in der nächsten Generation verloren gehen. Darüber hinaus will sie den Schülern weitere Inhalte vermitteln.
Katharina Dutz: "Was ist ein ökologischer Rucksack? Wo muss ich die Ressourcen schonen? Warum muss ich die Ressourcen schonen und was macht das Wegwerfen von Smartphones beispielsweise in anderen Ländern der Welt mit Ökosystemen?"
Vor allem durch eigenes Handeln werden Zusammenhänge deutlich, sagt Christian Dierking. Im Repair-Café lernen Schüler, welche Gegenstände nachhaltig produziert wurden.
Christian Dierking: "Wir haben zum Beispiel im Repair-Café letztens ein Röhrenradio gehabt und haben das aufgeschraubt, ganz leicht mit drei Schrauben und da war eine Reparaturanleitung hinten drin. Und das gibt es ja heute gar nicht mehr. Heute ist genau das Gegenteil: Heute werden Sachen zugeklebt. Da wollen wir ja auch darauf aufmerksam machen, dass auch die Hersteller, dass da ein Umdenken stattfindet, dass auch wieder Gegenstände repariert werden können."
Wenn Hersteller absichtlich Geräte produzieren, die gar nicht oder nur mit viel Aufwand zu reparieren sind, stößt das Repair-Cafe an seine Grenzen. Aber auch das schärft bei den Schülern das Bewusstsein. Im Idealfall kaufen sie solche Produkte dann gar nicht erst.