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Nachhaltigkeit im Karneval
Korrekte Kamelle

Karnevalsumzüge hinterlassen neben guter Laune auch jede Menge Müll. Nicht nur kleine Vereine, auch das Kölner Festkomitee experimentiert deshalb mit nachhaltigeren Kamelle und Strüßjer.

Von Stefan Römermann |
Ein Bonbon von einem Karnevalsumzug liegt zwischen nassem Konfetti auf der Straße
Bonbon oder Müll? Viele Süßigkeiten, die im Karneval geworfen werden, landen auf der Straße. (picture alliance/ dpa/ Frank Rumpenhorst)
Der Ruf nach "Kamelle", also nach Süßigkeiten, ist bei den Kölner Karnevalsumzügen vermutlich noch wichtiger als das obligatorische "Alaaf". Doch für Umweltschützer sind ausgerechnet die Kamelle inzwischen zum Problem geworden. Schließlich werden allein beim großen Rosenmontagszug inzwischen rund 300 Tonnen Süßigkeiten in die Menge geworfen. Und längst nicht alles davon wird begeistert aufgesammelt. Vieles bleibt einfach liegen. Es wird nach dem Zug von der Straßenreinigung zusammengefegt und landet im Müll, sagt Olivér Szabo aus Köln-Klettenberg.
"Also ich glaub die, die verteilen, die sind sich gar dessen gar nicht bewusst, weil die nie am Straßenrand stehen - wieviel da tatsächlich auf dem Boden liegen bleibt. Was da auch kaputt getrampelt wird. Das ist halt krass. Das geht halt nicht."
Olivér Szabo hat deshalb Anfang des Jahres mit einer Handvoll Mitstreitern einen eigenen Karnevalsverein gegründet. Die Karnevalsgesellschaft Grüne Rheinfunken soll zeigen, dass Karneval auch nachhaltig geht. Den ersten Einsatz gibt es beim Karnevalsumzug in Köln-Sülz. Statt in Plastiktüten verpackte Billig-Süßigkeiten gibt es bei den Grünen Rheinfunken gesündere Kamelle.
"Ja, das ist Popcorn-Mais. Es gibt Äpfel und Möhren, die kaufen wir von einem Bauern hier in Hürth. Die wiederum geben wir in upgecycelten Gemüsebeuteln. Aus Gardinenresten lassen wir Gemüsebeutel anfertigen. Und da kommen dann diese und da kommen dann diese Äpfel und Möhren rein."
Faire Kamelle kommen nicht gut an
Aber auch echte Süßigkeiten wollen die Grünen Rheinfunken verteilen. Vor allem Fairtrade.
"Wir kriegen Schokolade gespendet. Das ist Schokolade, die von Plantagen kommt, die sich gegen Kinderarbeit und Sklaverei einsetzen."
Für mehr Fairtrade-Produkte beim Karneval setzt sich seit fast zwanzig Jahren auch das Projekt "Jecke Fairsuchung" ein: Weniger Kamelle, dafür bessere und vor allem hochwertigere Süßigkeiten - mit möglichst wenig Verpackungsmüll. Das klingt grundsätzlich gut und sinnvoll, findet auch Michael Kramp vom Festkomitee Kölner Karneval von 1823, das in Köln die offiziellen Karnevalsaktivitäten koordiniert. Die Frage sei aber immer, ob das beim Publikum auch ankommt, so Kramp.
"Weil der Jecke wird sehr wohl unterscheiden, das haben wir schon festgestellt: Ist das eine unbekannte Fairtrade-Kamelle, wo ich die Marke nicht kenne? Oder liegt daneben ein Snickers oder ein Mars, wo ich eben genau weiß, was ich kriege - und ich hebe lieber das auf? Es gab Versuche schon von verschiedenen Karnevalsgesellschaften, die in den letzten Jahren Fairtrade-Kamelle genutzt haben. Und die haben genau diese Erfahrung gemacht."
Das Problem gebe es allerdings nicht nur bei Fairtrade-Produkten sondern auch mit anderem, extrem billig produziertem "Wurfmaterial", wie die Süßigkeiten unter Karnevalisten auch genannt werden.
Zukünftig soll der Kölner Karneval aber tatsächlich deutlich umweltfreundlicher werden, sagt Festkomitee-Sprecher Kramp.
"Wir haben zum Beispiel schon Rußpartikel-Filter, wir haben Elektrofahrzeuge, die wir als Bagage-Wagen einsetzen. Wir haben Strüßjer, da machen wir dieses Jahr einen ersten Test, wie das funktioniert, die ohne Plastik zu schmeißen. Denn wenn die abgeknickt ankommen und sie dann liegenbleiben, hat es auch keinen Sinn. Also da sind wir auf dem Weg, uns Gedanken zu machen."
Shitstorm gegen den Kamelle-freien Kinder-Umzug
Aber auch abseits der großen Karnevalsmetropolen soll der Karneval nachhaltiger werden. Die Katholische Grundschule in Kommern in der Nordeifel bei Euskirchen wollte deshalb in diesem Jahr beim kleinen Mini-Karnevals-Umzug der Grundschule eigentlich komplett auf das Verteilen von Kamelle verzichten, erzählt Schulleiterin Maria Cloot-Schmich.
"Weil mit dem Karnevalszug kann man viele Menschen erreichen. Zumal wir auch gesagt haben: Kommern hat noch einen richtigen Karnevalszug an dem Rosenmontag. Und in unserem Zug stehen hauptsächlich die Eltern am Rand."
Die Aufregung war dann allerdings erst einmal groß: Es gab Proteste, eine Online-Petition, Gespräche mit dem Ortsvorsteher und sogar Hasskommentare im Internet gegen das vermeintliche Kamelle-Verbot. Sogar überregional sorgte der Kamelle-Streit für Schlagzeilen. Am Ende gab es dann einen Kompromiss: Statt Süßigkeiten in Plastik-Verpackung gibt es frisches Obst und kleine Tüten mit Blumensamen, die von den Kindern selbst abgefüllt und bemalt wurden.
"Und dann bekommen wir noch eine Riesenspende von Quarkbällchen. Also da kommen für 1.000 Euro Quarkbällchen bei uns an, die dann noch in Papptüten von Frauen aus dem Dorf verpackt werden."
Samentüten, Obst und Quarkbällchen sollen die Kinder dann auch nicht werfen - sondern den Menschen am Straßenrand in die Hand geben. Damit sie nicht am Ende doch noch in der Mülltonne landen.