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Fußball-Bundesliga
DFL plant verpflichtende Nachhaltigkeitsziele für Vereine

Die Fußball-Bundesliga will nachhaltiger arbeiten. Auf einer DFL-Mitgliederversammlung wollen die Vereine vereinbaren, Nachhaltigkeitskriterien zum Teil der Lizenzierung zu machen. Vereine, die nicht nachhaltig genug sind, könnten dann bestraft werden. Wichtige Details sind aber noch unklar.

Von Maximilian Rieger |
Alternative Energie auch in der Bundesliga: Auf dem Dach des Mainzer Bruchwegstadions befestigen zwei Bauarbeiter ein Modul einer Solaranlage.
Alternative Energie auch in der Bundesliga: Auf dem Dach des Mainzer Bruchwegstadions befestigen zwei Bauarbeiter ein Modul einer Solaranlage. (dpa / picture alliance / Frank May)
Vor knapp einem Jahr steigt Heidi Möller in eine Zeitmaschine. Und die Leiterin der DFL-Taskforce „Zukunft Profifußball“ bittet alle Fußball-Interessierten, mit zu träumen von ihrer Vision der Fußball-Bundesliga im Jahr 2030: „Die Proficlubs haben die Nachhaltigkeit in ihrem Kerngeschäft verankert. Und damit ist gemeint der Dreiklang zwischen Ökonomie, Ökologie und sozial-gesellschaftlicher Verankerung.“
Aus diesem Traum soll Realität werden. Deswegen wollen die 36 Proficlubs am Dienstag auf einer DFL-Mitgliederversammlung einen Grundsatzbeschluss zum Thema Nachhaltigkeit fassen.

Nachhaltigkeit als Ziel vor wenigen Jahren noch belächelt

In der Präambel der Satzung soll Nachhaltigkeit explizit als wesentlicher Kernpunkt der DFL genannt werden. Und in der Lizenzierungsordnung soll festgeschrieben werden, dass die Vereine bestimmte Nachhaltigkeitskriterien erfüllen müssen. Etwas, was noch vor wenigen Jahren nicht denkbar gewesen sei, meint Jan Lehmann, kaufmännischer Vorstand beim FSV Mainz 05:

Es gab auch schon vor zwei, drei Jahren Protagonisten im Fußball, die angeregt haben, dass wir das Thema Nachhaltigkeit – und insbesondere ökologische Nachhaltigkeit – auch mit in die Lizenzierungsordnung und die Satzung aufnehmen sollten. Das ist damals, würde ich sagen, entweder belächelt oder nicht ernst genommen worden.

Die Corona-Zeit habe dazu geführt, dass die Clubs sich hinterfragt hätten, wie zukunftsorientiert ihr Handeln noch ist. Und inzwischen würden viele Fans auch erwarten, dass sich ihr Verein ernsthaft mit Nachhaltigkeit auseinandersetzt.

Breite Zustimmung erwartet

DFL-Taskforce: Wegweisende Empfehlungen oder Papiertiger?
Die Fridays-for-Future-Bewegung habe die Entwicklung forciert, sagt auch Stefan Wagner. Er ist bei der TSG-Hoffenheim für die Nachhaltigkeitsstrategie zuständig. Er rechnet damit, dass es am Dienstag eine breite Mehrheit für den Beschluss geben wird:
"Ich weiß natürlich, dass es Diskussionen gegeben hat, wann und ob und wie viel und wie intensiv und so weiter. Was ich zuletzt wahrgenommen habe, auch in internen Abstimmungsrunden der Bundesligisten, dass es eine enorm starke Zustimmung für diesen Prozess, für die Thematik an sich gibt."

Geld verdienen mit Nachhaltigkeit

Das liegt auch daran, dass die Vereine darin inzwischen kommerzielle Chancen sehen. Denn viele Unternehmen, die den Fußball sponsern, verändern sich und wollen nachhaltiger arbeiten. Vereine, die dafür eine Werbe-Plattform bieten, sind für diese Firmen attraktiv. Der FSV Mainz 05 hat daher ein neues Sponsoring-Konzept entwickelt, um genau solche Kooperationen zu stärken, erklärt Jan Lehmann:

Wir verdienen inzwischen sogar mit dem Thema Nachhaltigkeit Geld. Warum? Weil Mainz 05 hier wirklich glaubwürdig als Vorreiter gesehen wird. Ich glaube, dass ist ganz wichtig. Wir erzählen nicht nur, sondern wir nehmen das auch wirklich ernst. Und das merken, glaube ich, auch die Partner, mit denen wir zusammenarbeiten.

Genaue Kriterien noch unklar

Dazu gehört auch, dass Mainz 05 seit mehr als zehn Jahren den eigenen CO2-Fußabdruck misst. 3170 Tonnen CO2 hat der Verein in der vergangenen Saison verursacht – ungefähr so viel wie 550 Flüge von Deutschland in die USA. Diese CO2-Emission kompensiert der Verein, in dem er Zertifikate für ein Klimaschutzprojekt in Ruanda kauft.

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Ob dies der Weg für alle anderen Bundesligisten sein wird, das ist noch unklar. Denn auch wenn die Vereine am Dienstag sehr wahrscheinlich entscheiden, dass Nachhaltigkeitskriterien bei der Lizenzierung eine Rolle spielen sollen – wie genau diese Kriterien aussehen, wird erst in den kommenden Monaten erarbeitet. Es soll aber Mindestkriterien geben, die alle Vereine erfüllen müssen. Sonst gibt es eine Strafe.
"Wenn ich viel erreichen will, dann muss ich auch Sanktionsmechanismen dahinter haben. Ansonsten, glaube ich, wäre es nicht wirklich ernst gemeint", sagt Lehmann. Dazu soll es noch erweiterte Kriterien geben. Auch die sind verpflichtend, die Vereine müssen aber nur einen gewissen Anteil von ihnen erfüllen. Als letzte Kategorie sind Anreizkriterien geplant. Vereine, die diese Kriterien erfüllen, könnten mehr Geld aus der Verteilung der Medien-Erlöse erhalten.

„Man kann nicht managen, was man nicht misst“

Diese Mischung aus Zwang und Belohnung soll ab der Saison 2023/24 gelten – und Stefan Wagner findet sie gut:
"Wenn man es rein über Belohnung macht, dann hat es so einen Duktus von Freiwilligkeit. Und ich denke, dass wir über diesen Punkt hinaus sind."
Für Wagner, der auch Gründer von „Sports for Future“ ist, ist jetzt vor allem wichtig, dass alle Vereine anfangen, Transparenz herzustellen:
"Es gibt den schönen Satz: Man kann nicht managen, was man nicht messen kann oder was man nicht misst."
Deswegen sollte laut Wagner die Messung des CO2-Fußabdrucks zu den Pflichtkriterien für die Vereine gehören.
Weltklimakonferenz - der Sport und das Klima, Interview Stefan Wagner
Aber ein einheitliches Messinstrument zu entwickeln, ist kompliziert. Denn auf den größten Faktor, die Anreise der Fans, haben die Vereine keinen direkten Einfluss. Deswegen seien aufwendige Befragungen nötig, sagt Hartmut Stahl vom Ökoinstitut. Das sei aber notwendig:

Wenn man jetzt wirklich sehr fundiert oder sehr strategisch an so ein Thema herangeht und im Endeffekt seine Treibhausgasemissionen – wenn man jetzt das Klimathema jetzt einfach mal als Ziel betrachten – wäre es schon eine Notwendigkeit, dass man da systematisch herangeht.

Auch der Ball sollte nachhaltig sein

Der Experte schlägt auch vor, dass die DFL alle Vorgaben, die es bisher schon gibt, darauf überprüft, ob man dort ökologische, ökonomische oder soziale Kriterien ergänzen kann:

Wenn ich den Ball angucke: Der muss einen bestimmten Umfang haben, der muss ein bestimmtes Gewicht haben, er muss wahrscheinlich einen bestimmten Druck haben – da könnte man natürlich auch sagen: Der muss eine bestimmte CO2-Bilanz erfüllen, um zugelassen zu werden, oder muss bestimmte Sozialstandards erfüllen, was die Herstellung betrifft.

Die Vereine könnten sich außerdem einigen, nur noch Mehrwegbecher einzusetzen oder für die Bewässerung des Rasens eine bestimmte Menge Regenwasser einzusetzen. Und in den langen Vorgaben könnten auch Fahrradplätze am Stadion fest vorgeschrieben werden. Bisher verlangt die DFL nämlich nur Parkplätze für Autos und Busse.