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Innovation und Klimaschutz
Die Fußball-Bundesliga als möglicher Impulsgeber?

Im Profifußball stecken große Potenziale für eine klimagerechte Transformation der Gesellschaft, finden die Forscher*Innen Markus Kurscheidt, Manfred Miosga und Jenny Amann. Mit seiner Strahlkraft könnte der Fußball zu einem Treiber werden.

Jenny Amann, Markus Kurscheidt und Manfred Miosga und im Gespräch mit Maximilian Rieger |
Leere Becher liegen auf der Tribüne eines Fußballstadions.
Klimagerechte Veränderungen beim Fußball könnten große Auswirkungen auf die Transformation in Städten haben, sagen Forschende. (picture alliance / Kirchner-Media / Kirchner / David Inderlied)
Aussterbende Tierarten, aus dem Gleichgewicht geratene Ökosysteme, ansteigende Temperaturen: Die Probleme dieser Welt-Krisen werden immer allgegenwärtiger. Noch besteht wohl die Chance, die Auswirkungen zumindest abzuschwächen. Im Profifußball wachsen Turniere stattdessen immer weiter an, die Umweltverträglichkeit dieser internationalen Sportgroßveranstaltungen wird tendenziell kleiner.
Die drei Interviewpartner Jenny Amann, Markus Kurscheidt und Manfred Miosga haben sich im Rahmen der Konferenz "Sustainable Sports Symposium" der Denkfabrik sportainable an der Universität Bayreuth zum Thema geäußert.
Besonders der Profifußball mit seiner immensen Strahlkraft könne zum Treiber des klimagerechten Wandels werden, glaubt Manfred Miosga, Geograf und Stadtplaner: "Der Profifußball bewegt viele Menschen. Jedes Wochenende kommen Hunderttausende in die Stadien."
Manfred Miosga lächelt in die Kamera
Diplom-Geograph und Stadtplaner Manfred Miosga sieht im Fußball einen Treiber des klimagerechten Wandels: "Der Profifußball bewegt viele Menschen. Jedes Wochenende kommen Hunderttausende in die Stadien." (Deutschlandradio/Maximilian Rieger)
Etwaige klimagerechte Veränderungen wie eine klimaneutrale Mobilitäts-Infrastruktur könnten daher große Auswirkungen haben, so Miosga: "Der Fußball hat ein hervorragendes Image, eine große Breitenwirkung. Und wenn Fußballfans und der Profifußball anfangen, sich nachhaltig zu verhalten, hat das eine Signalwirkung, die auch für die Städte auf ihren Wegen zur Transformation eine große Rolle spielen kann."

Sportökonom: Nachhaltigkeits-Bemühungen als Folge des Vertrauensverlustes bei den Fans

Der Fußball könne "definitiv" eine Schlüsselrolle in der Klimawende einnehmen, stimmt auch Markus Kurscheidt zu. Problematisch sei dabei jedoch nach Ansicht des Professors für Sportökonomie an der Universität Bayreuth das zunehmende Misstrauen, das "zwischen den Fans und den Verantwortlichen im Fußball" herrsche, "insbesondere wenn es um die Spitzenorganisationen geht".
Markus Kurscheid grinst in die Kamera
Sportökonom Markus Kurscheidt sieht den deutschen Fußball in einer Vorreiterrolle beim Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz (Deutschlandradio/Maximilian Rieger)
"Das positive Image, was da angesprochen wurde, hat Kratzer bekommen", schätzt Kurscheidt ein. Nicht aus einer inneren Überzeugung, sondern erst als Folge des Vertrauensverlustes seien schließlich Nachhaltigkeits-Bemühungen nach der Corona-Pandemie entstanden:
"Die haben das nicht gemacht, weil sie so begeistert von der ganzen Sache sind, sondern weil sie einfach gemerkt haben: Oh, wir haben hier ein Problem. Wenn wir weiterhin total fokussiert auf Umsatz und Ökonomie bleiben, dann verlieren wir die Unterstützung in Gesellschaft und Politik", so Kurscheidt.

Fanforscherin Amann: Kommunikation statt "Verbots-Framing"

Jenny Amann erforscht als Doktorandin an der University of Loughborough in England, welche Rolle die Fans bei der Transformation übernehmen können. Für sie ist vor dem Hintergrund der Breitenwirkung des Sports von besonderer Bedeutung, dass der Sport nicht nur Verbote postuliert:
"Natürlich ist es wichtig, dass wir uns unseren CO₂-Emissionen bewusst sind, dass wir alles tun, dass wir diese auch reduzieren. Man kommt aber auch immer schnell in diese Thematik: Okay, wir dürfen eben keine Bratwurst mehr essen. Wir dürfen nicht mehr mit dem Auto zum Stadion kommen. Und ich glaube, da ist eine große Gefahr, dass wenn wir im Fußball darüber anfangen zu sprechen, dann auch wieder in so ein Verbots-Framing rutschen."
Jennifer Amann lächelt in die Kamera
Fanforscherin Jennifer Amann fordert intelligente Kommunikationsstrategien für die Fans beim Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit (Deutschlandradio/Maximilian Rieger)
Hier könne man nach Ansicht von Amann "einiges besser machen". Die einfache Thematisierung oder das pauschale Verbieten sei nicht zweckmäßig, um die richtigen Zielgruppen zu erreichen:
"Es gibt auch für die deutsche Bevölkerung eine Segmentierung, wo es schon Handlungsempfehlungen gibt. Mit welchen Themen spreche ich diese Menschen an?" Amann ergänzt: "Nur weil ich jetzt auch im Fußball immer noch mehr über Klimathemen spreche, werde ich auch diese Menschen über den Fußball nicht unbedingt erreichen. Man muss sich wirklich intelligente Kommunikationsstrategien überlegen und eben auch die Frage stellen: Wen versuche ich zu erreichen?"

Sportökonom Kurscheid: "Fans sind nicht dumm"

Genau diese fehlende Adressierung sieht auch Kurscheidt als Ursache für den mangelnden Fortschritt: "Die Fans sind nicht dumm, das wissen wir aus unseren Befragungen, aus unseren Beobachtungen vor Ort, da sind sehr viele kluge Köpfe mit dabei, selbst in den so diffamierten Ultraszenen, die Hälfte von denen sind Studierende. Also die verstehen schon, was da abgeht."
In der Konsequenz würden auch die jüngsten Investitionswellen aus Katar, Saudi-Arabien, oder den Vereinigten Arabischen Emiraten zu immer mehr Unverständnis und einer "Glaubwürdigkeits-Problematik" führen, so Kurscheidt.

Nachhaltigkeit als mögliches Verkaufsargument

Dass das schwer mögliche Mithalten für deutsche Klubs mit solchen, besonders in der englischen Premier League auftretenden finanzkräftigen Investoren, als Nachteil aufgefasst wird, versteht Kurscheidt indes als falschen Ansatz: "Uneigentlich ist die Bundesliga Vorreiter. Insbesondere mit der 50+1-Regelung, dass eben der Mutterverein weiterhin die Stimmrechtsmehrheit haben muss." Diese Regelung sollte man positiver, etwa als Alleinstellungsmerkmal interpretieren:
"Ich finde es etwas schade, dass die DFL es in der Öffentlichkeit so ein bisschen als Niederlage darstellt und und nicht als Gewinn, dass es unsere 'unique selling proposition' ist, dass das die Besonderheit der Bundesliga ist. Und der nächst krassere Schritt wäre dann, dass man vielleicht noch stärker in Nachhaltigkeit investiert und in Kauf nimmt, dass man dann weniger Kaufkraft hat."

DFL-Nachhaltigkeitskriterien müssten verschärft werden

Im Moment seine die Strukturen im Profifußball aber noch nicht daraus ausgerichtet, um die notwendigen Veränderungen schnell genug herbeizuführen, findet Jenny Amann.
"Der Profifußball hinkt - wie andere Teile unserer Gesellschaft - in Transformationsprozessen einfach hinterher", analysiert auch Manfred Miosga. Es brauche eine größere Dynamik und die Fähigkeit, disruptive Veränderungen zu organisieren.
Einen ersten Schritt habe die Deutsche Fußball Liga durch die Einführung von Nachhaltigkeitskriterien getan. Jeder Verein hat nun zum Beispiel Verantwortliche für Nachhaltigkeit. "Im nächsten Schritt braucht es verbindliche und ambitionierte Zielsetzungen", so Miosga.