Nachhaltigkeit bei Olympia
Von klimapositiv zu kleinerem Fußabdruck

Am Ende der Olympischen Spiele stellt sich die Frage: Wie nachhaltig waren diese Sommerspiele? Das IOC und die Veranstalter haben dazu vor einigen Jahren noch große Versprechungen gemacht – mit der Zeit sind die Ziele aber realistischer geworden.

Von Maximilian Rieger |
Das Untergestell eines Bettes im Olympischen Dorf besteht aus Wellpappe-Teilen. Das Bild zeigt die Konstruktion unter der hochgeschlagenen Matratze.
Sinnbildlich für die angestrebte Nachhaltigkeit: ein Bett aus Pappe im Olympischen Dorf. (IMAGO / Xinhua / IMAGO / Gao Jing)
Im September 2021 richtet IOC-Präsident Thomas Bach eine Videobotschaft an die Sportwelt: „Es ist keine Übertreibung, zu sagen: Die Klimakrise entscheidet die Zukunft unseres Planeten.“
Deswegen müssten auch Sportorganisationen, allen voran das IOC, Teil der Lösung sein. Und so verkündete Bach: "Paris 2024 arbeitet ehrgeizig daran, die ersten Olympischen Spiele mit positiven Auswirkungen aufs Klima zu sein."

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Durch die Spiele sollte also mehr klimaschädliches CO2 eingespart als verursacht werden. Klimapositive Sommerspiele – dieses Ziel hatte sich das Pariser Organisationskomitee kurz vor Bachs Ankündigung gesetzt und offensiv nach außen kommuniziert.
Entsprechend hält sich die Erzählung der klimapositiven oder zumindest klimaneutralen Sommerspiele in manchen Medienberichten immer noch – obwohl das Organisationskomitee inzwischen eingesehen hat: Das ursprüngliche Versprechen war nicht zu halten.

IOC änderte die Wortwahl

„Klimaneutralität suggeriert ja schon, keinen Impact zu haben. Aber Klimapositivität würde ja sogar suggerieren, dass mehr Olympische Spiele den Klimawandel bekämpfen wurden. Also das ist schlicht und ergreifend falsch“, erklärt Benja Faecks. Sie arbeitet für die NGO Carbon Market Watch und ist eine der Autorinnen eines Reports über die ökologische Nachhaltigkeit bei den Spielen von Paris.
Faecks begrüßt es deswegen, dass das IOC seine Kommunikation verändert hat. Das ist auch sichtbar auf einer Pressekonferenz während der Spiele mit Tania Braga, Leiterin der IOC-Nachhaltigkeits-Abteilung: "Das Ziel ist, den CO2-Fußabdruck um die Hälfe zu reduzieren, im Vergleich zum Durchschnitt der vorherigen Spielen. Und wir sind auf dem Weg, dieses Ziel zu erreichen."

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Ob das aber wirklich stimmt, lässt sich im Moment nicht nachvollziehen, auch nicht für Expertinnen wie Benja Faecks. Was den CO2-Fußabdruck auf jeden Fall verringert: Für die Spiele in Paris wurden kaum neue Gebäude gebaut. Und wenn gebaut wurde, dann möglichst klimafreundlich. Holz ist zum Beispiel ein wichtiges Baumaterial für das Olympische Dorf gewesen.
„Wir haben auch gesehen, dass sie für die Emissionen pro Kubikmeter die nationalen Standards auch überschreiten, also, die machen es besser als national vorgegeben ist. Das ist sehr gut“, sagt Faecks.

Bemühen um weniger Müll beim Essen

Ebenfalls positiv: das Essen. Sowohl im Olympischen Dorf als auch für die Fans gibt es viele vegetarische Optionen, die größtenteils aus lokalem Anbau stammen. Auffällig vor Ort ist außerdem: Die Veranstalter versuchen, so wenig Plastikmüll wie möglich zu verursachen. Das Essen wird auf Pappschalen serviert und mit Holzbesteck gegessen.
Wer Coca-Cola trinken möchte, muss allerdings dabei zusehen, wie das Getränk aus einer Plastikflasche in einen Pfandbecher umgefüllt wird. Die Flaschen würden aber zu 100 Prozent recycelt werden, sagt das IOC, was keine Selbstverständlichkeit in Frankreich sei.
Für den CO2-Fußabdruck spielen das Essen und der Müll aber nur eine untergeordnete Rolle. Die An- und Abreise der Fans ist dafür deutlich wichtiger. Das Organisationskomitee verweist auf den gut ausgebauten Nahverkehr in Paris. Viele Versprechungen wie neue Strecken und kostenloser ÖPNV hätten sich aber nicht bewahrheitet, so Faecks.
Sie unterstreicht: „Denn die Metrostrecken wurden nicht fertiggestellt und der Single Fare für die Pariser Zone hat sich verdoppelt. Das ist natürlich komplett das Kontrastprogramm zu dem was eigentlich davor vorgeschlagen wurde.“

Keine Abfrage zur Anreise

Und das eigentliche Problem, nämlich die Flugreisen der Fans und Teams aus aller Welt, adressieren die Veranstalter in ihrer Kommunikation gar nicht. 2021 veröffentlicht das Organisationskomitee eine Schätzung, laut der 40 Prozent der 1,5 Millionen Tonnen CO2 durch die Mobilität entstehen würden. Diese Schätzung ist inzwischen offline, Deutschlandfunk-Anfragen dazu ignorieren das Organisationskomittee und das IOC.
Auch auf die Frage, ob während der Sommerspiele die Fans überhaupt gefragt werden, wie sie angereist sind, gibt es keine Antwort. Dabei sind solche Umfragen die Grundlage dafür, um einen seriösen CO2-Fußabdruck zu errechnen.
Aber selbst wenn die Veranstalter alles richtig machen würden, bezweifelt Faecks, dass Olympische Spiele in ihrer aktuellen Größe nachhaltig sein können:
„Solange wir uns auf so einem Growth-Pathway befinden, solange können die Spiele sich gar nicht nachhaltig nennen und ich glaube auch, dass es ganz wichtig ist, dieses Konzept der Spiele so radikal wie es nur geht auseinander zu nehmen und zu fragen: Brauchen wir denn eigentlichen Millionen von Menschen, die genau auf einen Ort zufliegen?“

Zentrale Spiele noch sinnvoll?

Um wirklich nachhaltige Spiele auszurichten, müsse das Event kleiner oder über die gesamte Welt verteilt werden – und dann bei der Verteilung der Tickets lokale Besucher bevorzugen, um Flugreisen zu vermeiden. Ideen, die genau das Gegenteil von dem sind, was das IOC erreichen möchte, nämlich Olympische Spiele als Ort, an dem die ganze Welt zusammenkommt.
Faecks betont: „Klar, der Olympische Spirit muss irgendwo aufrechterhalten werden. Aber wir müssen uns auch die Frage stellen, inwieweit sind wir als Internationales Olympisches Komitee bereit, Einbußen zu machen. Denn wenn wir so weiter machen, wird es die Olympischen Spiele nicht mehr geben – und das ganz schön schnell.“
Denn wenn – wie Thomas Bach sagt – die Klimakrise über die Zukunft des Planeten entscheidet, gilt das auch für die Olympischen Spiele.