Stefan Römermann: Nachhaltigkeit - das ist eines dieser Schlagworte, die hier bei "Umwelt und Verbraucher" immer mal wieder fallen, ohne dass wir sie groß erklären. Die Idee dahinter ist ja auch eigentlich ganz einleuchtend: Ein System wie beispielsweise die Umwelt, das soll nicht mehr belastet werden, als es sich selbst regenerieren kann. Also nicht mehr Fische fangen, als von selber nachwachsen, oder nicht mehr CO2 in die Luft pusten, als die Erde verkraften kann und gegebenenfalls wieder abbauen kann.
Die Vereinten Nationen haben dazu Ziele für eine nachhaltige Entwicklung verabschiedet, die die einzelnen Länder jetzt national umsetzen sollen. Gestern hat die Bundesregierung ihre entsprechende Strategie verabschiedet und damit die bisherige, rund zehn Jahre alte Planung aktualisiert. Darüber spreche ich jetzt mit Adolf Kloke-Lesch vom Sustainable Development Solutions Network - einem Netzwerk, das unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen zu nachhaltiger Entwicklung steht. Herr Kloke-Lesch, was sind denn das für wichtige Punkte, die in dieser neuen Nachhaltigkeitsstrategie beschlossen worden sind?
Adolf Kloke-Lesch: Guten Tag, Herr Römermann. Vielen Dank! - Ich glaube, das Allerwichtigste ist, dass die Bundesregierung gesagt hat, alle Ziele, die die Staats- und Regierungschefs der Welt vor zwei Jahren in New York beschlossen haben, sind auch für Deutschland relevant. Dieses ist keine Agenda, dies ist kein Programm für die Entwicklungsländer, wo irgendwo woanders der Umweltschutz oder die soziale Gerechtigkeit vorangebracht werden muss. Nein: Es geht auch um das eigene Land, es geht auch um Deutschland. Insofern ist das sehr vorbildlich, dass die Bundesregierung alle 17 Ziele zum Gliederungsprinzip ihrer Agenda gemacht hat.
Ein großes Problem bei der Armutsgefährdung
Römermann: Und wo sind da in Deutschland Ihrer Meinung nach die größten Baustellen? Wo muss tatsächlich da am meisten passieren?
Kloke-Lesch: In Deutschland haben wir in allen Bereichen der nachhaltigen Entwicklung Nachholbedarf. Wir haben ja die soziale Dimension, die wirtschaftliche Dimension und die Umweltdimension. Im sozialen Bereich haben wir in Deutschland immer auch noch ein großes Problem mit etwa zehn Prozent der Bevölkerung, die armutsgefährdet sind, oder zehn bis 15 Prozent sogar. Wir haben im Bereich der Wirtschaft ein Problem mit der Ressourcen-Produktivität. Wir schaffen es nicht, unsere Ressourcen-Effizienz deutlich zu erhöhen.
Römermann: Wir verschwenden bei der Produktion zu viele Rohstoffe?
Kloke-Lesch: Wir verbrauchen deutlich mehr Rohstoffe, als wir uns eigentlich vorgenommen haben. Und wir sind natürlich auch im Umweltbereich noch zurückliegend, obwohl Deutschland vorbildlich ist in vielen Bereichen. Aber unser Lebensstil und unsere Wirtschaftsweise hat natürlich auch Rückwirkungen auf andere Staaten und auf das Erdsystem, und da müssen wir noch deutlich besser werden.
Römermann: Ist es tatsächlich so, dass wir an der Stelle auf Kosten der restlichen Welt leben, oder ist es einfach nur so, wir müssen hier ein Zeichen setzen, dass wir auch mitmachen bei dieser nachhaltigen Entwicklung, und das ist das eigentliche Ziel dieser Nachhaltigkeitsstrategie?
Kloke-Lesch: Zunächst mal geht es um uns selber, ums eigene Land, dass wir niemanden bei uns zurücklassen und dass wir besser mit unserer eigene Natur im eigenen Land umgehen. Aber wir leben auch auf Kosten des Planeten. Wir verbrauchen mehr planetare Ressourcen und wir überschreiten die planetaren Grenzen und wir verbrauchen natürlich auch durch den Import von Futtermitteln zum Beispiel große Flächen, große Wasservorräte in Entwicklungsländern.
In zwei Jahren soll Konkretisierung erfolgen
Römermann: Was ist denn Ihr Eindruck? Reichen denn tatsächlich die Ziele, die jetzt formuliert worden sind in dieser Nachhaltigkeitsstrategie? Reichen die aus, um Deutschland da auf den richtigen Kurs zu bringen? Oder wünschen Sie sich da schon an vielen Stellen einen deutlich weiteren Sprung?
Kloke-Lesch: Es ist genau dieser Zweisprung oder Dreisprung, wie man es sagen könnte. Es ist ein großer Schritt, den Deutschland hier tut, indem es diese Agenda ernst nimmt. Es ist wichtig, dass die Bundesregierung selbst sagt, wir müssen an einigen Stellen möglicherweise noch nachschärfen. Dieses ist ein Schritt auf einem längeren Weg und deshalb ist auch vorgesehen, dass schon in zwei Jahren, nämlich in 2018 eine Überprüfung der Ziele, gegebenenfalls eine Konkretisierung der Ziele erfolgt. Das ist wichtig. Ich glaube, heute sind einige Ziele auch noch deutlich unzureichend. Nehmen wir zum Beispiel die Ressourcen-Effizienz. Da war früher eine Verdoppelung unserer Ressourcen-Produktivität vorgesehen. Das haben wir nicht geschafft. Wir haben nur die Hälfte ungefähr auf dem Weg geschafft. Jetzt hat die Bundesregierung lediglich vor, dass das schrittweise besser wird, ohne sich ein quantitatives Ziel zu setzen. Wir müssen hier nachlegen und auch verbindlicher werden.
Römermann: Adolf Kloke-Lesch vom Sustainable Development Solutions Network. Ich sage vielen Dank für das Gespräch.
Kloke-Lesch: Gerne! Danke schön.
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