Die Olympischen Winterspiele 2018 in Pyeongchang standen unter besonderer Beobachtung, vor allem was das Thema Doping angeht. Denn: Es waren die ersten Winterspiele nach dem russischen Dopingskandal in Sotschi 2014. Bei den Spielen in Pyeongchang in diesem Jahr gab es lediglich vier positive Dopingtests bei über 3.100 Dopingkontrollen. Videos, die der ARD-Dopingredaktion zugespielt wurden, zeigen jetzt: Nicht alle Dopingkontrollen wurden so sicher und zuverlässig durchgeführt, wie geglaubt.
Unbeaufsichtigte Kontrollräume
Ein unverschlossener Kühlschrank mit Dopingproben, offenliegende Kontrollunterlagen. Alles frei zugänglich in einem Dopingkontrollraum. Ohne Aufsicht. Die Videos, die der ARD-Dopingredaktion zugespielt wurden, zeigen: Bei den Dopingkontrollen der Olympischen Spiele in Pyeongchang gab es Ungereimtheiten. Warum offenbar nicht ordentlich kontrolliert wurde: unklar. Von ähnlichen Zuständen vor Ort berichtet auch Lukas Weisskopf.
"Vieles war nicht weggeräumt vorher von anderen Athleten. […] Der Kühlschrank war offen, das hat so ein Vorhängeschloss gehabt. Das war nicht abgeschlossen. […] Zum Teil ist man da alleine dringesessen als Betreuer. Das haben wir leider mehrfach feststellen müssen."
Lukas Weisskopf war als Teamarzt der Schweizer Frauen-Eishockey-Nationalmannschaft mit in Pyeongchang, begleitete selbst Sportlerinnen zur Dopingkontrolle. In Deutschland organisiert der europäische Dienstleister PWC unter anderem im Auftrag der Nationalen Anti-Doping-Agentur solche Kontrollen. Bei Olympischen Spielen beauftragt das IOC Unterorganisationen mit den Tests.
PWC-Geschäftsführer Volker Laakmann beschreibt die Mindeststandards für Dopingkontrollen:
"Aus meiner Sicht darf so ein Kontrollraum, der Processing-Room, eben nicht unbeaufsichtigt sein. […] das ist definitiv nicht ok, insbesondere wenn in dem Kontrollraum auch Proben sind, die genommen wurden und die Dokumentation offen rumliegt."
WADA räumt Fehler ein
Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA räumt in ihrem sogenannten unabhängigen Prüfbericht ein, es habe vereinzelt "unbewachte Zugänge" und offene "Kühlschränke" gegeben. Auf Nachfrage heißt es von der WADA aber, man sei "mit den Dopingkontrollen in Pyeongchang generell zufrieden gewesen". Andrea Gotzmann, die Vorsitzende der Nationalen Anti-Doping-Agentur in Deutschland, wundert sich über solche Zustände.
"Das erschreckt mich eigentlich. Dass bei einem der größten Sportereignisse der Welt hier die Professionalität fehlt - auch im Bereich Antidoping. […] Das sind Dinge, die dürfen nicht passieren, das ist nicht professionell, und das unterläuft den ganzen Dopingkontrollvorgang."
Rechtlich könnten so positive Dopingproben im Nachhinein angefochten werden, ist Sportrechtler Michael Lehner überzeugt.
"Hier in dem Fall, wo ich wirklich nachweisen kann durch das Video, das Labor hat nicht funktioniert. Die minimalsten Standards, wie auch von der WADA vorgegeben, sind nicht eingehalten. Da kann man sagen, ist eine große Chance auf Freispruch. […] Also einfacher geht es eigentlich nicht, mit so einem Video zu sagen: also jede Probe, die dort im Dopinglabor war, ist nicht verwertbar."
Das Internationale Olympische Komitee hatte nach den Winterspielen in Pyeongchang vom - Zitat: "robustesten Anti-Doping-Programm in der Geschichte von olympischen Winterspiele" - gesprochen. Daran bestehen jetzt erhebliche Zweifel.