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Nachruf auf den Architekten Kenzo Tange

Ein halbes Jahrhundert hat Kenzo Tange das architektonische Bild des modernen Japan geprägt. Der Plan für den Wiederaufbau Hiroshimas stammt ebenso von ihm wie die Doppeltürme des Tokioter Rathauses. 1987 erhielt er den Pritzker-Preis, die höchste Auszeichnung, die in der Welt der Architektur zu erringen ist. Kenzo Tange ist nun im Alter 91 Jahren in Tokio gestorben.

Moderation: Wolfgang Stenke | 22.03.2005
    Stenke: Beton gilt ja gemeinhin als Synonym für architektonische Brutalitäten. Dass sich von diesem Material aber ein durchaus ingeniöser Gebrauch machen lässt, hat der japanische Architekt Kenzo Tange in einem langen Berufsleben unter Beweis gestellt. Er entwarf zum Beispiel das Stadion für die Olympischen Spiele 1964 in Tokio, dessen Bilder damals um die Welt gingen. Spannbetondächer, zeltartig aufgehängt an Pylonen, zeichneten dynamische Konturen in den Himmel über Tokio. Ein halbes Jahrhundert hat Kenzo Tange das architektonische Bild des modernen Japan geprägt. Der Plan für den Wiederaufbau Hiroshimas stammt ebenso von ihm wie die Doppeltürme des Tokioter Rathauses. 1987 erhielt er den Pritzker-Preis, die höchste Auszeichnung, die in der Welt der Architektur zu erringen ist. Heute ist Kenzo Tange im Alter 91 Jahren in Tokio gestorben. Den Architekturhistoriker Wolfgang Pehnt habe ich vor de Sendung zur Person Tanges befragt.

    Pehnt: Zunächst ist es natürlich ein japanischer Architekt, der auch sehr stark von der japanischen Tradition geprägt gewesen ist. Man kann eigentlich sogar sagen, dass seine Karriere ein Stück japanischer Geschichte nachvollzieht. Er hat begonnen in den dreißiger Jahren mit Entwürfen, Wettbewerben für große nationale Monumente des Tenno-Regimes, also eine autokratische Herrschaft, die er mit altjapanischen Architekturzitaten bedient hat. Dann stand er für die Einbeziehung Japans nach 1945 in die internationale Völkergemeinschaft. Er hat diese Gedenkstätte für Hiroshima gebaut, und er hat dafür gesorgt, dass westliche Standards auch in die japanische Architektur hineingetragen wurden. Er war dann ganz eng verbunden mit diesem fantastischen wirtschaftlichen Aufstieg Japans. Also die großen internationalen Ereignisse, die sich auf japanischem Boden abgespielt haben, Olympiade im Jahr 1964 in Tokio oder die Weltausstellung in Osaka 1970, sind entscheidend durch ihn geprägt worden. Tange hat versucht, etwas von der japanischen Holzbautradition vor allem mit in die Moderne hineinzunehmen. Er hat also beispielsweise die Holzkonstruktion, diese deutlich ausgedrückten Verhältnisse von Tragen und Lasten, die komplizierte Knotenverbindung, auch das Fertigteilbauen, das ja auch in der Holztradition mit liegt, in die Betontechnologie mit zu übertragen. Aber er hat eigentlich immer auch gesehen, dass Tradition eigentlich nur so etwas sein sollte wie ein Katalysator - das ist ein Zitat von ihm -, der eine chemische Reaktion anregt und vorwärts treibt, im Endergebnis aber nicht mehr erkennbar ist, also so weit übersetzt und verarbeitet wird, dass diese Spuren des Herkömmlichen allenfalls zu ahnen oder in der gesamten Haltung eines solchen Bauwerkes noch nachzuvollziehen sind.

    Stenke: Wodurch ist er denn international bekannt geworden?

    Pehnt: International bekannt geworden einmal durch diese großen Leistungen bei der Olympiade 1964, wo er zwei ganz fantastische Konstruktionen für Sporthallen gemacht hat, jetzt mit der ganz modernen Schalenbautradition, Dachschalen, die an Masten aufgehängt sind, und dann noch einmal 1970 mit seinem zentralen Beitrag für die Weltausstellung in Osaka, wo er die Plaza, also die Hauptstätte des Geschehens in Osaka mit einem Raumfachwerk, einer riesigen Tragkonstruktion überdacht hat, in die dann seine japanischen Kollegen alle möglichen Kapseln, Zusätze und Einbauten haben hineinpraktizieren dürfen.

    Stenke: Kenzo Tange war ja nicht nur Architekt. Er hat auch stadtplanerisch gearbeitet. Was wäre dazu zu sagen?

    Pehnt: Tange gehört zu denen, die so etwas wie eine machbare Utopie vertreten haben. Er hat 1960 ein Team mit jungen japanischen Architekten begründet, von denen eine Richtung ausging, die dann Metabolismus genannt wurden. Was diese Architekten gemacht haben, waren riesige Konstruktionen, Megastrukturen, die auf großen Stützen Land und Wasser überquerten. Er gibt also eine spektakuläre Überbauung, also ein Vorschlag, der nicht ausgeführt worden ist, für die Bucht von Tokio, wo eine ganze künstliche Terrassen- und Hügellandschaft im Wasser errichtet werden sollte für damals fünf Millionen Bewohner angedacht.

    Stenke: Wolfgang Pehnt würdigte den heute verstorbenen Architekten Kenzo Tange.