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Nachruf auf Lord Weidenfeld
Ein jüdischer Weltbürger

Er war der einzige Sohn einer großbürgerlichen Familie und floh nach England, wo er schnell Fuß fasste: George Weidenfeld. 1969 wurde er von der Queen in den Adelsstand gehoben. Zeitlebens war er Weltbürger und Brückenbauer zwischen den Nationen und Religionen. Nun ist der Lord in London im Alter von 96 Jahren verstorben.

Von Friedbert Meurer | 20.01.2016
    Der britische Verleger, Journalist und Diplomat Lord George Weidenfeld, aufgenommen am 07.10.2014 in Passau (Bayern) vor der Verleihung des "Menschen-in-Europa-Kunst-Awards" der Verlagsgruppe Passau
    Der britische Verleger, Journalist und Diplomat Lord George Weidenfeld (dpa picture alliance / Armin Weigel)
    "Die älteste Ostmark des deutschen Volkes soll von jetzt ab das jüngste Bollwerk der deutschen Nation und damit des Deutschen Reichs sein."
    Als Adolf Hitler seine Rede 1938 auf dem Heldenplatz in Wien hält, war der Österreicher Arthur Georg Weidenfeld 18 Jahre alt.
    "Sieg heil! Sieg heil!"
    Exil in Großbritannien
    Der einzige Sohn einer großbürgerlichen jüdischen Familie floh nach England. Kurz darauf gelang auch seinen Eltern noch die Ausreise und Flucht. Weidenfeld fasste in London schnell Fuß. Er ging zur BBC, wurde Verleger und später Mitglied im britischen Oberhaus. Seine tiefe Verbundenheit mit Wien hat den Weltbürger und Brückenbauer zwischen den Nationen und Religionen zeitlebens geprägt.
    "Wien war, obwohl es ein großer Wasserkopf war in einem kleinen Österreich, eine Millionenstadt. Aber es war auch sehr multikulturell. Auch in meiner Familie viele Generationen jüdischer Theologen. Und da bin ich eigentlich ziemlich früh schon multikulturell erzogen worden."
    Der Großbürger und Grandseigneur Weidenfeld erhielt den Zugang zu den Salons, knüpfte und pflegte Netzwerke. Die Großen seiner Zeit veröffentlichten ihre Memoiren bei Weidenfeld & Nicolson. Noch vor 1945 lernte er Charles de Gaulle im Exil kennen. De Gaulle sollte später seine Memoiren bei Weidenfeld veröffentlichen, ebenso Konrad Adenauer, Harold Wilson oder Henry Kissinger und Lyndon B. Johnson.
    "Ich hab das Glück gehabt, dass ich hier durch gewisse Einführungen oder durch die Arbeit bei der BBC eben verschiedene Kreise kennenlernte, die vielleicht anderen verschlossen blieben."
    Lord Weidenfeld lud Politiker, Unternehmer, Wissenschaftler und Künstler in seine Wohnung im Londoner Stadtteil Chelsea ein. Stets perfekt gekleidet von fast aristokratischer Erscheinung war er ein Brückenbauer zwischen den Nationen. Die Queen erhob Weidenfeld 1969 in den Adelsstand, 1976 folgte der Titel "Baron Weidenfeld of Chelsea", 2011 dann die höchste Auszeichnung, der Verdienstorden Order of the British Empire. Mit Helmut Kohl war er befreundet und unterstützte die CDU finanziell, als sie im Rahmen der Spendenaffäre hohe Strafen zahlen musste.
    Vermittlung zwischen Christen und Juden
    Vor allem mit Israel fühlte sich Weidenfeld eng verbunden. Chaim Weizman, der erste Staatspräsident Israels, hatte den 30-Jährigen 1949 als seinen Kabinettschef nach Israel geholt. Weidenfeld stand also auch in Israel vor einer großen Karriere, entschied sich aber dafür, schon nach einem Jahr wieder nach London zurückzukehren.
    "Wissen Sie, jeder Mensch muss einen archimedischen Punkt haben. Meiner ist immer auch Israel gewesen. Da lud er mich 1949 ein. So bin ich zurück, aber hab mein ganzes Leben hindurch mir selber geschworen, wenn Sie wollen, dass ich weiter für die Interessen Israels und dem Frieden arbeite."
    Das Verhältnis zwischen Christen und Juden wurde ihm zu einem zentralen Lebensthema. Beide Religionen würden durch einen gemeinsamen Feind bedroht, den islamischen Fundamentalismus. Ganz zuletzt half er Christen aus Syrien und dem Irak. Jetzt ist Lord George Weidenfeld in London im hohen Alter von 96 Jahren gestorben.