Sein Spitzname lautete "Hurricane", ein Profiboxer, der in den frühen sechziger Jahren im Mittelgewicht zu den Besten in seiner Klasse gehörte. Ein durchtrainierter junger Schwarzer mit einem Schnurrbart, einer rasierten Glatze, einem furchterregenden Blick und einer harten Linken. Ein Herausforderer, der 1964 nach dem WM-Titel griff, aber die Auseinandersetzung gegen den damaligen Weltmeister Joey Giardello nach Punkten verlor.
"Carter misses. Takes a left. Listen to this fandom. The fight is all but over. It's all over. And they smile look at that. And that's the fight."
Der wirkliche Kampf begann für Rubin Carter keine zwei Jahre später – außerhalb vom Ring. Da wurde er eines nachts in seiner Heimatstadt Paterson, einem Vorort von New York, zusammen mit einem Freund festgenommen, nachdem in einer Bar drei Menschen erschossen und einer schwer verletzt worden war. Obwohl er seine Unschuld beteuerte, wurde er zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt. Ein Zeuge, der später alles wiederief, hatte ihn belastet.
Gewiss: Dies ist die Geschichte von zehntausenden anonymen Amerikanern, die dank der Willkür eines rassistischen Rechtswesens die Gefängnisse in den USA bevölkern. Doch der Fall des Boxers Rubin "Hurricane" Carter ragte von Anfang heraus. Denn der Boxer kämpfte auch noch hinter Gittern konsequent weiter.
"Ich wusste, ich bin unschuldig. Jeder Tag im Gefängnis war ein Kampf gegen das gesamte System. Ich habe nicht die Häftlingskleidung getragen. Ich habe Wachen oder den Gefängnisleiter ignoriert und mit keinem von ihnen auch nur gesprochen."
Carter hatte Glück: Nachdem er seine Geschichte zu Papier gebracht und ein Buch mit dem Titel "The Sixteenth Round" – "Die sechzehnte Runde"– veröffentlicht hatte, begannen zahllose prominente Amerikanern, sich für seinen Fall zu interessieren. Ein besonderes Zeichen setzte damals Bob Dylan Mitte der siebziger Jahre mit dem Lied "Hurricane". Er kam damit sogar in die Hitparaden.
"Here comes the story of the 'Hurricane'. The man the authorities came to blame for something he had never done."
Die Publizität und die Unterstützung von Künstlern und Sportlern wie Muhammad Ali half, eine Wiederaufnahme seines Verfahrens anzustrengen. Das Resultat war allerdings niederschmetternd. Der Prozess endete in einem erneuten Schuldspruch. Und Carter geriet danach weitgehend in Vergessenheit. Woran auch das Buch "Calhoun" des namhaften Schriftstellers Nelson Algren nichts änderte, der sich mit der Faktenlage des Falles noch einmal sehr gründlich auseinandersetzte.
Erst 1985 kam er frei. Nach knapp 20 Jahren Haft und nachdem sich Angehörige einer politisch engagierten Kommune in Kanada einschalteten und ihm einen der besten Anwälte in den Vereinigten Staaten besorgten. Die Einschätzung des Bundesrichters war eindeutig: Das Verhalten der Staatsanwaltschaft sei verfassungswidrig gewesen. Sie und die Polizei hätten sich von Rassismus leiten lassen und Beweismittel manipuliert.
Carter verließ jedoch lieber seine Heimat und wanderte nach Kanada aus. Seine Erinnerungen wurden 1999 unter dem Titel "Hurricane" verfilmt. In der Hauptrolle: Denzel Washington, der über ein Jahr lang im Box-Gym trainierte, eher er ganz nach Hollywood-Manier die komplexe Geschichte auf ihren hochemotionalen Kern reduzierte.
"Rubin Carter you are sentenced to be in prison for the remainder of your natural life."
"I am innocent. I have committed no crime. Crime's been committed against me. I am dead. Bury me please."
"Ich bin unschuldig. Man hat an mir ein Verbrechen begangen."
Carter starb am Sonntag im Alter von 76 Jahren in Toronto an Prostatakrebs. Die Erinnerung an ihn jedoch bleibt wach. Durch den Film. Und durch das Lied von Bob Dylan, der Carter damals im Gefängnis besucht hatte und in seinem Lied massiv das Justizsystem der USA kritisierte: "Ich kann mir nicht helfen, aber ich schäme mich, in einem Land zu leben, in dem Gerechtigkeit nur ein Spiel ist."
Das wusste auch Carter. Denn er setzte sich bis zuletzt für andere Menschen ein, die so wie er zu Unrecht verurteilt worden waren.