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Nachtleben und Revolution
Ägyptens junge Szene vor der Präsidentschaftswahl

Die Revolution in Ägypten ist gescheitert, mit der Machtübernahme des Militärs sind tausende Mursi-Anhänger zu langen Haftstrafen oder zum Tode verurteilt worden. Wirtschaftlich liegt das Land am Boden. In dieser Situation wächst eine Szene von Künstlern und Kreativen, die unbeirrt an demokratiefördernden Projekten arbeiten. Zu ihr zählt die Visual-Art-Künstlerin Dina El-Gahrib, die im Herzen Kairos als DJ arbeitet.

Von Michael Briefs |
    Ein ägyptischer Soldat vor einer Wand in Kairo, mit Graffits von Opfern gewaltsamer Zusammenstöße.
    Graffitis in Kairo sind ein Ausdruck der jungen Szene in Ägypten (picture alliance / dpa / Khaled Elfiqi)
    Kairo am Abend. Laute "Chaabi"-Musik aus Gettoblaster. Jugendliche feiern auf der Brücke des 6. Oktober.
    Kairo im Mai. Viele sind vor der extremen Hitze am Abend ans Nilufer geflüchtet. Hochsaison hat auch die Brücke des 6. Oktobers. Trotz Abgasen und schwülheißer Luft lassen sich die Jugendlichen auf der autobahnähnlichen Brücke in ihrer Feierlaune nicht stören. Sie sind der junge Pulsschlag der Republik.
    Die Brücke führt direkt zum Tahrir-Platz. Hauptschauplatz der ägyptischen Revolution von 2011.
    Nur einen Steinwurf weit entfernt befindet sich das After Eight, ein Club, den es schon lange gibt.
    Eine kleine Frau mit halblangem schwarzem Haar steht am Mischpult und hört CDs ab.
    "Ich heiße Dina Gharib. Ich bin hier im After-Eight einmal pro Woche DJ. Aber eigentlich mache ich visuelle Kunst, Collagen und Installationen. Ich lege hier meine Lieblings-Songs auf. Altes und Neues. Weltmusik."
    Ökonomische Misere In Ägypten
    Der schummrige Club wirkt etwas runtergekommen. Einige adrett gekleidete Pärchen tippen, während sie am Tresen auf Freunde warten, auf ihren Smartphones herum. DJ-Dina nennt sie die Mittelklasse. Die keine mehr ist, da auch sie von der ökonomischen Misere betroffen ist.
    "Während der Revolution gab es hier ein reges Nachtleben. Tagsüber nach der Arbeit hieß es hit and run mit der Polizei. Wenn dann Panik ausbrach, gab es meist Verletzte. Abends traf man sich hier wieder zu Revolutionsparties."
    Alternative Musikszene in Kairo hat sich rasant weiterentwickelt
    Am 18. November 2011 kamen besonders viele ins After Eight. Das war nach dem Massaker durch Polizeikräfte in der nahe gelegenen Mohammad Mahmoud-Straße. Viele Street-Art-Künstler verloren damals ihr Augenlicht durch Gummigeschosse. An einem dieser Tage mit blutigen Straßenschlachten hätte es auch Dina Gharib treffen können. Die ägyptische Künstlerin und DJ-Frau lächelt verlegen und schildert, wie sich die alternative Musikszene in Kairo seit der Revolution rasant weiterentwickelt hat.
    "Diese junge Szene boomt. Es gibt jetzt Hunderte Bands und Dutzende von unabhängigen Kulturzentren. Auch DJs sind im Kommen. In den öffentlichen Clubs sind das fast nur Männer. Frauen legen auf Privatpartys oder Hochzeiten auf und bleiben unter sich. Für mich käme das aber nicht infrage."
    Zentrum der alternativen Jugendkultur in Kairo
    Mit Indie- und Metal-Rock, Rap und vor allem dem vibrierenden ägyptischem Elektronic-Chaabi und der Mahragan-Musik entsteht hier in Kairo ein neues Zentrum der alternativen Jugendkultur in der arabischen Welt.
    "Das ist die Musik der einfachen Leute, die in den überbevölkerten Stadtteilen ums tägliche Überleben kämpfen. Sie haben mit ihrer eigenen Musik und Sprache einen Weg gefunden, um den sozialen und politischen Stillstand im Land zu kritisieren."
    Präsidentschaftswahl steht vor der Tür
    Ägypten liegt wirtschaftlich am Boden. In vier Tagen sind Präsidentschaftswahlen. Hoffnungsträger sind Volksheld Abdel Fattah Sisi und der gewerkschaftsnahe Hamdeen Sabahi. Während General Sisi für ein Demonstrationsverbot ist, will sein Kontrahent den umstrittenen Passus in der Verfassung streichen. Intellektuelle wie Dina Gharib sind skeptisch.
    "Es geht nicht um Personen. Es ist der korrupte und übermächtige Staatsapparat. Es dauert Jahrzehnte, um das System zu überwinden. Die alten Eliten wollen ihre verlorene Macht zurück. Es wird spannend, denn wir lassen das nicht zu. Sie versuchen, uns mit Kompromissen zu locken und auseinanderzudividieren. Und dann ist da dieser brutale Krieg gegen die Islamisten, die ihrerseits weiter auf ihre Chance lauern und jederzeit für Unfrieden sorgen könnten."