Um kurz vor zehn am Vormittag rattert der Nachtzug aus Budapest mit Kurswagen aus Wien in den Berliner Hauptbahnhof. Gudrun Stillein wuchtet ihren Koffer aus der Tür des dunkelblauen Schlafwagens. Mit ihrem Mann hat sie ein paar Tage in Budapest verbracht. Um kurz nach acht sind sie am vorherigen Abend in den Zug gestiegen.
"Im Schlafwagen ist das doch sehr bequem, hat man einen Tag noch gespart, kann länger Urlaub machen noch einen Tag praktisch, wir finden das gut mit dem Schlafwagen, man denkt, man hat nicht geschlafen, aber es ist nicht so."
Im Zug stehen die Türen der Schlafwagenabteile jetzt offen. Zwei schmale Betten übereinander mit dünnen Decken und Laken gibt es pro Abteil. Nachts werden sie von der Wand heruntergeklappt und morgens wieder hoch, damit man im Abteil auch sitzen kann. Ein winziges Bad gehört zum Schlafwagenluxus, ansonsten gibt es kaum Platz für einen Koffer. Fast jedes Bett war in dieser Nacht besetzt.
"Ich bin in Wien eingestiegen, also ich könnte fliegen und das wäre billiger, das wäre schneller, aber irgendwie habe ich immer sehr gerne mit der Bahn gefahren. Und wollte mir unbedingt eine Auszeit leisten."
DB machte Verluste mit Nachtzügen
Diese Verbindung mit der ungarischen Bahn wird es weiter geben, aber viele andere Schlafwagenkunden werden in Zukunft auf das besondere Erlebnis verzichten müssen. Bei der Deutschen Bahn wird es ab kommender Woche keine Schlaf- und Liegewagen mehr geben. Klaus-Dieter Josel von der DB:
"Der Nachtzugverkehr hat bisher etwa ein Prozent unseres Fernverkehrsmarktes umfasst und wir haben mit dem Nachtverkehr leider rote Zahlen geschrieben, wir haben ihn nicht wirtschaftlich tragfähig gestalten können."
Nicht gestalten wollen, widerspricht Joachim Holstein, Betriebsrat bei der Nachtzug-Tochterfirma der Deutschen Bahn. Ein großer Teil des Defizits dieser Nachtzug-Tochter käme zustande, weil der DB Mutterkonzern die Sitzplatzreisenden in den Nachtzügen einfach nicht mitzähle. Außerdem bekäme die Tochtergesellschaft Leistungen, die sie für eben diese Reisenden erbracht hat, von der DB Mutter nicht bezahlt. Das führe zu zusätzlichen Verlusten bei der Nachtzugsparte:
"Wir haben ja das Personal an Bord, wir betreuen die Reisenden, wir stempeln die Fahrkarten, wir servieren auch mal einen Kaffee und einen Wein. Und von einem Jahr auf das nächste hat man dieses Serviceentgeld nicht mehr auf der Einnahmenseite der Nachtzüge verbucht. Und prompt hatte man fünf Millionen mehr Defizit."
Österreicher wollen rentabel fahren
Dass Nachtzüge sehr wohl rentabel zu betreiben sind, will jetzt die Österreichische Bundesbahn beweisen. Sie hat angekündigt, zumindest einen Teil der DB-Strecken übernehmen. Täglich soll es von Düsseldorf, Hamburg und München nach Wien, Zürich, Innsbruck, Venedig oder Mailand gehen. Dazu übernehmen die Österreicher alle 42 Schlaf- und 15 Liegewagen der Deutschen Bahn.
Dennoch verlieren die deutschen Kunden erst mal rund die Hälfte des Nachtzugsangebotes: Die Verbindung nach Amsterdam, die aus der Schweiz über Nacht nach Hannover und auch die von Köln/Bonn über Berlin nach Warschau. Die Deutsche Bahn will nun statt der Schlaf- und Liegewagen nachts nur noch normale Intercitys und ICEs einsetzen. Aber das Konzept werde scheitern, meint Gewerkschafter Joachim Holstein:
"Wir erleben es immer wieder, dass Nachtzüge dann erfolgreich sind, wenn sie verschiedene Kategorien bieten. Wenn sie für die hochpreisige Kundschaft was zu bieten haben, eben Schlafwagen. Wenn sie für Jugendgruppen und Familien das komplette Liegewagenabteil zu bieten haben, aber wenn sie auch für diejenigen, die jetzt morgens um drei am Frankfurter Flughafen sein müssen, wenn sie für diese Menschen auch ein Sitzwagenabteil haben. Alle Kunden rauszuschmeißen, die liegen und schlafen wollen, das kann nicht der richtige Weg sein."
Proteste von Bahnfreunden
Darüber hinaus werden rund 300 Nachtzugbahner ihren Job verlieren. Joachim Holstein hat deshalb für Samstagabend zur Demo im Berliner Hauptbahnhof aufgerufen. Erwartet werden Aktive vom Bündnis Bahn für Alle, Belegschaftsangehörige der Nachtzüge und Bahnfreunde aus Dänemark und Schweden, die den letzten Nachtzug in die Schweiz gebührend verabschieden wollen.
Ziel der Demo ist es, nach der nächsten Anhörung des Bundesverkehrsausschusses im Januar zu erreichen, dass die Verbindungen wiederhergestellt und weitere eingerichtet werden. 37.000 Menschen haben schon eine entsprechende Petition unterschrieben – auch Verena Hegemann, weil für sie das Reisen im Nachtzug eben doch etwas ganz Besonderes ist:
"Also ich fand Nachtzugfahren immer ganz toll. Wenn man mit dem Liegewagen gefahren ist, das war meistens nicht ganz so komfortabel. Aber trotzdem konnte ich durch das Ruckeln vom Zug immer super einschlafen. Das war toll, du bist eingeschlafen und aufgewacht und du warst da."