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Nachwehen eines Bebens

Geologie. - Neuseelands Inseln sind tektonisch aktiv, das haben die europäischen Siedler in den gut 200 Jahren seit ihrer Ankunft bereits mehrfach gespürt. Jüngst traf es Christchurch auf der Südinsel, und das gleich zweimal kurz hintereinander. Das erste Beben im September 2010 verlief noch glimpflich. Doch das zweite im Februar 2011 verursachte schwere Zerstörungen in der Stadt, obwohl seine Magnitude viel schwächer war als die des Vorgängers. Die Ursachen und mögliche Konsequenzen für die Zukunft haben Geowissenschaftler jetzt vorgestellt.

Von Dagmar Röhrlich |
    Neuseeland liegt dort, wo die Pazifischen Platte und die Australische zusammenstoßen. Und wie immer in solchen Grenzbereichen baut sich ein enormer tektonischer Stress auf, der sich entlang von Bruchzonen in Erdbeben entlädt. Christchurch liegt praktisch an einer solchen Bruchzone, die aus einem ganzen Bündel von Störungen besteht. Als im September 2010 die Erde an einer Verwerfung ein Stück außerhalb der Stadt bebte, schienen die Menschen noch einmal davon gekommen zu sein. Aber die Nachbeben nahmen kein Ende - und eines traf Christchurch am 22. Februar 2011 erneut: Diesmal aber riss die Erde an einer bis dahin unbekannten Verwerfung direkt bei der Stadt. Dieses Beben hatte eine Magnitude von "nur" 6,3, aber die Zerstörungen waren erstaunlich groß. Als die Seismologen dann berechneten, wie sehr die Bodenbewegungen die Gebäude beschleunigt hatten, kamen sie auf Werte, die sonst nur bei sehr starken Beben der Magnitude 8 auftreten. Der Grund:

    "Es trafen etliche Faktoren zusammen, die die Bewegungen verstärkten, so dass der schlimmstmögliche Fall eintrat. So lag der Bebenherd nur wenige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, und die Gesteine im Untergrund sind sehr hart. Weil sie erst unter einem hohen tektonischen Stress in einem Beben reißen, setzen sie dabei sehr viel Energie frei. Zusätzlich lösten sich die Gesteinsschichten regelrecht voneinander und prallten dann zusammen, wobei wieder sehr viel Energie abgestrahlt wurde, diesmal in die Senkrechte","

    erklärt Bill Fry vom Neuseeländischen Erdbebendienst GNS. Die Bodenbewegungen verstärkt haben könnte auch ein Felsmassiv in der Nähe von Christchurch, dass die Bebenwellen reflektierte, die dann zur Stadt zurückrollten.

    ""Außerdem spielte die Bodenverflüssigung eine große Rolle: Der Sand im Untergrund wurde instabil und das Wasser darin ausgepresst. Dieses Wasser-Sand-Gemisch überflutete die Straßen von Christchurch. Wir mussten 150.000 Tonnen Sand entfernen."

    Die Kombination eines sehr harten Gesteins mit weichen, wasserhaltigen Sandschichten darüber sei die schlimmste nur mögliche, erklärt Caroline Holden vom Neuseeländischen Erdbebendienstes GNS.

    "Eine weitere Schadensquelle war die Instabilität des Baugrundes in den hügeligen Vororten von Christchurch. Dort ist die Gefahr nicht vorbei. Tausende von Häusern sind noch evakuiert, weil die Hänge instabil wurden und sich bewegt haben. Außerdem mussten viele Häuser evakuiert werden, weil von den Hügeln große Blöcke auf sie zu fallen drohen. Dort stellt sich die Frage, ob die Menschen überhaupt zurückkehren können und ob wir etwas finden, um künftige Bodenbewegungen und Bergstürze zu verhindern."

    Die Untersuchungen liefen, aber die Zeit dränge, die planerischen Entscheidungen, wie Christchurch wieder aufgebaut wird, stünden an, erklärt Tim Davies von der Universität von Canterbury: Man könne die Menschen nicht jahrelang aus ihren Häusern fernhalten, während die Wissenschaftler erkunden, ob sie nun sicher sind oder nicht:

    "Wir müssen wirklich wissen, ob dieses Beben nun ein sehr seltenes Ereignis war, oder ob es immer wieder vorkommt. Dafür müssen wir die Erdbebengeschichte von Christchurch nachvollziehen, denn in der Region gibt es viele verschiedene Störungen und dafür wollen wir unter anderem die Täler auf einer Halbinsel südlich der Stadt untersuchen. Dort liegen sehr große Felsblöcke, die von früheren Bergstürzen stammen, und für uns ist wichtig, wann diese Bergstürze stattgefunden haben. Falls es zeitliche Häufungen gibt, bedeutete das, dass diese Blöcke nicht zufällig, sondern bei Erdbeben heruntergekommen sind - und zwar bei Beben, bei denen Verstärkungseffekte aufgetreten sind wie bei dem vom 22. Februar."

    Noch steht die Antwort aus - und die Forscher können nur hoffen, dass ein regnerischer Winter oder ein Nachbeben nicht noch weitere Hänge um Christchurch ins Rutschen bringen oder es zu weiteren Felsstürzen kommt.