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Nachwuchsarbeit in Sachen Musik

Im Juni beginnen die Eignungsprüfungen an der Hochschule für Musik und Theater in Rostock. Nur selten kommen die jungen Musiker dabei aus der Umgebung, was der Landesrechnungshof bemängelt. Ein Förderinstitut will das ändern.

Von Lenore Lötsch |
    Sie gilt mittlerweile als Pionierin an der Rostocker Hochschule. Kassandra Siebel hat mit 15 Jahren ihr Elternhaus in Berlin verlassen, hat in Rostock ein Internatszimmer bezogen und war eine der ersten Frühstudentinnen.

    "Ich hab viel mehr geübt, weil ich so auf mich selbst gestellt war. Weil ich habe mich einfach bewusst dazu entschieden und dachte: Also, wenn ich jetzt hier schon bin, dann muss ich auch was daraus machen."

    Heute allerdings packt die mittlerweile 19-jährige Abiturientin ihre Konzertgitarre schnell wieder weg.

    "Es geht nicht. Ich weiß auch nicht, wie ich heute zum Unterricht gehen soll. Ich weiß es einfach nicht."
    Eine Verletzung am Zeigefinger der linken Hand beendet die Probe vorzeitig. In zwei Wochen aber muss die Wunde verheilt sein. Dann ist die Eignungsprüfung an der Hochschule.

    "Ich mache mir jetzt nicht so einen Stress. Das würde mich nur unglaublich unruhig machen und dann würde es auch nicht besser werden."
    Vier Jahre lang wurde Kassandra Siebel als Jungstudentin an der Young Academy Rostock, einem Förderinstitut der Hochschule, ausgebildet. Neben der Schule hieß das: Unterricht bei ihrem Gitarrendozenten, wöchentlicher Klavier - und Theorieunterricht. Die Aufnahmeprüfung an einer deutschen Musikhochschule problemlos zu schaffen, das ist gewissermaßen das Versprechen, das der Klavierprofessor Stephan Imorde den etwa 80 Schülern und Frühstudenten der Young Academy gibt.

    "Die Situation ist ja die: An allen Hochschulen haben wir ein Nachwuchsproblem. Das bedeutet nicht, dass wir zu wenig Studienbewerber hätten. Wir haben sehr, sehr viele. Nur wir haben sehr sehr wenige Einheimische. Sie können davon ausgehen, dass wir etwa 200 Bewerber haben für das Fach Klavier, das ist so ein Mittelwert. Dann können sie davon ausgehen, dass mindestens die Hälfte aus Fernost kommt. Dann haben wir vielleicht das europäische Ausland und die geringste Gruppe werden die Deutschen sein."
    Mittlerweile hat sich der Landesrechnungshof in Mecklenburg Vorpommern mit der Situation beschäftigt und die Hochschule gerügt: Faktisch sind die Studiengänge durch die Eignungsprüfung zulassungsbeschränkt, sagt der Landesrechnungshof. Dann aber gilt laut Hochschulzulassungsverordnung, dass nur acht Prozent der Studienplätze an nicht EU Bürger vergeben werden können. Im Musikbereich der Rostocker Hochschule waren es 2010 aber 41,3 Prozent. Für Stephan Imorde ist eine mögliche Quotenregelung keinesfalls die Lösung.

    "Nur die Besten bekommen hier Zugang zum Studium, sonst hätten wir eine ganz schräge Situation: Wir müssten die Besten dann nach Hause schicken und könnten dann eigentlich nur noch die nehmen, die nicht so geeignet wären, weil sie hier aus dem Land stammen."

    Andererseits heißt es im Bericht des Landesrechnungshofes, dass eine große Zahl der ausländischen Musiker bereits über eine künstlerische Ausbildung aus ihren Heimatländern verfüge und sich dadurch im Bewerbungsverfahren im Sinne der Bestenauslese durchsetze.

    Für Stephan Imorde ist die frühe Talentsuche in Deutschland der richtige Weg aus dem Dilemma. Die Gründung der Young Academy in Rostock vor fünf Jahren zeigt nun erste Erfolge: Spitzenplätze bei Musikwettbewerben sind die messbare Seite. Aber auch die Beratung vor allem der Eltern, die ihren hochbegabten, musikalischen Nachwuchs nicht selten schnell auf die große Bühne bringen wollen, ist wichtig.

    Mittlerweile hat die 13-jährige My Taho Hai Nguyen am Flügel Platz genommen und spielt die Konzertetüde "Waldesrauschen" von Franz Liszt. Auch sie ist Frühstudentin. Ihre Eltern stammen aus Vietnam, sie selbst ist in Rostock geboren. An diesem Wochenende wird sie in Tschechien an einem internationalen Klavierwettbewerb teilnehmen.

    "Es ist schon eine Herausforderung, aber jetzt nicht eine so große. Also, ich hab schon 2010 daran teilgenommen, habe da den ersten Preis bekommen. Ja, gut muss man schon sein, damit man einen Preis gewinnt."

    My wird sich wahrscheinlich erst in fünf Jahren an einer Musikhochschule bewerben, und ob das dann Rostock sein wird, da ist sie noch nicht sicher. In der derzeitigen Situation empfiehlt der Landesrechnungshof Mecklenburg Vorpommern, Studiengebühren einzuführen für Studierende, die nicht aus der EU stammen. Stephan Imorde ist dabei unbehaglich.

    "Leipzig wird das jetzt einführen. Man kann darüber diskutieren, es gibt wirklich Argumente dafür. Mit dieser Ausländerproblematik muss man hier, in diesem Bundesland, natürlich sehr sorgsam umgehen. Ich würde es für ein fatales Zeichen halten, wenn gerade Mecklenburg-Vorpommern Vorreiter in dieser Diskussion wäre, eine Ausländerbeschränkung aussprechen zu wollen."