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Serie zur Reform des Nachwuchsfußballs
Wie das perfekte Training laut DFB aussieht

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat ein Konzept für das Kindertraining entwickelt, das nicht nur bessere Fußballerinnen und Fußballer hervorbringen, sondern auch die lebenslange Verbindung zu diesem Sport fördern soll. Jetzt muss die Basis überzeugt werden.

Von Daniel Theweleit |
DFB-Sportdirektor Hannes Wolf am Rande des U20-Länderspiels Deutschland gegen England.
Er zeichnet maßgeblich verantwortlich für die Kinder- und Jugendfußballreform beim Deutschen Fußball-Bund (DFB): Sportdirektor Hannes Wolf. (picture alliance / Sportfoto Zink / Wolfgang Zink / Sportfoto Zink / Wolfgang Zink)
Die Zuversicht, die Hannes Wolf verbreitet, steht in einem krassen Gegensatz zur Stimmung rund um die deutsche Nationalmannschaft, die einfach nicht auf die Beine kommt. Es werde nicht mehr allzu lange dauern, sagt der für den DFB-Nachwuchs zuständige Sportdirektor, dann "sitzen wir da und fragen uns: Krass, wo kommen denn die ganzen guten Spieler her? Die Basics wieder abgedeckt. Freiheitsgrade, Kreativität, aber auch dribbeln, viel mehr auf das Tor spielen."

Teil 4 der Serie zur Reform

Während der vergangenen Monate ist ausführlich über die eingeleiteten Reformen im Kinder- und Jugendfußball gestritten worden. Der DFB hat im Bereich der Nachwuchsleistungszentren den Abstieg abgeschafft, Kinder unter zehn Jahren sollen flächendeckend kleine Turniere mit Dreier- oder Viererteams spielen – ohne klassische Tabelle. Das stößt auf Widerstände.

Weniger Untätigkeit im Training, mehr Fußball spielen

Einig sind sich aber eigentlich alle Beteiligten über das Kernstück der Selbsterneuerung des deutschen Fußballs: die beste Trainingseinheit.
Die Kernidee besteht darin, die vielen Phasen, in denen nicht alle Kinder an der jeweiligen Übung beteiligt sind, zu reduzieren. Weniger warten, mehr kicken. Zudem sollen größere Spiele, in denen die drei, vier stärksten Spieler fast alle Aktionen dominieren, abgeschafft werden. Weil andere nur Statistenrollen übernehmen und wenig dazu lernen, sagt Nikola Ludwig, die Wolfs Kompetenzteam angehört:

Wir haben die Zahlen gerundet, aber es gibt Studien dazu, wie sich die Ballkontaktzahl verhält: Das sind dann eben auf eine ganze Jugendzeit berechnet 200.000 Kontakte, wenn man eben spielt, spielt, spielt, wie in der besten Trainingseinheit angegeben – [im Vergleich] zu 50.000 Kontakten im Sieben-gegen-sieben. Das heißt, es vervierfacht sich.

Nikola Ludwig, DFB-Kompetenzteam Nachwuchsfußball

Perfekte Trainingseinheit besteht laut DFB aus vier Blöcken

Wenn der Verband solche Rechnungen anstellt und vorgibt, dass künftig bis zur U17 jede Jugendspielerin und jeder Jugendspieler 48 Minuten Nettospielzeit pro Trainingseinheit bekommen soll, klingt das erstmal recht technokratisch.
Aber die Umsetzung ist einfach. Die Trainingseinheit, die der DFB breitflächig über seine Kommunikationskanäle bewirbt, besteht aus vier Blöcken: Die Einheit beginnt mit einer Aufwärmphase mit Ball, die zehn bis 15 Minuten dauert. Es gibt zwischendurch eine weitere Viertelstunde, in der klassische Techniken wie Flanken, lange Bälle oder Schüsse geübt werden.
Und die zwei rund 15 Minuten andauernden Kernblöcke mit kleinen Spielen, die Wolf besonders am Herzen liegen, sehen so aus: "Dann fangen wir an zu spielen und jetzt kommt die Besonderheit: drei bis vier Mal vier Minuten netto pro Spieler. Und das können natürlich auch, wenn du drei gegen drei spielst, das können auch drei Minuten sein. Netto pro Spieler! Wir haben nicht gelernt, so zu denken."
Das Vorbild für diese Art des Trainingsspiels: der gute alte Bolzplatz. Damit die Spielform auch mit Gruppen von 15 bis 20 Kindern funktioniert, braucht es mehrere Spielfelder. Das erfordert eine gewisse Flexibilität und Kreativität. In der Praxis ist das Konzept aber auf einem halben Platz umsetzbar.

Reformen in Belgien und England längst verwirklicht

Es müsse zum Trainingsalltag werden, betont Wolf, "auf drei Feldern gleichzeitig jeweils auf ein Tor zu spielen. Deswegen haben wir die Varianten auf ein Tor und mit wechselndem Angriffsrecht oder auf Funino-Tore. Es muss netto pro Spieler sein, und dafür brauchst du mehrere Felder."
Nationen wie Belgien und England haben ähnliche Ansätze längst verwirklicht, die Reformen dort haben dazu beigetragen, dass diese Länder so viele talentierte Spieler entwickeln. Der deutsche Fußball mit seinen Landesverbänden ist nicht so leicht reformierbar. Der alte "Wir machen es so, wie wir es selbst gelernt haben"-Mechanismus ist weit verbreitet. Oft sind es Väter ohne Trainerausbildung, die sich hier ehrenamtlich engagieren. Die sollen sich jetzt umstellen.

Ex-Profi Balitsch: Eltern muss Scheu genommen werden

Das mag auf Widerwillen stoßen, aber die beste Trainingseinheit führt auch ganz konkret zu Erleichterungen. Denn wenn Kinder während Übungen warten müssen bis sie dran sind, entsteht oft Langeweile, die schnell zu Störungen und Konflikten führt.
Der frühere Profi Hanno Balitsch, der ebenfalls für den DFB an der Umsetzung der Reform arbeitet und selbst ein Kinderteam trainiert, sagt:

Es ist gar nicht so viel Vorwissen nötig als Trainer oder als Elternteil. Ich glaube, es ist ganz entscheidend, dass wir vielen Eltern, die die ersten Schritte mit ihren Kindern gehen, auch ein bisschen die Scheu nehmen können. Es ist nicht schwierig, diese Felder zu organisieren. Ich muss wirklich nur dafür sorgen, dass schnell der nächste Ball kommt, ich muss die Kids dazu animieren: Ey, zusammen angreifen. Oder ich habe den Ball verloren: Zusammen wieder verteidigen. Und dann wachse ich als Eltern auch mit den Übungen.

Hanno Balitsch, Ex-Fußballprofi und Kindertrainer
Das erste Ziel besteht darin, bessere Fußballerinnen und Fußballer ausbilden, der Verband möchte aber noch mehr: Der neue Kinderfußball soll mehr Spaß machen. Damit will der DFB verhindern, dass Jugendliche irgendwann während der Teenagerzeit die Lust verlieren und aufhören.

DFB-Sportdirektor Wolf sieht keine Langeweile-Gefahr

Wer dazu kritisch anmerkt, dass diese beste Trainingseinheit, deren Struktur immer gleich sein soll, irgendwann langweilig wird, und damit auf andere Art der Motivation schadet, dem hält Wolf entgegen: "In diesen Varianten, die sind ja sehr unterschiedlich, ist einfach unglaublich viel Fußball drinnen. Und durch kleine Veränderungen, durch eine Shotclock, durch einen neutralen Spieler, Tore nur direkt, Anspieler außen, mit einer Abseitslinie, ohne Abseitslinie, auf Linie verteidigen, wir haben ein Repertoire von 15, 18 Varianten, die bringen dich durch dein ganzes Fußballerleben."
Gutes Training müsse demnach nicht kompliziert sein. Wolf fordert: "Die Fußballtrainer sollen sich batteln darin, wer diese Spielformen am besten coachen kann und wer das Spiel am schnellsten kriegt."
Jetzt müssen nur noch alle mitmachen: die vielen tausend Hobbytrainer in den kleinen Vereinen. Und nicht zuletzt die Eltern.