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Naher Osten
Saudi-iranische Verwerfungen

Seit Monaten schäumt Saudi-Arabien über die Annäherung zwischen den USA und Iran. In Syrien fechten die Nahost-Staaten einen Stellverteterkrieg aus. Das Übergangsabkommen zum iranischen Atomprogramm könnte die Situation verschärfen.

Von Reinhard Baumgarten |
    Der Graben zwischen Teheran und Riad ist weitaus breiter und tiefer als jenes Gewässer, das die Iraner Khalij-e Fars und die Araber al-Khalij al-Araby nennen. Die beiden Golfanrainer liegen in vielem über Kreuz.
    Gleich nach seiner Rückkehr von den Genfer Atomgesprächen hat Irans Außenminister Mohammad Javad Zarif mehrere Golfstaaten besucht, um diese über die Bedeutung des Genfer Abkommens zum iranischen Atomprogramm zu informieren. In Saudi-Arabien war er nicht. Riad hatte wissen lassen, terminliche Gründe sprächen gegen ein Treffen. Tatsächlich sitzt das Misstrauen in der mehrheitlich sunnitischen absoluten Monarchie besonders tief – auch gegenüber dem als moderat geltenden neuen iranischen Präsidenten Hassan Rohani und dessen Regierung.
    Nichts habe sich in Bezug auf den Iran geändert, stellte etwa mit Hossein Shaboqshi, einer der führenden Journalisten Saudi-Arabiens, gegenüber dem Satellitensender Al-Jazeera fest.
    "Ein Personalwechsel liefert dem Iran noch keinen Ausstiegsplan, denn dieser mischt sich in andere Länder Angelegenheiten und Politik ein. Dafür gibt es in der arabischen Welt viele Beispiele. Der Iran hat sich nicht gewandelt. Seine Außenpolitik verstört die Nachbarn. Wir, Saudis und Araber, haben dafür bezahlt."
    Die Gründung der Islamischen Republik Iran im Frühjahr ‘79 war ein politischer Gezeitenwechsel am Golf. Der Iran war bis dahin Washingtons wichtigster Verbündeter in der islamischen Welt gewesen. Saudi-Arabien schlüpfte seitdem nach und nach in diese Rolle. Nun nehmen die USA und die Islamische Republik erstmals Tuchfühlung zueinander auf. Und in Riad schrillen die Alarmglocken. Der Iran sei nicht, was er heute ist wegen seines bisher friedlichen Atomprogramms, mahnt Hossein Shaboqshi von der Tageszeitung Ash-Sharqul-Ausat:
    "Er ist zum Advokaten des Terrors und der Störung geworden. Er hat ungesetzliche Organisationen unterstützt - im Jemen, in Syrien, im Libanon, im Irak, in Bahrain und Kuwait. Er hat Land der Vereinigten Arabischen Emirate besetzt und Kuwait und Saudi-Arabien unzählige Male bedroht. Das sind ernst Sachen. Vielen geht’s nicht allein um das Atomprogramm. Es geht um die Politik Irans und dessen Führungsanspruch."
    Während Amtsvorgänger Mahmoud Ahmadinedschad gegenüber den Golfanrainern vor allem Stärke und Unnachgiebigkeit an den Tag legte, geriert sich die Regierung von Präsident Rohani konziliant und gesprächsbereit. Saudi-Arabien, betont Teherans Außenminister Zarif, sei ein bedeutendes Land in der Region:
    "Wir glauben, dass Irans Beziehungen zu Saudi-Arabien wichtig sind. Die Beziehungen zu unseren Nachbarn genießen höchste Priorität unsrer Außenpolitik."
    Der Vorwurf, der andere sei Pate des Bösen und des Terrors, wird nicht nur in Saudi-Arabien erhoben. Der Politikwissenschaftler Sadegh Zibakalam von der Uni Teheran schlägt die gleiche Saite an.
    "Jeder weiß, dass saudisches Geld alle terroristischen Aktivitäten der Salafisten und Islamisten finanziert und ausstattet, die wir heute erleben. In Syrien ist das so, im Jemen, in Europa, in Afghanistan, in Pakistan - überall siehst du saudische Hände, wie sie Fundamentalisten und Terroristen finanzieren."
    Riad wie auch Teheran mischen mittel- und unmittelbar im syrischen Bürgerkrieg mit. Der mehrheitlich schiitische Iran und das mehrheitlich sunnitisch-wahabitische Saudi-Arabien führen in Syrien quasi einen Stellvertreterkrieg, bei dem es um Macht und Einfluss in der gesamten Region geht.
    "Wir glauben, dass wir alle zusammenarbeiten müssen, um die Verbreitung konfessioneller Spaltung einzudämmen", betont Irans Außenminister Zarif. "Konfessionelle Spaltung ist für die gesamte Region gefährlich. Der Iran ist nicht daran interessiert, dem Vorschub zu leisten. Darüber haben wir mit jedem gesprochen - vom ersten Tag im Amt."
    Der Iran ist mit seinen knapp 78 Millionen Einwohnern das absolute Schwergewicht am Golf. Die sechs Staaten des Golfkooperationsrats haben zusammen nicht annähernd halb so viele Staatsbürger. In Sachen eigener technologischer und industrieller Entwicklung aber auch zivilgesellschaftlich ist der Iran trotz vieler Mängel erheblich weiter als die arabischen Golfanrainer. Wirtschaftlich gesehen hinkt der potenziell reiche Iran aufgrund internationaler Sanktionen und systemimmanenter Misswirtschaft stark hinterher. Irans neue Regierung will das so schnell wie möglich ändern. Dazu muss Teheran wieder mehr Öl fördern und verkaufen.
    "Vier Millionen Fass will der Iran nach dem Ende der Sanktionen täglich fördern",
    betonte Ölminister Bijan Zanganeh gegenüber Journalisten Anfang des Monats bei einem OPEC-Treffen in Wien. Derzeit fördert der Iran knapp zwei Millionen Fass am Tag, in Saudi-Arabien sind es täglich 9,5 Millionen Fass. Riad hat bereits wissen lassen, dass es die Förderquote nicht zugunsten Irans senken werde. Beide Staaten hängen in hohem Maße vom Öl- und Gasverkauf ab. Teheran befindet sich dabei in der schlechteren Ausgangslage. Förderanlagen sind oft veraltet, Ölfelder erschöpft, internationale Investoren fehlen. Noch. Teheran macht bereits Lockangebote und verspricht hohe Renditen. Sollten die umfangreichen Sanktionen tatsächlich in absehbarer Zeit fallen, der Iran aus seiner Isolation zurückkehren und wieder mehr Öl fördern, könnte ein Preiskrieg drohen. Zwei der wichtigsten Konkurrenten wären dann die Islamische Republik und Saudi-Arabien.