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Nahöstlicher Dialog

Man hatte aus den Erfahrungen vergangener Treffen gelernt, diesmal sollte nicht ein Eklat das Schriftstellertreffen bedrohen. Nach Idar Oberstein hatte man geladen, die Kreissparkasse hatte für Trauben und Kaffee gesorgt, die Landeszentrale für Politische Bildung für den Bus und das Begleitprogramm und die Scheuklappen auch. Augen auf, aber Klappe zu, hatte Kritiker und Publizist, Martin Lüdtke gesagt, in seinem Einleitungsreferat, denn:

Von Jochanan Shelliem |
    Wenn Künstler, wenn Schriftsteller versuchen, Politik zu machen in ihren Texten, dann kommt das raus, was Oskar Wilde schon Ende des 19. Jahrhunderts festgestellt hat, nämlich schlechte Kunst.

    Die Verantwortung des Schriftstellers in kritischer Zeit hieß dieses Einleitungsreferat. Und die Schuster blieben auch bei ihren Leisten – zunächst. Das, was das letzte Treffen fast gesprengt hätte, das heiß debattierte Abschlusskommuniqué nahm man im Grußwort gleich vorweg, plädierte für das Ende der Gewalt in Nahost und Sami al Kilani, der einzige aus den palästinensischen Autonomiegebieten angereiste Autor forderte den Abzug der israelischen Besatzer. 16 Schriftsteller aus Israel, der Bundesrepublik und Palästina trafen sich an der Nahe, - Deutsche wie der Pen-Präsident Johano Strasser waren dabei, Michael Schneider war für Hans-Christoph Buch eingesprungen, Hilde Domin fehlte, Katja Lange-Müller war da, ”Menschen”, wie Marianne Rohde, stellvertretende Leiterin der Landeszentrale eingangs hoffend sagte, ”Menschen, die nicht aufeinander schießen, sondern miteinander sprechen sollten” trafen sich um nicht die Lage in Nahost, sondern Texte zu diskutieren. Fast hätte dieser ebenso naive, wie mit guten Vorsätzen gepflasterte Ansatz geklappt. Michael Schneider gab sich große Mühe, kramte aus seinem Roman ”Der Traum der Vernunft” unter dem Titel ”Christus war auch ein Jude” das Beispiel eines jüdischen Freidenkers zur Zeit der Französischen Revolution heraus und Sami al Kilani las von der Topographie der Westbank und deren schrundiger Veränderung durch die Besatzung.

    Die Opferliste wird lang und länger. Sie beginnt mit Menschen verschiedenen Alters. Märtyrern, Verletzte, Witwen und Waisen. Die Liste schließt auch ein: mit der Wurzel ausgerissene Bäume, durch Blockaden abgeschnittene, durch Bulldozer zerstörte Häuser, verlassen von ihren Bewohnern. Straßen, blockiert durch Sperren oder durch Grabungen. Freudige Anlässe, die nach langem Warten abgesagt werden mussten. Die Liste reicht bis zur Ermordung einer ganzen Generation.

    Klagelaute, melodiös – Die Chronik einer Klage, die Legitimation gewaltsamer Aktionen wurde damit jedoch nicht verknüpft. Ich leugne nicht, sagte Sami al Kilani, dass die palästinensische Regierung korrupt ist, aber das ist keine Rechtfertigung für die israelische Besetzung. Die Produktionsbedingungen von Literatur wurden auf der Tagung geflissentlich ignoriert.

    Von der Literatur kann ich nicht existieren, sagte Sami al-Kilani eingekreist von seinen Übersetzern und die Besatzung beschäftigt uns Tag und Nacht. Unkommentiert blieben solche Sätze, die Texte israelische Autoren thematisierten Schmerzen der Unterdrücker, beschrieben Erinnerungen an grenzüberschreitende Liebesgeschichten, die emotionale Folie einer Teilung trat ins Licht, ein schmerzhafter Lernprozess wurde artikuliert. Ein Fundstück der bisher nicht ins Deutsche übertragene Debutroman Engel, Fleisch und Blut der 27jährigen Klil Zisapel, die israelische Autorin beschreibt darin ihre Gewissensnöte bei der Einberufung ihres Bruders, bevor sie seinen Gestellungsbefehl verbrennt. Ihre Lesung war ein magischer Augenblick auf dem Kongress. Selbstredend war zuvor die befürchtete Bombe explodiert, als Michael Schneider die mangelnde Unterstützung der Palästinenser durch die deutsche Politik monierte, vom Zwangsexil der vertriebenen Palästinenser sprach, von ihrem Lebensraum, den jüdische Siedler bedrohten, da war er wieder da, der von allen politisch korrekt angstvoll befürchtete Eklat. Und es war Lea Fleischmann, die fast erleichtert Dampf abließ und Martin Lüdtkes Hinweis, das hätte die Deutschen untereinander zu regeln, ließ sie schon gar nicht gelten.

    Die Israelis sehen hier die deutsche Position der Intellektuellen, sehen den Nahostkonflikt verzerrt durch die Brille der Schuld, so ist das nun einmal. Kein Wort gegen die arabischen Diktatoren...

    Da war es also wieder da und blieb im Raum, das alte Schuldgefühl, der alte Zwist. Wichtig wurde nun nicht, was gesagt, sondern, was nicht gesagt wurde, das eisige Schweigen der meisten israelischen Teilnehmer, als der junge pfälzische writer in residence Norman Ohler von seiner Zeit in Jericho berichtete, naiv, unschuldig, aber stets von israelischen Soldaten mit Maschinengewehr, Sonnenbrille und vielen freundlichen palästinensischen Menschen umringt, die sich über diesen einzigen Touristen in Jericho sehr wunderten. Wenn der Nahostkonflikt doch nur so einfach wäre. Während der Krieg in Tel Aviv und in der Westbank tobte, suchte man auf dem 6. Deutsch-israelisch-palästinensischen Autorentreffen in der Kreissparkasse von Idar-Oberstein nach literarischen Zwischentönen, stellte verschämt junge Autoren vor und suchten nach einer Contenance.

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