Die Regierung von US-Präsidenten George W. Bush habe mehr Druck auf Israel ausgeübt als die von Barack Obama, sagte Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) im Deutschlandfunk. Die Regierung unter Obama habe die Weiterentwicklung Israels gebilligt, die Amerikaner wollten "herzlich wenig" Einfluss nehmen, so Braml. Um seine Sicherheit zu gewährleisten, mache Israel, was es wolle.
Dabei könne das Land auf viele loyale Verbündete im US-Kongress bauen, auf die Obama Rücksicht nehmen müsse. Die Verhandlungen über eine Lösung des Konflikts in Kairo haben nach Ansicht von Braml kaum Aussicht auf Erfolg. Die Forderung der Hamas an Israel, weitere Gefangene freizulassen, könnten keinesfalls erfüllt werden.
Das Interview in voller Länge:
Sandra Schulz: Mitgehört hat Josef Braml, USA-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, er ist jetzt am Telefon. Guten Tag!
Josef Braml: Guten Tag, Frau Schulz!
Schulz: Die Hoffnungen, die gehen jetzt natürlich auf einen dauerhaften Waffenstillstand, obwohl die Waffenruhe, die ausgehandelt wurde, jetzt schon als gescheitert gilt. Ist da jetzt ein dauerhafter Waffenstillstand wieder außer Reichweite?
Braml: Ja, die Hoffnung stirbt zuletzt, aber ich glaube, dass diese Waffenruhe, die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm sein könnte. Sie wird ja von Israel auch weiterhin dafür genutzt, die Tunnelanlagen zu zerstören - das hat sich Israel vorbehalten. Und wie Sie bereits erwähnt haben, dieser sogenannte Waffenstillstand wurde auch von beiden Seiten schon gebrochen. Das Problem ist ja das grundlegende Dilemma, hier eine langfristige Lösung aufzuzeigen. John Kerry hat das ja über mehrere Monate versucht und sich die Zähne dabei ausgebissen.
Schulz: Welche Perspektive gibt es da überhaupt für die weiteren Gespräche, die in Kairo geplant sind? Die USA in ihrer Rolle als Vermittler, spielen die da überhaupt eine wichtige Rolle?
Braml: Ich bin mir nicht sicher, ob die USA weiterhin als ehrliche Makler gesehen werden, zumal von beiden Seiten, wenn man sich zum einen die Sorge Israels ansieht, wenn die Amerikaner jetzt mit dem Iran verhandeln, dann versucht man doch, hier die Sicherheit in eigene Hände zu nehmen und hier vielleicht Tatsachen zu schaffen, um künftig sicherer leben zu können, weil man eben den Amerikanern nicht mehr so sehr traut. Entsprechend geringer geworden ist auch das amerikanische Druckpotenzial. Wenn man das jetzt von amerikanischer Seite wieder auszugleichen versucht und hier fest an der Seite Israels steht, dann verliert man wieder auf der Gegenseite. Und wenn ich mir die Forderungen der Hamas zum Beispiel ansehe, dann sehe ich keine Lösung in Sicht, dass man eben hier auf einen längerfristigen Waffenstillstand hinarbeiten könnte, von Friedensgesprächen ganz zu schweigen.
Schulz: Diese Differenzen im israelisch-amerikanischen Verhältnis, haben die eine neue Qualität?
Braml: Wenn ich an die Zeit zurückdenke, als George W. Bush noch Präsident war, da wurde mehr Druck auf Israel ausgeübt, zumal wenn es um den Bau von Siedlungen ging. Und man hat ja der Bush-Administration auch unterstellt, hier sehr fest an der Seite Israels zu stehen, nicht allein wegen der jüdischen Lobby, sondern vor allem auch wegen den christlich Rechten. Im Vergleich dazu ist man in der Obama-Administration um einiges zurückgefallen. Israel hat seitdem sehr viel mehr getan, sich weiterentwickelt, auch aufgrund innenpolitischer Dynamiken, und das wurde von den USA gebilligt. Das heißt, die Lage ist nach wie vor, die sie war. Israel macht, um seine Sicherheit zu gewährleisten, das, was es will. Die Amerikaner können da herzlich wenig Einfluss nehmen oder wollen herzlich wenig Einfluss nehmen, weil es vor allem auch an politischen Gründen liegt. Im Kongress sind auf beiden Seiten des politischen Spektrums - auf der Seite der christlich Rechten, bei den Republikanern aber vor allem auch durch die jüdische Lobby - massiv Interessen vertreten, denken Sie nur an die kommenden Wahlen.
USA suchen eine Einigung mit dem Iran
Schulz: Und die USA haben da überhaupt keine Strategie mehr, mäßigend zu wirken auf beide Konfliktparteien in Nahost?
Braml: Ich bin mir nicht sicher, ob die USA eine Gesamtstrategie haben für den Nahen und Mittleren Osten. Man versucht hier, sich mit dem Iran ins Benehmen zu setzen, hier eine längerfristige Lösung anzupeilen. Das beunruhigt wiederum Saudi-Arabien und vor allem Israel, könnte aber vielleicht dazu führen, dass der Hamas, der radikalen Bewegung in Palästina, der Nährboden entzogen wird und vielleicht damit auch Israel sicher leben könnte. Aber hier die Seite Israels davon zu überzeugen, das halte ich für sehr schwierig.
Schulz: Sie haben das jetzt schon mehrfach angesprochen, dass auch die US-Haltung zum Iran, zum Atomstreit mit dem Iran natürlich auch eine Rolle spielt, den Israel natürlich auch ganz aufmerksam verfolgt. Können die USA jetzt eigentlich nur noch verlieren.
Braml: Die USA können mittel- bis langfristig gewinnen, wenn sie ihre, ja, geostrategischen Interessen wahren. Sie müssen sich ja darauf einstellen, dass Saudi-Arabien, einer der wichtigsten Verbündeten, ja künftig sehr instabil werden könnte und damit auch die Ölpreise massiv ins Wanken geraten können. Das würde massiv die vitalsten Interessen der USA bedrohen, deshalb braucht man hier einen Plan B, und der wäre Iran. Und wenn es gelingt, dahingehend sich mit Iran umfassender ins Benehmen zu setzen, dann würde sich vielleicht früher oder später auch Israel damit arrangieren können, vorausgesetzt, sein Existenzrecht und andere Grundlagen wären gewährleistet.
Schulz: Aber halten Sie das denn wirklich für greifbar?
Braml: Ich halte, was die realpolitischen Ambitionen der USA angeht, es für möglich, dass man sich mit dem Iran ins Benehmen setzt, ja.
Schon die Forderungen der Hamas können nicht erfüllt werden
Schulz: Und wenn wir jetzt noch mal konkret schauen auf die Situation in Nahost, auf die aktuelle Eskalation der Gewalt und die Gespräche, die für heute ja nach wie vor auf der Tagesordnung sind mit Ägypten, mit den USA an Bord: Wann wären sie ein Erfolg?
Braml: Ich sehe hier keinen Erfolg, weil wie gesagt schon allein die Forderungen der Hamas nicht erfüllt werden können. Da sollen Gefangene wieder einmal freigelassen werden oder soll sich die israelische Armee aus dem Gazagebiet zurückziehen – das sehe ich nicht kommen. Vielleicht kann man sich einigen darauf, dass die Grenzübergänge ein wenig geöffnet werden und die Wirtschaftsblockade ein wenig gelockert wird. Wenn man strategisch denkt, dann könnten diese letzteren Maßnahmen auch dazu führen, dass der Hamas der Nährboden entzogen wird. Nicht zuletzt ist auch die Radikalisierung der Palästinenser vielleicht auf diese Faktoren zurückzuführen. Wenn die Hamas aber diese Faktoren selbst begreift, dann werden sie sich nicht drauf einlassen.
Schulz: Strapaziert Israel die Loyalität der USA auch über?
Braml: Ich denke, man hat sehr viele loyale Verbündete im Kongress, auf die der Präsident Rücksicht nehmen muss. Der US-Präsident und der israelische Premierminister haben ja nicht das beste Verhältnis, aber Obama muss sehr viel Rücksicht auf den Kongress nehmen, zumal wenn er den Deal mit dem Iran weitertreiben will. Wenn man nämlich hier Sanktionen lockern oder erlassen will, braucht man die Zusammenarbeit des Kongresses. Und hier sitzen sehr viele loyale Verbündete Israels.
Schulz: Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik hier heute in den "Informationen am Mittag" im Deutschlandfunk. Haben Sie herzlichen Dank!
Braml: Ich danke Ihnen, Frau Schulz!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.