Die Zerstörung der Häuser sei auch legal, sagte Jakov Hadas-Handelsman im Deutschlandfunk. Betroffene hätten die Möglichkeit, sich an den Obersten Gerichtshof zu wenden. Dieser billige das Vorgehen aber zumeist.
Der Botschafter appellierte an die internationale Gemeinschaft, den Druck auf den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas zu erhöhen, damit dieser gegen die Gewalt vorgehe. Statt die Lage zu beruhigen, gieße Abbas Öl ins Feuer. Ziel der Palästinenser sei es offenbar, die Anerkennung eines eigenen Staats zu erreichen, ohne vorher Frieden mit Israel geschlossen zu haben."Es muss aber umgekehrt sein", sagte Hadas-Handelsman. "Es geht nur über Verhandlungen." Resolutionen wie die des spanischen Parlaments, dass sich für eine Anerkennung eines palästinensischen Staates ausgesprochen habe, werden "uns nicht zusammenbringen", kritisierte Hadas-Handelsmann.
Das Interview in voller Länge:
Sandra Schulz: Mit Beilen, Messern und Pistolen waren sie am Dienstag in die ultraorthodoxe Synagoge eingedrungen. Insgesamt fünf Menschen fielen dem Attentat zweier Palästinenser auf die Synagoge vorgestern zum Opfer. Die beiden Attentäter wurden erschossen. Israel reagiert mit militärischer Stärke und kündigt an, die Häuser von Attentätern zu zerstören.
Über die Sorge vor einer weiteren Eskalation der Gewalt wollen wir in den kommenden Minuten sprechen. Am Telefon begrüße ich den israelischen Botschafter in Deutschland. Guten Morgen, Jakov Hadas-Handelsman.
Jakov Hadas-Handelsman: Guten Morgen, Frau Schulz.
Schulz: Mit den Häuserzerstörungen bestrafen Sie unter anderem die Familien der Attentäter. Warum?
Hadas-Handelsman: Erstens: Ich schlage vor, dass wir das Gewicht der Lage heute in Israel nicht ablenken um die Frage, ob wir die Familien bestrafen, sondern wir sollten uns darauf konzentrieren, was dort wirklich passiert: eine Welle, eine Welle - - Augenblick!
Schulz: Ich habe schon den Vorschlag, dass ich die Fragen in unserem Interview stelle, weil wir ja auch zum Interview verabredet sind. Das ist meistens so, dass der Journalist dann die Fragen stellt, und da interessiert mich, warum die Familien bestraft werden.
Hadas-Handelsman: Ja, ja, ich weiß. Ich werde es beantworten. Okay? Aber ich wollte das nur bemerken. Erstens: Eine Welle von Gewalt, die von Hetze und Hassverbreitung motiviert ist. Zweitens: Ja, das ist Abschreckung und es wirkt. Es ist gesetzlich möglich. Die können appellieren an den Obersten Gerichtshof und normalerweise bestätigt das der Oberste Gerichtshof. Und wenn nicht, dann machen wir, was der Oberste Gerichtshof uns befehlt oder empfiehlt.
Und zweitens: Wissen Sie, Frau Schulz, alles ist umkehrbar, auch zerstörte Häuser. Eines aber ist unumkehrbar, und das ist Menschenleben, und das sollen wir nie vergessen. Und was die tun? Die übergreifen Kinder, Säuglinge und auch Leute, die mitten in ihrem Morgengebet sind.
Schulz: Herr Hadas-Handelsman, Sie sagen, es ist legal, diese Wohnungen zu zerstören.
Hadas-Handelsman: Ja.
Schulz: Verstehen Sie, dass Palästinenser, deren Wohnungen zerstört werden, das nicht verstehen?
Hadas-Handelsman: Ja. Aber ich verstehe auch nicht, warum Leute uns angreifen, und Leute, die motiviert sind von dieser Blutmordlüge, dass Israel die Moscheen am Tempelberg zerstören wollte und so weiter und so fort. Das soll man sich fragen: Warum passiert es? Warum hetzt man heutzutage auch in Ramallah, auch in der palästinensischen Autonomiebehörde gegen Israel, gegen die Juden? Wenn jemand anruft, die heiligen Moscheen zu verteidigen gegen die Juden mit allen möglichen Mitteln, dann die Leute hören zu und verwirklichen das sofort an Gewalt. Aber warum? Gibt es einen Grund dafür?
"Wie kann man diese Gewaltwelle stoppen"
Schulz: Die UN verurteilt den Anschlag ja als verabscheuungswürdigen Terrorakt und ist damit natürlich keine Einzelstimme, sondern die Ablehnung kommt ja uni sono aus der westlichen Welt. Aber haben Sie nicht die Sorge, dass diese Bilder von ausgebombten palästinensischen Familien, dass die wieder neuen Hass schüren?
Hadas-Handelsman: Schauen Sie, der Hass existiert. Wir wissen Bescheid, was das Ergebnis sein wird. Aber trotzdem versuchen diese Leute, Juden oder Israelis zu ermorden. Und wie gesagt: Ich schlage vor, dass wir nicht über dieses Ergebnis, das umkehrbar ist, uns beschäftigen, sondern wir sollen uns beschäftigen über die Frage oder mit dem Thema, wie kann man diese Gewaltwelle stoppen.
Schulz: Was ist die israelische Strategie zu dieser Frage?
Hadas-Handelsman: Das ist sehr einfach, das ist einfach zu sagen. Wir versuchen, die Lage zu beruhigen.
Schulz: …, indem Sie Wohnungen zerstören?
Hadas-Handelsman: Schauen Sie, wollen Sie noch mal über die Wohnungen reden? Die Wohnungen ist nicht das Hauptthema. Okay?
Schulz: Aber ich versuche zu verstehen, wie Sie die Lage beruhigen. Das sagen Sie ja gerade.
Hadas-Handelsman: Entschuldigung! Wollen Sie über die Wohnungen reden, weil jetzt ist es Ihnen bequem, darüber zu reden? Lassen wir uns nicht ablenken von dem Hauptthema. Hauptthema ist Terror in Jerusalem und anderen Plätzen in Israel gegen Juden, weil die Juden sind, weil die dort wohnen. Okay? Das ist das Hauptthema. Reden wir darüber und dann können wir vielleicht über Zerstören der Wohnungen in Theorie reden.
Schulz: Ich versuche zu verstehen, wie Sie der Gewalt ein Ende setzen wollen mit dem Vorgehen, das ja offensichtlich bisher nicht erfolgreich war. Die Gewalt geht ja weiter.
Hadas-Handelsman: Die Gewalt geht weiter. Okay! Dann muss man diese Gewalt verhindern und stoppen. Das kann man in zwei Wegen tun: Erstens, dagegen zu kämpfen. Es ist nicht sehr leicht, aber möglich. Zweitens: Ich erwarte, dass die internationale Gemeinschaft Druck auf die Palästinenser beziehungsweise auf Mahmud Abbas ausübt, damit er wirklich alles tut, was möglich ist, um die Lage zu beruhigen. Schauen Sie, ich glaube, dass auch die Palästinenser kein Interesse haben, die Lage zu eskalieren. Wir haben selbstverständlich kein Interesse, die Lage zu eskalieren. Aber in Wirklichkeit, was sie machen und die Äußerungen und die Briefe, die Mahmud Abbas schickt, diese sogenannten Kondolenzbriefe, gießen nur mehr Öl ins Feuer. Die internationale Gemeinschaft soll ihn wirklich dazu drängen, dass er und die palästinensische Autonomiebehörde gegen diese Gewalt nicht nur sich äußern, sondern auch etwas machen.
Schulz: Und die Forderung nach Militäraktionen in Ostjerusalem, die aus dem Kabinett Netanjahu kommen, gießen die auch Öl ins Feuer?
Hadas-Handelsman: Schauen Sie, in Ostjerusalem gibt es keine Militäraktionen. Ostjerusalem ist Teil des Staates Israel. Okay? In Ostjerusalem, diejenigen, die dort aktiv sind, ist die Polizei.
Schulz: Warum fordert es dann Wirtschaftsminister Bennett?
Hadas-Handelsman: Wirtschaftsminister Bennett hat vorgeschlagen, und das ist nicht möglich gesetzlich. Okay? Ich weiß, das hat er vorgeschlagen, aber das wurde noch nicht verwirklicht. Und schauen Sie: In dieser Stadt müssen Juden und Araber zusammen leben. Das hängt nicht davon ab, was schließlich für eine politische Lösung gefunden wird und so weiter. Juden und Araber müssen dort leben. Okay? Und sie müssen in Frieden leben. Und wenn es Demonstranten gibt und Gewalt gibt, dann gibt es die Polizei, und die Polizei und Sicherheitskräfte, die sind an jedem Ort der Welt, die für Ruhe sorgen sollen, damit das Publikum in Frieden sein Alltagsleben weiterführen kann.
"Es muss Frieden und zwei Nationalstaaten geben"
Schulz: Die Rückendeckung für Israel, die bröckelt ja teilweise. Es hat aus Schweden die Forderung gegeben, Palästina als Staat anzuerkennen. Eine ganz ähnliche Resolution hat es vorgestern im spanischen Parlament gegeben. Haben Sie nicht die Sorge, dass Sie die Solidarität der Staatengemeinschaft verlieren?
Hadas-Handelsman: Schauen Sie: Ja, es macht uns Sorge, aber nicht wegen der Solidarität. Solidarität kann man gewinnen. Das Problem ist sehr einfach. Die Palästinenser, wie es jetzt aussieht - und diese Hetze und Hassverbreitung ist Teil dieser Strategie oder Taktik -, sind auf dem Weg ihrer Meinung nach, eine Anerkennung, eine praktische Anerkennung ihres unabhängigen Palästinenserstaates zu erreichen, ohne Frieden mit Israel zu erreichen. Das ist, was sie wollen. Was wir sagen ist - und eigentlich die internationale Gemeinschaft ist auch der Meinung -, es muss Frieden und zwei Nationalstaaten geben, das heißt jüdischer Staat Israel, palästinensischer Staat namens Palästina, die in guter Nachbarschaft zusammen leben. Das ist, was wir erreichen wollen. Die versuchen das umgekehrt und deswegen verstehe ich nicht, was erreicht zum Beispiel diese Entscheidung des spanischen Parlaments, Palästina anzuerkennen. Es wird leider uns nicht zusammenbringen, sondern umgekehrt: Die Palästinenser bekommen einen Rückenwind davon und sagen, okay, wir können unser Ziel erreichen, ohne dass wir dafür zahlen müssen, das heißt, ohne dass es Frieden mit Israel gibt. Wir sagen, das wird nicht passieren. Aber schließlich sind wir alle der Meinung, dass eine Lösung von zwei Staaten verwirklicht werden wird, und das kann man nur erreichen durch Verhandlungen. Die Geschichte beweist das sehr klar in Europa, in allen Teilen der Welt. Jemand, der alleine eine Lösung zu erreichen probiert, wird nicht erfolgreich sein. Das ist genau das, was die internationale Gemeinschaft den Palästinensern sagen muss.
Schulz: Jakov Hadas-Handelsman heute hier in den "Informationen am Morgen", der israelische Botschafter in Deutschland. Haben Sie herzlichen Dank für das Interview.
Hadas-Handelsman: Danke.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.