Die Lage für die Zivilbevölkerung sei sehr schwierig, berichtete der außenpolitische Berater des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas, Abdallah Frangi, im Deutschlandfunk. Bislang habe es schon mehr als 1.400 Tote gegeben. Deshalb müssten sich nun auch die Europäer stärker einschalten und die USA unterstützen, forderte Frangi.
Zu den militärischen Strategien der Palästinenser könne er nichts sagen, da habe er nicht mitzuentscheiden, sagte Frangi. Sicher sei nur, dass "der Konflikt niemals militärisch gelöst werden wird". Für die Palästinenser sei es wichtig, dass am Ende des Prozesses für sie die Freiheit, die Unabhängigkeit im Westjordanland und im Gazastreifen stehe. Wenn Israel die Gebiete weiter besetzt halte, gebe es kaum eine Chance auf Frieden. "Dann leiden wir beide, Israelis und Palästinenser."
Das Interview mit Abdallah Frangi in voller Länge:
Sandra Schulz: Am Vormittag haben wir den Fatah-Politiker Abdallah Frangi erreicht. Palästinenser Präsident Abbas hat ihn jüngst zum Gouverneur von Gaza berufen. Ich habe Abdallah Frangi als Erstes gefragt, unter welchen Bedingungen er telefonieren kann.
Abdallah Frangi: Ja, gut, es ist ab und zu mal, es knallt hier in der Nähe, und vor zwei, drei Minuten hat's auch heftig geknallt, aber man lebt damit.
Schulz: Wenn der Beschuss einsetzt, was machen Sie dann?
Frangi: Ich bleibe sitzen. Wir haben keinen Keller und wir haben keinen Bunker und gar nichts, und man hat sich nie darauf eingestellt, und deswegen ist das, ja, jeder, inwieweit man sein Glück hat.
Schulz: Wir sprechen natürlich nicht oft mit Leuten, die wir direkt im Gazastreifen erreichen können. Wie erleben Sie die Situation?
"Stündlich wächst die Zahl der Toten und Verletzten"
Frangi: Es ist wirklich sehr schwierig, sehr schwierig, für uns jetzt hier im Gazastreifen zu leben, jeden Tag die Toten zu zählen. Man ist konfrontiert mit ... man wartet immer auf einen Waffenstillstand, und das kommt und das wird nicht eingehalten. Und jeden Tag, gestern zum Beispiel und vorgestern waren die schlimmsten Tage, also 169 Tote und über 400 Verletzte. Ja, und die Leute werden manchmal auf der Straße liegen bleiben, weil man die nicht beerdigen kann.
Ja, man hat keinen Strom, man hat kein Wasser, man hat kaum was zu essen, und die Lage ist sehr kritisch geworden. Und ich glaube, es ist an der Zeit, dass die Welt sich einschaltet, um einen Waffenstillstand zu erzwingen, weil dieser Zustand für die Zivilbevölkerung ... wir haben inzwischen seit dem – heute ist der 25. Tag der Konfrontation – und wir haben über 1.400 Tote und über 7.000 Verletzte, und stündlich wächst die Zahl der Toten und Verletzten.
Schulz: Ja, Israel hat lange Kämpfe angekündigt, Israel hat angekündigt, so lange weiterzukämpfen, bis der Beschuss auf israelische Städte aufhört. Was tut denn die palästinensische Seite, um das jetzt abzukürzen?
Frangi: Wissen Sie, die palästinensische Seite bereitet sich darauf vor auf die Gespräche, die stattfinden werden sollten in Ägypten. Man hat sich darauf verlassen, dass der amerikanische Außenminister beide Parteien zu einem Waffenstillstand bewegt, aber es ist ihm nicht gelungen. Man versucht jetzt, die Unterstützung von Ägypten zu bekommen, und ich glaube, heute ist eine Delegation von den Israelis nach Ägypten geflogen, und die Palästinenser werden ihre Leute dann auch dorthin schicken.
Wenn man jetzt einen Waffenstillstand verbunden mit dem Versprechen, dass die Palästinenser nicht mehr unter einer Blockade leben müssen in dem Gazastreifen, dann besteht eine reelle Chance, dass man jetzt diese jetzige Konfrontation ausnutzt und ...
Schulz: Herr Frangi, aber warum hört die Hamas nicht einfach auf zu schießen?
"Man kann nicht sagen, wer für das Schießen verantwortlich ist"
Frangi: Wissen Sie, man kann jetzt ... Ich will auch nicht, wer ist Schuld daran, nur ich möchte gerne sagen, es gibt keinen, der jetzt hier sitzt, einen Schiedsrichter, und sagt, der hat angefangen und der nicht. Wenn man 24 Stunden unter Beschuss steht, dann kann man eine Pause halten, man kann auch diese Pause nicht halten.
Gestern zum Beispiel in diesem Markt haben die Israelis vier Stunden Pause gemacht, also Waffenstillstand, und direkt danach haben die Leute sich auf die Straße gewagt und sie wurden beschossen. Und dann war die Zahl der Toten doppelt so groß, weil die Menschen sich darauf verlassen haben.
Man kann heute nicht sagen, die und der ist verantwortlich für dieses Schießen. Die Tatsache, dass die israelische Armee ist in dem Gazastreifen, dass die einfach jetzt ein Drittel von dem Gazastreifen kontrollieren mit ihren Truppen und der Rest unter, sagen wir, Kontrolle der Flugzeuge und alles, was die Israelis besitzen an Technik und Überlegenheit. Und hier kann man also eigentlich ... die Zahl der Toten und Verletzten ist mehr als die Kämpfer.
Schulz: Ja, aber die israelische Armee betont ja auch immer wieder – es hat ja auch Kritik gegeben an der Strategie der Armee –, sie betont immer wieder, dass sie reagiert auf einzelnen Beschuss, auf Angriffe, auf vermutete Waffenlager. Wie sieht denn Ihre Exitstrategie aus?
"Dieser Konflikt wird niemals militärisch gelöst werden"
Frangi: Na, ich bin nicht bei den Leuten, die die militärische Strategie machen. Ich bin eigentlich jetzt neu hier, seit einer Woche, um die Aufgaben, den Menschen zu helfen, den Wiederaufbau und ein normales Leben zu führen, aber ich bin militärisch eigentlich gesehen nicht in der Lage mit zu entscheiden, aber ich kann nur hoffen und ich kann auch betonen, dass dieser Konflikt niemals militärisch gelöst werden wird.
Schulz: Ja, genau, deswegen meine Frage: Was konkret wollen Sie unternehmen, was sind Ihre nächsten Schritte für Frieden?
Frangi: Also unsere nächsten Schritte, dass wir aufbauen auf den ägyptischen Einsatz und die Truppen, die auch sich eingeschaltet haben, aber auch die Europäer, sie müssen sich einschalten. Man braucht nicht wie vor Kurzem zu einer Konferenz in Paris hingehen und danach kein Funken von den Europäern kommt.
Sie müssen auch jetzt den amerikanischen Präsidenten helfen und seine Arbeit ergänzen, damit wirklich Europa mit der USA, mit dem Weltsicherheitsrat in der Lage sein können, einen Waffenstillstand zu erreichen mit der Vorstellung, wie man den Frieden dort schafft, und nicht dort hinkommen zu den Palästinensern und Israelis und appelliert hier einmal und appelliert ein anderes Mal dort.
Schulz: Diese diplomatischen Bemühungen, die Gespräche, die laufen ja auch die ganze Zeit. Jetzt sprechen wir natürlich gerade mit Ihnen, deswegen ist meine Frage noch mal nach dem palästinensischen Angebot: Was werden Sie denn anbieten können bei diesen Verhandlungen?
Frangi: Ja, ich meine, man hat angeboten, dass die Blockade aufgehoben wird und dass wir nur begrenzte Zeit haben ...
"Keine Chance auf Frieden, wenn Israelis weiter Gebiete der Palästinenser besetzen"
Schulz: Das ist ja im Grunde genommen kein Angebot, sondern das ist ja eher eine Forderung.
Frangi: Jeder Mensch hat eine Forderung, und jeder Mensch denkt an die Seite, wo es ihm fehlt.
Schulz: Ja, und jetzt hab ich nach Ihren Angeboten gefragt.
Frangi: Ja, gut, wissen Sie, ich hab es schwer jetzt, die Frage so zu beantworten, wie Sie das immer wieder hinstellen. Ich wollte gerne, dass wir über das gesamte ... Dann können wir eine Vorstellung machen. Aber wenn ich konfrontiere mit einer Frage jetzt dreimal hintereinander, dann kann man auch gar nichts sagen.
Ich sage es noch mal: Die Palästinenser möchten gerne, dass sie am Ende dieses Prozesses zur Freiheit kommen können, Unabhängigkeit zu ihrem Staat in Westbank und Gazastreifen. Wenn die Israelis weiterhin die Gebiete der Palästinenser besetzen, dann wird kaum eine Chance für einen Frieden in der Zukunft, und wenn wir keinen Frieden haben, dann leiden wir beide, die Palästinenser, aber auch die Israelis.
Schulz: Abdallah Frangi von der Fatah, Gouverneur von Gaza und heute hier in den "Informationen am Mittag". Herzlichen Dank dafür!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.