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Konflikt im Nahen Osten
Jüdische Fußballfans fühlen sich isoliert

Der Terror der Hamas in Israel und die Eskalation im Nahen Osten haben Auswirkungen auf den europäischen Fußball. Pro-Palästinensische Aussagen von Spielern führen zu Verwerfungen in Vereinen. Und in England fühlen sich jüdische Fans von den Verbänden im Stich gelassen.

Von Ronny Blaschke |
Fans des FC Fulham mit Israel-Flagge im Stadion bei einem Spiel der englischen Premier League
Jüdische Fußball-Fans, hier beim FC Fulham, fühlen sich nach Anschlägen in Israel isoliert und von den Verbänden alleine gelassen (picture alliance / Federico Guerra Maranesi / MI News / NurPhoto)
Vor einem halben Jahr haben jüdische Anhänger des FC Arsenal in London einen Fanklub gegründet, die "Jewish Gooners". In ihrer Chatgruppe diskutieren sie eigentlich über Siege und Niederlagen. Inzwischen geht es dort vor allem um die jüngsten Terroranschläge in Israel. Die "Jewisch Gooners" hatten anfangs nicht den Plan, als politische Gruppe an die Öffentlichkeit zu gehen. Doch seit der Eskalation beteiligen sie sich an der Diskussion. Und sie kritisieren die Kommunikation der englischen Fußballinstitutionen. 
"Die Verbände waren nicht in der Lage, ein würdiges Gedenken zu organisieren. Und wir sprechen hier über das größte Massaker an Juden seit dem Holocaust", sagt Barry Frankfurt, einer der prägenden Köpfe der "Jewish Gooners". Er und seine Organisation wünschen sich, dass Vereine Zeichen für Israel setzen. "Die Funktionäre wollten wahrscheinlich dem Eindruck entgegenwirken, dass sie sich auf eine Seite schlagen. Aber wie viele Juden müssen ermordet werden, damit die Leute beim Verband merken: 'Ah, das ist Antisemitismus, wir haben's verstanden.' Deshalb haben wir uns als jüdische Fußballfans einsam und isoliert gefühlt."

Nicht mehr mit der Kippa ins Stadion

Immer wieder haben sich Barry Frankfurt und seine Freunde an den gesellschaftlichen Anliegen des Fußballs beteiligt, etwa für die "Black Lives Matter"-Bewegung oder die Kriegsopfer der Ukraine. Umso enttäuschter sind sie jetzt, dass das Wembley-Stadion nicht in den israelischen Farben erleuchtet wird. Tage vergingen, bis sich einige Klubs der Premier League überhaupt zum Terror äußerten. Der ukrainische Spieler Oleksandr Zinchenko vom FC Arsenal hingegen postete auf Instagram einen Davidstern, dazu die Worte: "Ich stehe zu Israel." Zinchenko wurde bedroht und deaktivierte sein Instagram-Konto.
Es ist eine Entwicklung, die Barry Frankfurt Sorgen bereitet: "Als 'Jewish Gooners' wollten wir dazu beitragen, dass sich jüdische Menschen im Stadion heimisch fühlen. Ich bin mit Kippa zu den Spielen gegangen. Doch dieser Freiraum war von kurzer Dauer. Beim nächsten Spiel werde ich wohl wieder eine Baseballmütze tragen. Gerade ist nicht die Zeit, um offen jüdisch zu sein."

Fußballer Ziyech spricht Israel in Instagram-Post Existenzrecht ab

Was jüdische Fans auch irritiert: Dutzende Profispieler in europäischen Ligen solidarisieren sich mit den Palästinensern, ohne den Terror der Hamas zu erwähnen. Der marokkanische-niederländische Flügelspieler Hakim Ziyech, der bei Galatasaray Istanbul unter Vertrag steht, schrieb auf Instagram: "Vom Fluss bis zum Meer wird Palästina frei sein." Damit sprach er Israel das Existenzrecht ab.
Der französisch-algerische Stürmer Karim Benzema, der für den saudi-arabischen Klub Al Ittihad spielt, äußerte sich auf X, früher Twitter: "Alle unsere Gebete gelten den Bewohnern von Gaza, die wieder einmal Opfer dieser ungerechten Bombardierungen sind, die weder Frauen noch Kinder verschonen."
Solidarität für die Palästinenser in sozialen Medien kann im deutschen Fußball Folgen haben: Der FSV Mainz 05 stellte den niederländisch-marokkanischen Spieler Anwar El Ghazi frei. Der FC Bayern bestellte den niederländisch-marokkanischen Spieler Noussair Mazraoui für ein Gespräch ein. Einige Politiker forderten die Ausweisung Mazraouis.

Liverpool-Star Salah postet - und spendet

Es sind solche aufgeladenen Diskussionen, die den bekanntesten muslimischen Fußballer lange zögern ließen. Mohamed Salah vom FC Liverpool veröffentlichte erst am vergangenen Mittwoch ein Video. Darin forderte er Hilfsgüter für die Menschen im Gazastreifen. Und er ging einen Schritt weiter, berichtet Nadim Rai, der den Fußball in der arabischen Welt erforscht und dazu Vorträge hält: "Der ganze Druck auch von medialer Seite hat dazu geführt, dass Mohamed Salah eine Spende getätigt hat, zwar nicht an palästinensische Organisationen oder palästinensische Vereine, sondern an den Ägyptischen Halbmond."

Celtic-Fans mit traditionell pro-palästinensischer Haltung

Es gibt Fußballer, die ihre Worte abwägen. Und es gibt Fangruppen, die in die Offensive gehen. Noch am Tag der Terrorangriffe in Israel zeigten Ultras von Celtic Glasgow Banner für ein "Freies Palästina". Diese Haltung hat auch historische Gründe, erinnert Nadim Rai. Celtic Glasgow war in Schottland einst von irischen Einwanderern gegründet worden. "Die pro-palästinensische Haltung der Celtic-Fans kommt daher, dass die PLO, die Palästinensische Befreiungsorganisation, und die IRA, die Irish Republican Army, eine enge Beziehung in der Vergangenheit hatten." Der Krieg im Nahen Osten dürfte sich zuspitzen.

Arsenal-Fanklub wirbt für Aufklärung

Der jüdische Fan Barry Frankfurt in London hat grundsätzlich nichts gegen das Schwenken von palästinensischen Flaggen. Aber: "Wenn die Reaktion auf den Angriff einer Terrororganisation das Zeigen dieser Flagge ist, dann nehme ich das als Einschüchterung wahr. Und als Verweis auf die Tragödie. In diesem Kontext ist das ein Symbol gegen uns."
Barry Frankfurt und die "Jewish Gooners" setzen sich für Aufklärung ein. In der vergangenen Woche hat er beim FC Arsenal an einem Workshop gegen Antisemitismus mitgewirkt. Man kann davon ausgehen, dass weitere folgen werden.