In der jetzigen Situation, in der Israel von Raketen beschossen werde, könne Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf den vollen Rückhalt in der Bevölkerung setzen. Die moderne Gesellschaft etwa in Tel Aviv sei nicht anders als die in Frankfurt oder Hamburg. Die Menschen wollten abends Fußball gucken "und plötzlich kommen dann die Raketen", sagte Natan Sznaider, Soziologieprofessor in Tel Aviv, im Deutschlandfunk.
In so einer Situation denke man zunächst einmal an sich selbst. Da sei es schwierig, Empathie zu zeigen. Sobald sich die Situation wieder beruhige, gebe es in Israel durchaus Bevölkerungsteile, die in einem größeren Rahmen dächten und Verständnis für die Situation der Palästinenser hätten. In dem Moment aber, in dem die Raketen kämen, würde das zurückgestellt. Da könne man auch "nicht mit Kindergartenpädagogik kommen", dass Gewalt Gegengewalt erzeuge. Es sei "ganz klar", dass es "bei solchen Aktionen auch Gegenaktionen" gebe.
Die Gründe für die Gewalt liegen tiefer
Der Tod der israelischen und des palästinensischen Jugendlichen sei lediglich der Auslöser für die neue Welle der Gewalt gewesen. Die eigentlichen Gründe liegen aber tiefer, erläuterte Sznaider. Der Friedensprozess sei seit längerem zum Stillstand gekommen, und es mangele den Palästinensern an Perspektiven. Die Hamas habe an Macht und Einfluss verloren. Deshalb habe diese die israelische Regierung mit dem Raketenbeschuss ganz bewusst zu Luftangriffen provoziert. Da stecke ein "politisches Kalkül" dahinter.
Sznaider äußerte sich zuversichtlich, dass es in den kommenden Tagen zu einer Waffenruhe kommen werde. Beide Seiten müssten jetzt "so ein bisschen Pingpong spielen", um anschließend sagen zu können, "wir haben gewonnen". Danach kehre man zum Status Quo zurück. "Und in anderthalb Jahren wird es dann wahrscheinlich wieder losgehen." Solange es keinen umfassenden Friedensplan gebe, werde die Gewalt weitergehen, so der Soziologe.
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