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Nahost-Konflikt
Kühle Reaktionen auf Abbas' Rede

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas will sich nicht mehr an das Osloer Abkommen halten - Israel reagiert kühl auf den Vorstoß. Das Nahost-Quartett will weiter Druck auf Israel und die Palästinenser bei der Suche nach einer Lösung des Konflikts ausüben.

    Mahmud Abbas in der UNO-Vollversammlung am 30. September 2015
    Mahmud Abbas in der UNO-Vollversammlung am 30. September 2015 (dpa / picture-alliance / Peter Foley)
    Israel sieht den aktuellen Stand in der Region nicht gefährdet, berichtet Torsten Teichmann für den Deutschlandfunk. Israels Innenminister Silvan Shalom sagte: "Es besteht kein Zweifel: Der vorliegende Versuch, alles hinzuschmeißen, bringt sie keinen Zentimeter näher an das Ziel, das sie erreichen wollen." Zumal Abbas die Verträge von Oslo 1993 gar nicht formell gekündigt habe - schließlich existiere die Autonomiebehörde, die ein Ergebnis der Verträge ist, weiterhin. Der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, nannte Abbas' Vorgehen im Deutschlandfunk einen "Schrei aus Verzweiflung".
    Netanjahu: Abbas' Aussagen sind "hetzerisch"
    Abbas' Äußerungen seien hetzerisch und ermutigten Unruhen im Nahen Osten, teilte das Büro des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu am Mittwochabend mit. Entgegen den Vorwürfen von Abbas wahre Israel streng den Status quo auf dem Tempelberg in Jerusalem. Netanjahu rief Abbas erneut dazu auf, verantwortlich zu handeln und direkten Verhandlungen ohne Vorbedingungen zuzustimmen.
    Abbas hatte vor der UNO-Vollversammlung gesagt: "Wir erklären hiermit, dass wir uns nicht weiter an die Vereinbarung gebunden fühlen." Solange Israel die Einigung von 1993 ständig verletze, wollten die Palästinenser nicht die einzigen sein, die sich an das Abkommen hielten, sagte Abbas. Dieser Schritt könnte weitreichende Folgen haben und ein weiterer Rückschlag für den ohnehin kaum existenten Friedensprozess sein. Unmittelbar nach der Rede wurde zum ersten Mal die Flagge der Palästinenser bei den UNO aufgezogen. Allerdings wehte sie nicht direkt in einer Reihe vor dem Hauptgebäude mit den 193 Flaggen der UNO-Mitglieder. Stattdessen stehen die beiden Flaggen der Beobachterstaaten - der andere ist der Vatikan - ganz am Ende mit einem kleinen Abstand zu den Fahnen der Mitgliedsländer.
    Historischer Händedruck unter der Aufsicht von Bill Clinton: Jitzchak Rabin (l.) und Jassir Arafat 1993
    Die Osloer Verträge

    Am 13. September 1993 wurde von Israel und der palästinensischen Führung in Oslo die "Prinzipienerklärung über die vorübergehende Selbstverwaltung" unterzeichnet - genannt "Oslo I". Beide Seiten machten Zugeständnisse - und erkannten sich erstmals gegenseitig offiziell an. Seitdem haben die Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland eine Autonomiebehörde unter Führung der palästinensischen Befreiungsorganisation PLO, seit dem Tod Jassir Arafats ist Mahmud Abbas deren Präsident. Im Gegenzug musste die PLO alle Passagen aus ihrer Charta streichen, die die Vernichtung Israels als Ziel enthielten. Mit der Unterzeichnung von "Oslo II" 1995 wurde die Teilung des Westjordanlandes in palästinensische, israelische und gemeinsam verwaltete Gebiete geklärt. Zentrale Streitpunkte wurden in den Abkommen jedoch nicht behandelt: Jerusalem, die Flüchtlingsfrage, künftige Grenzziehungen und der jüdische Siedlungsbau. Mit Beginn der zweiten Intifada 2000 galten die Abkommen als weitgehend gescheitert.
    Nahostquartett will Oslo-Abkommen erhalten
    Das Nahostquartett, dass sich für eine Zwei-Staaten-Lösung einsetzt, tagte in New York zum ersten Mal unter Einbindung der arabischen Nachbarn von Israelis und Palästinensern. Die Gruppe aus UNO, EU, USA und Russland sprach mit den Außenministern von Ägypten, Jordanien, Saudi-Arabien und dem Generalsekretär der Arabischen Liga. Die arabischen Partner sollen künftig regelmäßig beteiligt werden. Damit hofft das Quartett den Druck auf Palästinenser und Israelis erhöhen zu können. Auf die Worte Abbas' reagierte das Nahostquartett besorgt, berichtet Kai Clement im Deutuschlandfunk. Ein Erhalt des Oslo-Abkommens sei aber noch immer möglich.
    Das Quartett - bestehend aus UN-Chef Ban Ki Moon, den Außenministern Sergej Lawrow (Russland) und John Kerry (USA) und der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini - zeichnete anschließend ein pessimistisches Bild der Situation. Die Gewalt habe sich in letzter Zeit auf beiden Seiten verschärft, die Extremisten würden immer mehr Einfluss gewinnen.
    (nch/dk)