Im Hof der Mädchen-Grundschule von Schedschaija wird geschweißt. Männer bringen ein Gitter an. Es versperrt den Weg zu dem Teil der Schule, der im Gaza-Krieg getroffen worden ist. Eine mächtige Explosion muss die zwei Stockwerke des Gebäudes an einer Ecke zu Boden gerissen habe. Der Unterricht für die 1.500 Mädchen habe trotzdem begonnen, sagt Direktorin Sameer Salem:
"Wir werden das gesamte Jahr über versuchen, psychologische Hilfe anzubieten, wir werden versuchen, Gewalt an der Schule zu vermeiden, den Unterricht so einfach wie möglich zu gestalten und den schwachen Schülern unter die Arme zu greifen."
Erschwerend kommt hinzu: Es fehlen Tische, Stühle, Strom und fließend Wasser. Das Ministerium habe versprochen, den Lernplan auszudünnen, erklärt Sameer. Den Schülern dürfe keine unnötige Last aufgeladen werden. Schule light - aber am Thema Krieg kommen sie alle nicht vorbei. Schon allein, weil in vielen Klassen jetzt Kinder fehlen:
"Wir werden bestimmt über den Krieg reden, denn die Lehrer haben ja auch alles erlebt und das muss raus. Wir müssen alles auspacken, was wir erlebt haben - ob wir gewonnen haben oder nicht, spielt erst mal keine Rolle. So Gott will, werden wir vielleicht gewinnen."
Nicht jedes Kind kann in Klassenzimmer zurückkehren
Nach dem Ende des Gaza-Krieges hat das neue Schuljahr mit drei Wochen Verspätung begonnen - zumindest für die meisten der schätzungsweise 500.000 Schüler im Gazastreifen. Nicht jedes Kind kann aber in sein Klassenzimmer zurückkehren.
Die Gamal-Abdel-Nasser-Schule im Stadtteil Schedschaija ist zum Beispiel eine Ruine umgeben von Schutt. Der Unterricht für die palästinensischen Jungen der Oberschule hat in einem benachbarten, weniger stark zerstörten Schulgebäude begonnen. Im Zweischichtbetrieb, gemeinsam mit den Schülern dort, erklärt Rektor Jamil Al Hasim.
"Trotz der schwierigen Zeit und der schwierigen Situation werden wir den Lernplan fortsetzen. Denn mit Lernen und Bildung werden wir unsere Ziele erreichen. Deshalb müssen wir uns konzentrieren und uns alle Mühe geben, dass die Bildung wieder in vollem Umfang aufgenommen wird."
Die kämpferischen Worte können nicht über die Schwierigkeiten hinwegtäuschen. Auch im Ausweichquartier der Nasser-Schule haben nicht mehr alle Klassenzimmer ein vollständig geschlossenes Dach.
Kein Geld für Lehrer
Der zuständige Direktor der Schulbehörde, Ashraf Khazalat, muss allein in seinem Bezirk 86 Schulen in nur 50 Gebäuden unterbringen. Eine zweite Zahl bereitet dem früheren Mathematiklehrer Probleme: Durch die Vertreibung während des Krieges sitzen in einigen Klassen jetzt 60 Schüler und mehr. Unterrichtet von nur einem Lehrer:
"Die Lehrer, die jetzt arbeiten, bekommen kaum Gehalt. Viele von ihnen erhalten 200 Euro im Monat. Wie soll man da neue anstellen? Es gibt viele Absolventen, aber kein Geld."
Unterstützung von der palästinensischen Regierung aus Ramallah bekomme er nicht. Eine absurde Situation: Denn Ramallah bezahlt eigene Lehrer in Gaza, verlangt von denen aber, dass sie aus Protest gegen die in Gaza dominierende Hamas daheim bleiben. Das versteht jetzt niemand mehr.
"Das Ministerium für Bildung spricht nicht mit uns. Wie wollen sie uns helfen mit Geld und Material, wenn sie nicht mit uns reden? Sprecht mit uns. Wo sind Präsident Abbas und Regierungschef Hamdallah. Wo sind die Minister der Regierung?"
Auch an den quasi nicht staatlichen Schulen des Flüchtlingshilfswerks UNRWA hat der Unterricht wieder begonnen. Der Kiosk der Salah-Eldeen-Grundschule in Gaza-Stadt wurde in der vergangenen Woche noch geputzt. In der Zeit des Krieges hatten in den Klassenzimmern 2.700 Menschen ein Notquartier gefunden. Sie waren geflohen vor den Angriffen der israelischen Armee und Kämpfen. Rafat Al Habbasch von der UN sagt, dass er noch nicht für alle Vertriebenen eine Lösung gefunden habe:
"Die größte Herausforderung sind sieben Schulen, in denen Vertriebene sich weigern, zu gehen. Zwei Szenarien: Wir haben jetzt staatliche Schulgebäude gemietet für Unterricht im Zweischichtsystem. Oder die Flüchtlinge erhalten von der UNRWA Geld für Miete und verlassen die Gebäude. Aber das ist noch offen, man weiß nicht, was mit den Schulen passiert, in denen jetzt noch Flüchtlinge wohnen."
Abiturprüfung während des Kriegs
Zur Entschärfung der Situation könnte auch eine Öffnung der Grenzübergänge durch Israel und Ägypten beitragen. Nur wenn Baumaterial wie Zement und Stahlträger nach Gaza gelangen, kann der Wiederaufbau beginnen. Zunächst könnten dann Vertriebene zurückkehren, deren Häuser stark beschädigt, aber nicht zerstört worden sind. Doch Israel lehnt eine Öffnung bisher ab, aus Sicherheitsgründen. Besser ist die Situation derzeit wohl nur an einigen Privatschulen im Gazastreifen. Aber dort kostet ein Schuljahr Geld, 500 bis 3000 Dollar pro Kind. Das können nur wenige bezahlen.
Im Hof der Schulbehörde von Gaza-Ost sammeln sich junge Palästinenser, die ihre Schulzeit hinter sich gebracht haben. Auf langen Listen an der Hauswand suchen sie das Ergebnis ihrer Abiturprüfung. Lernen mussten sie während des Krieges, erzählt Rana El Jamala:
"Ich habe 66,6 Prozent. Gelernt habe ich während des Krieges mit viel Angst, Unruhe und Nervosität. Aber da musste ich durch. Ich möchte mich für Scharia-Recht und Islamisches Recht anmelden bei der Islamischen Universität in Gaza."
Für ein Medizinstudium oder ein Studium im Ausland brauchen Palästinenser mehr als 90 Prozent im Abitur. Es wird unter den gegenwärtigen Umständen womöglich noch schwieriger, diese Ergebnisse zu erreichen.